Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

"Zipfelwaid ist gar wohlfeil! Es könnte den Vater
"reuen, und er's wieder an sich ziehen, wenn ich
"ihm den Kaufschilling nicht baar erlege. Ich muß
"um Geld schauen, so kann er mir nicht mehr ab
"der Hand gehn." Ich gieng also zum Nachbar
Görg, erzählt' ihm den ganzen Handel, und bat
ihn mir die 5. fl. zu liehen; ich woll' ihm bis auf
Wiederbezahlung mein Land dafür zum Pfand einse-
tzen. Er gab mir's ohne Bedenken. Ganz entzückt
lief ich damit zum Vater, und wollt' ihn ausbe-
zahlen. Potz hundert! wie der mich abschneutzte:
"Wo hast du das Geld her?" Es fehlte wenig,
so hätt' es noch Ohrfeigen oben drein gesetzt. Im er-
sten Augenblick begriff ich nicht was ihn so entsetz-
lich bös mache. Aber er erklärte mir's bald, da er
fortfuhr: "Du Bärnhäuter! Mir mein Güt zu ver-
"pfänden"! riß mir dann die fünf Gulden aus der
Hand, rannte im Augenblick zu Görg, und gab sie
ihm wieder, mit Bedeuten: Daß er, so lieb ihm
Gott sey! seinem Buben kein Geld mehr liehe; Er
woll' ihm schon geben was er brauche, u. s. f. -- So
war meine Freude kurz. Der Aeti, nachdem er
bald wieder besänftigt war, mocht mir lang sagen:
"Ich brauch ihm das Ding gar nicht zu zahlen; ich
"könn' ihm ja ein billiges Zinslein geben: Der
"Schlempen Waid werde die Sach nicht aus-
"machen; ich soll nur damit schalten und walten wie
"mit meinem Eigenthum." Ich konnt' es ihm
nicht glauben; denn er lachte dabey immer hinten im
Maul. Das war mir verdächtig. Aber er hatte gu-

„Zipfelwaid iſt gar wohlfeil! Es koͤnnte den Vater
„reuen, und er’s wieder an ſich ziehen, wenn ich
„ihm den Kaufſchilling nicht baar erlege. Ich muß
„um Geld ſchauen, ſo kann er mir nicht mehr ab
„der Hand gehn.„ Ich gieng alſo zum Nachbar
Goͤrg, erzaͤhlt’ ihm den ganzen Handel, und bat
ihn mir die 5. fl. zu liehen; ich woll’ ihm bis auf
Wiederbezahlung mein Land dafuͤr zum Pfand einſe-
tzen. Er gab mir’s ohne Bedenken. Ganz entzuͤckt
lief ich damit zum Vater, und wollt’ ihn ausbe-
zahlen. Potz hundert! wie der mich abſchneutzte:
„Wo haſt du das Geld her?„ Es fehlte wenig,
ſo haͤtt’ es noch Ohrfeigen oben drein geſetzt. Im er-
ſten Augenblick begriff ich nicht was ihn ſo entſetz-
lich boͤs mache. Aber er erklaͤrte mir’s bald, da er
fortfuhr: „Du Baͤrnhaͤuter! Mir mein Guͤt zu ver-
„pfaͤnden„! riß mir dann die fuͤnf Gulden aus der
Hand, rannte im Augenblick zu Goͤrg, und gab ſie
ihm wieder, mit Bedeuten: Daß er, ſo lieb ihm
Gott ſey! ſeinem Buben kein Geld mehr liehe; Er
woll’ ihm ſchon geben was er brauche, u. ſ. f. — So
war meine Freude kurz. Der Aeti, nachdem er
bald wieder beſaͤnftigt war, mocht mir lang ſagen:
„Ich brauch ihm das Ding gar nicht zu zahlen; ich
„koͤnn’ ihm ja ein billiges Zinslein geben: Der
„Schlempen Waid werde die Sach nicht aus-
„machen; ich ſoll nur damit ſchalten und walten wie
„mit meinem Eigenthum.„ Ich konnt’ es ihm
nicht glauben; denn er lachte dabey immer hinten im
Maul. Das war mir verdaͤchtig. Aber er hatte gu-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0058" n="42"/>
&#x201E;Zipfelwaid i&#x017F;t gar wohlfeil! Es ko&#x0364;nnte den Vater<lb/>
&#x201E;reuen, und er&#x2019;s wieder an &#x017F;ich ziehen, wenn ich<lb/>
&#x201E;ihm den Kauf&#x017F;chilling nicht baar erlege. Ich muß<lb/>
&#x201E;um Geld &#x017F;chauen, &#x017F;o kann er mir nicht mehr ab<lb/>
&#x201E;der Hand gehn.&#x201E; Ich gieng al&#x017F;o zum Nachbar<lb/>
Go&#x0364;rg, erza&#x0364;hlt&#x2019; ihm den ganzen Handel, und bat<lb/>
ihn mir die 5. fl. zu liehen; ich woll&#x2019; ihm bis auf<lb/>
Wiederbezahlung mein Land dafu&#x0364;r zum Pfand ein&#x017F;e-<lb/>
tzen. Er gab mir&#x2019;s ohne Bedenken. Ganz entzu&#x0364;ckt<lb/>
lief ich damit zum Vater, und wollt&#x2019; ihn ausbe-<lb/>
zahlen. Potz hundert! wie der mich ab&#x017F;chneutzte:<lb/>
&#x201E;Wo ha&#x017F;t du das Geld her?&#x201E; Es fehlte wenig,<lb/>
&#x017F;o ha&#x0364;tt&#x2019; es noch Ohrfeigen oben drein ge&#x017F;etzt. Im er-<lb/>
&#x017F;ten Augenblick begriff ich nicht was ihn &#x017F;o ent&#x017F;etz-<lb/>
lich bo&#x0364;s mache. Aber er erkla&#x0364;rte mir&#x2019;s bald, da er<lb/>
fortfuhr: &#x201E;Du Ba&#x0364;rnha&#x0364;uter! Mir mein Gu&#x0364;t zu ver-<lb/>
&#x201E;pfa&#x0364;nden&#x201E;! riß mir dann die fu&#x0364;nf Gulden aus der<lb/>
Hand, rannte im <choice><sic>Angenblick</sic><corr>Augenblick</corr></choice> zu Go&#x0364;rg, und gab &#x017F;ie<lb/>
ihm wieder, mit Bedeuten: Daß er, &#x017F;o lieb ihm<lb/>
Gott &#x017F;ey! &#x017F;einem Buben kein Geld mehr liehe; Er<lb/>
woll&#x2019; ihm &#x017F;chon geben was er brauche, u. &#x017F;. f. &#x2014; So<lb/>
war meine Freude kurz. Der Aeti, nachdem er<lb/>
bald wieder be&#x017F;a&#x0364;nftigt war, mocht mir lang &#x017F;agen:<lb/>
&#x201E;Ich brauch ihm das Ding gar nicht zu zahlen; ich<lb/>
&#x201E;ko&#x0364;nn&#x2019; ihm ja ein billiges Zinslein geben: Der<lb/>
&#x201E;Schlempen Waid werde die Sach nicht aus-<lb/>
&#x201E;machen; ich &#x017F;oll nur damit &#x017F;chalten und walten wie<lb/>
&#x201E;mit meinem Eigenthum.&#x201E; Ich konnt&#x2019; es ihm<lb/>
nicht glauben; denn er lachte dabey immer hinten im<lb/>
Maul. Das war mir verda&#x0364;chtig. Aber er hatte gu-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0058] „Zipfelwaid iſt gar wohlfeil! Es koͤnnte den Vater „reuen, und er’s wieder an ſich ziehen, wenn ich „ihm den Kaufſchilling nicht baar erlege. Ich muß „um Geld ſchauen, ſo kann er mir nicht mehr ab „der Hand gehn.„ Ich gieng alſo zum Nachbar Goͤrg, erzaͤhlt’ ihm den ganzen Handel, und bat ihn mir die 5. fl. zu liehen; ich woll’ ihm bis auf Wiederbezahlung mein Land dafuͤr zum Pfand einſe- tzen. Er gab mir’s ohne Bedenken. Ganz entzuͤckt lief ich damit zum Vater, und wollt’ ihn ausbe- zahlen. Potz hundert! wie der mich abſchneutzte: „Wo haſt du das Geld her?„ Es fehlte wenig, ſo haͤtt’ es noch Ohrfeigen oben drein geſetzt. Im er- ſten Augenblick begriff ich nicht was ihn ſo entſetz- lich boͤs mache. Aber er erklaͤrte mir’s bald, da er fortfuhr: „Du Baͤrnhaͤuter! Mir mein Guͤt zu ver- „pfaͤnden„! riß mir dann die fuͤnf Gulden aus der Hand, rannte im Augenblick zu Goͤrg, und gab ſie ihm wieder, mit Bedeuten: Daß er, ſo lieb ihm Gott ſey! ſeinem Buben kein Geld mehr liehe; Er woll’ ihm ſchon geben was er brauche, u. ſ. f. — So war meine Freude kurz. Der Aeti, nachdem er bald wieder beſaͤnftigt war, mocht mir lang ſagen: „Ich brauch ihm das Ding gar nicht zu zahlen; ich „koͤnn’ ihm ja ein billiges Zinslein geben: Der „Schlempen Waid werde die Sach nicht aus- „machen; ich ſoll nur damit ſchalten und walten wie „mit meinem Eigenthum.„ Ich konnt’ es ihm nicht glauben; denn er lachte dabey immer hinten im Maul. Das war mir verdaͤchtig. Aber er hatte gu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/58
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/58>, abgerufen am 25.04.2024.