Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

Drey Jahre sind wieder dahingeflossen, ins Meer
der Zeiten, seitdem ich mein Lebensgeschichtgen aus
allen meinen kuderwelschen Papieren zusammenge-
flickt. Was mir seither merkwürdiges vorfiel, hab'
ich in mein Tagebuch verzeichnet; und da auch die-
ses einmal das Licht der Welt erblicken wird, bleibt
mir hier nur sehr weniges übrig, von meiner gegen-
wärtigen Lage, und den bisherigen Schicksalen mei-
ner armen unschuldigen Authorschaft.

Noch wall' ich im Lande der Lebendigen meinen
alten Schlendrian fort, und zwar -- je länger je
lieber; trotz etlichen Neidharten, die mir jeden hei-
tern Tag, jedes frohe Weilchen -- Gottes Sonne
mißgönnen -- und doch mir kein Haar krümmen kön-
nen. Denn fest ist meine Burg unter dem Schutz
des Allerhöchsten.

Ein und ebendasselbe ist mein Wohnort. Einför-
mig, ein und eben dieselben sind Beruf, Geschäfte,
Laune, Glück und -- Menschengunst. Dafür lachet
mich die ganze Natur an: Der größre und bessere
Theil meiner Nebenmenschen mögen mich recht wohl
leiden; ich geniesse sogar das unschätzbare Gut, et-
liche Herzensfreunde zu haben. Die edle Gesundheit
ist besser als noch nie.

Mit der Harmonie in meinem Hause -- Ha! da
bleibt's immer beym Alten; und die dießfällige Un-
vollkommenheit meines Zustands gehört -- kurz und
gut -- unter die unvermeidlichen Uebel in der Welt,
die man nicht so leicht ändern als sich -- drüber weg-

Drey Jahre ſind wieder dahingefloſſen, ins Meer
der Zeiten, ſeitdem ich mein Lebensgeſchichtgen aus
allen meinen kuderwelſchen Papieren zuſammenge-
flickt. Was mir ſeither merkwuͤrdiges vorfiel, hab’
ich in mein Tagebuch verzeichnet; und da auch die-
ſes einmal das Licht der Welt erblicken wird, bleibt
mir hier nur ſehr weniges uͤbrig, von meiner gegen-
waͤrtigen Lage, und den bisherigen Schickſalen mei-
ner armen unſchuldigen Authorſchaft.

Noch wall’ ich im Lande der Lebendigen meinen
alten Schlendrian fort, und zwar — je laͤnger je
lieber; trotz etlichen Neidharten, die mir jeden hei-
tern Tag, jedes frohe Weilchen — Gottes Sonne
mißgoͤnnen — und doch mir kein Haar kruͤmmen koͤn-
nen. Denn feſt iſt meine Burg unter dem Schutz
des Allerhoͤchſten.

Ein und ebendaſſelbe iſt mein Wohnort. Einfoͤr-
mig, ein und eben dieſelben ſind Beruf, Geſchaͤfte,
Laune, Gluͤck und — Menſchengunſt. Dafuͤr lachet
mich die ganze Natur an: Der groͤßre und beſſere
Theil meiner Nebenmenſchen moͤgen mich recht wohl
leiden; ich genieſſe ſogar das unſchaͤtzbare Gut, et-
liche Herzensfreunde zu haben. Die edle Geſundheit
iſt beſſer als noch nie.

Mit der Harmonie in meinem Hauſe — Ha! da
bleibt’s immer beym Alten; und die dießfaͤllige Un-
vollkommenheit meines Zuſtands gehoͤrt — kurz und
gut — unter die unvermeidlichen Uebel in der Welt,
die man nicht ſo leicht aͤndern als ſich — druͤber weg-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0299" n="283"/>
        <div n="2">
          <head/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>rey Jahre &#x017F;ind wieder dahingeflo&#x017F;&#x017F;en, ins Meer<lb/>
der Zeiten, &#x017F;eitdem ich mein Lebensge&#x017F;chichtgen aus<lb/>
allen meinen kuderwel&#x017F;chen Papieren zu&#x017F;ammenge-<lb/>
flickt. Was mir &#x017F;either merkwu&#x0364;rdiges vorfiel, hab&#x2019;<lb/>
ich in mein Tagebuch verzeichnet; und da auch die-<lb/>
&#x017F;es einmal das Licht der Welt erblicken wird, bleibt<lb/>
mir hier nur &#x017F;ehr weniges u&#x0364;brig, von meiner gegen-<lb/>
wa&#x0364;rtigen Lage, und den bisherigen Schick&#x017F;alen mei-<lb/>
ner armen un&#x017F;chuldigen Author&#x017F;chaft.</p><lb/>
          <p>Noch wall&#x2019; ich im Lande der Lebendigen meinen<lb/>
alten Schlendrian fort, und zwar &#x2014; je la&#x0364;nger je<lb/>
lieber; trotz etlichen Neidharten, die mir jeden hei-<lb/>
tern Tag, jedes frohe Weilchen &#x2014; Gottes Sonne<lb/>
mißgo&#x0364;nnen &#x2014; und doch mir kein Haar kru&#x0364;mmen ko&#x0364;n-<lb/>
nen. Denn fe&#x017F;t i&#x017F;t meine Burg unter dem Schutz<lb/>
des Allerho&#x0364;ch&#x017F;ten.</p><lb/>
          <p>Ein und ebenda&#x017F;&#x017F;elbe i&#x017F;t mein Wohnort. Einfo&#x0364;r-<lb/>
mig, ein und eben die&#x017F;elben &#x017F;ind Beruf, Ge&#x017F;cha&#x0364;fte,<lb/>
Laune, Glu&#x0364;ck und &#x2014; Men&#x017F;chengun&#x017F;t. Dafu&#x0364;r lachet<lb/>
mich die ganze Natur an: Der gro&#x0364;ßre und be&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
Theil meiner Nebenmen&#x017F;chen mo&#x0364;gen mich recht wohl<lb/>
leiden; ich genie&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ogar das un&#x017F;cha&#x0364;tzbare Gut, et-<lb/>
liche Herzensfreunde zu haben. Die edle Ge&#x017F;undheit<lb/>
i&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er als noch nie.</p><lb/>
          <p>Mit der Harmonie in meinem Hau&#x017F;e &#x2014; Ha! da<lb/>
bleibt&#x2019;s immer beym Alten; und die dießfa&#x0364;llige Un-<lb/>
vollkommenheit meines Zu&#x017F;tands geho&#x0364;rt &#x2014; kurz und<lb/>
gut &#x2014; unter die unvermeidlichen Uebel in der Welt,<lb/>
die man nicht &#x017F;o leicht a&#x0364;ndern als &#x017F;ich &#x2014; dru&#x0364;ber weg-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0299] Drey Jahre ſind wieder dahingefloſſen, ins Meer der Zeiten, ſeitdem ich mein Lebensgeſchichtgen aus allen meinen kuderwelſchen Papieren zuſammenge- flickt. Was mir ſeither merkwuͤrdiges vorfiel, hab’ ich in mein Tagebuch verzeichnet; und da auch die- ſes einmal das Licht der Welt erblicken wird, bleibt mir hier nur ſehr weniges uͤbrig, von meiner gegen- waͤrtigen Lage, und den bisherigen Schickſalen mei- ner armen unſchuldigen Authorſchaft. Noch wall’ ich im Lande der Lebendigen meinen alten Schlendrian fort, und zwar — je laͤnger je lieber; trotz etlichen Neidharten, die mir jeden hei- tern Tag, jedes frohe Weilchen — Gottes Sonne mißgoͤnnen — und doch mir kein Haar kruͤmmen koͤn- nen. Denn feſt iſt meine Burg unter dem Schutz des Allerhoͤchſten. Ein und ebendaſſelbe iſt mein Wohnort. Einfoͤr- mig, ein und eben dieſelben ſind Beruf, Geſchaͤfte, Laune, Gluͤck und — Menſchengunſt. Dafuͤr lachet mich die ganze Natur an: Der groͤßre und beſſere Theil meiner Nebenmenſchen moͤgen mich recht wohl leiden; ich genieſſe ſogar das unſchaͤtzbare Gut, et- liche Herzensfreunde zu haben. Die edle Geſundheit iſt beſſer als noch nie. Mit der Harmonie in meinem Hauſe — Ha! da bleibt’s immer beym Alten; und die dießfaͤllige Un- vollkommenheit meines Zuſtands gehoͤrt — kurz und gut — unter die unvermeidlichen Uebel in der Welt, die man nicht ſo leicht aͤndern als ſich — druͤber weg-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/299
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/299>, abgerufen am 19.04.2024.