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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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bald keinen Schwanz mehr sah. Ich eilte ihnen nach.
Es fieng entsetzlich an zu hageln, daß mir Kopf und
Rücken von den Püffen sausten. Der Boden war
dicht mit Steinen bedeckt; ich rannte in vollem Ga-
lopp drüber fort, fiel aber oft auf den Hintern,
und fuhr grosse Stück weit wie auf einem Schlit-
ten. Endlich in einem Wald, wo's gäh' zwischen
Felsen hinuntergieng, konnt' ich vollends nicht anhal-
ten, und glitschte bis zu äusserst auf einen Rand,
von dem ich, wenn mich nicht Gott und seine guten
Engel behütet hätten, viele Klafter tief herabgestürzt
und zermürst worden wäre. Jetzt ließ das Wetter
allmählig nach; und als ich nach Haus kam, waren
meine Geissen schon eine halbe Stund daheim. Et-
liche Tag lang fühlt' ich von dieser Parthie keiner-
ley Ungemach; aber mit Eins fiengen meine Füß zu
sieden an, als wenn man sie in einem Kessel kochte.
Dann kamen die Schmerzen. Mein Vater sah' nach,
und fand mitten an der einten Fußsohle ein groß Loch,
und Mooß und Gras darinn. Nun erinnert' ich mich
erst, daß ich an einem spitzen Weißtann-Ast aufge-
sprungen war: Mooß und Gras war mit hineinge-
gangen. Der Aeti grub mir's mit einem Messer
heraus, und verband mir den Fuß. Nun mußt' ich
freylich ein Paar Tage meinen Gäissen langsam nach-
hinken; dann verlor ich die Binde: Koth und Dreck
füllten jetzt das Loch, und es war bald wieder bes-
ser. -- Viel andre Mal, wenn's durch die Felsen
gieng, liefen die Thiere ob mir weg, und rollten
grosse Stein herab, die mir hart an den Ohren vor-

bald keinen Schwanz mehr ſah. Ich eilte ihnen nach.
Es fieng entſetzlich an zu hageln, daß mir Kopf und
Ruͤcken von den Puͤffen ſauſten. Der Boden war
dicht mit Steinen bedeckt; ich rannte in vollem Ga-
lopp druͤber fort, fiel aber oft auf den Hintern,
und fuhr groſſe Stuͤck weit wie auf einem Schlit-
ten. Endlich in einem Wald, wo’s gaͤh’ zwiſchen
Felſen hinuntergieng, konnt’ ich vollends nicht anhal-
ten, und glitſchte bis zu aͤuſſerſt auf einen Rand,
von dem ich, wenn mich nicht Gott und ſeine guten
Engel behuͤtet haͤtten, viele Klafter tief herabgeſtuͤrzt
und zermuͤrſt worden waͤre. Jetzt ließ das Wetter
allmaͤhlig nach; und als ich nach Haus kam, waren
meine Geiſſen ſchon eine halbe Stund daheim. Et-
liche Tag lang fuͤhlt’ ich von dieſer Parthie keiner-
ley Ungemach; aber mit Eins fiengen meine Fuͤß zu
ſieden an, als wenn man ſie in einem Keſſel kochte.
Dann kamen die Schmerzen. Mein Vater ſah’ nach,
und fand mitten an der einten Fußſohle ein groß Loch,
und Mooß und Gras darinn. Nun erinnert’ ich mich
erſt, daß ich an einem ſpitzen Weißtann-Aſt aufge-
ſprungen war: Mooß und Gras war mit hineinge-
gangen. Der Aeti grub mir’s mit einem Meſſer
heraus, und verband mir den Fuß. Nun mußt’ ich
freylich ein Paar Tage meinen Gaͤiſſen langſam nach-
hinken; dann verlor ich die Binde: Koth und Dreck
fuͤllten jetzt das Loch, und es war bald wieder beſ-
ſer. — Viel andre Mal, wenn’s durch die Felſen
gieng, liefen die Thiere ob mir weg, und rollten
groſſe Stein herab, die mir hart an den Ohren vor-

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[34/0050] bald keinen Schwanz mehr ſah. Ich eilte ihnen nach. Es fieng entſetzlich an zu hageln, daß mir Kopf und Ruͤcken von den Puͤffen ſauſten. Der Boden war dicht mit Steinen bedeckt; ich rannte in vollem Ga- lopp druͤber fort, fiel aber oft auf den Hintern, und fuhr groſſe Stuͤck weit wie auf einem Schlit- ten. Endlich in einem Wald, wo’s gaͤh’ zwiſchen Felſen hinuntergieng, konnt’ ich vollends nicht anhal- ten, und glitſchte bis zu aͤuſſerſt auf einen Rand, von dem ich, wenn mich nicht Gott und ſeine guten Engel behuͤtet haͤtten, viele Klafter tief herabgeſtuͤrzt und zermuͤrſt worden waͤre. Jetzt ließ das Wetter allmaͤhlig nach; und als ich nach Haus kam, waren meine Geiſſen ſchon eine halbe Stund daheim. Et- liche Tag lang fuͤhlt’ ich von dieſer Parthie keiner- ley Ungemach; aber mit Eins fiengen meine Fuͤß zu ſieden an, als wenn man ſie in einem Keſſel kochte. Dann kamen die Schmerzen. Mein Vater ſah’ nach, und fand mitten an der einten Fußſohle ein groß Loch, und Mooß und Gras darinn. Nun erinnert’ ich mich erſt, daß ich an einem ſpitzen Weißtann-Aſt aufge- ſprungen war: Mooß und Gras war mit hineinge- gangen. Der Aeti grub mir’s mit einem Meſſer heraus, und verband mir den Fuß. Nun mußt’ ich freylich ein Paar Tage meinen Gaͤiſſen langſam nach- hinken; dann verlor ich die Binde: Koth und Dreck fuͤllten jetzt das Loch, und es war bald wieder beſ- ſer. — Viel andre Mal, wenn’s durch die Felſen gieng, liefen die Thiere ob mir weg, und rollten groſſe Stein herab, die mir hart an den Ohren vor-

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/50>, abgerufen am 28.03.2024.