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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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"Was du willst, mein Vater"! antwortet' ich:
"Nur, ja, nicht ofenbruten"! Wir waren bald
einig. Der damalige Schloßbauer, Weibel K.
nahm mich zum Knecht an. Von meiner überstan-
denen Krankheit war ich noch ziemlich abgemattet;
aber mein Meister, als ein vernünftiger und stets
aufgeräumter Mann, trug alle Geduld mit mir, um
so viel mehr da er eigne Buben von gleichem Schrot
hatte. Die meiste Zeit mußt' er seinen Amtsge-
schästen nach; dann gieng's freylich oft bunt über
Eck. Indessen gab er mir auch blutwenig Lohn,
und die Frau Bäurin ließ uns manchmal bis um
10. Uhr nüchtern. Bey strenger Arbeit aber erhiel-
ten wir auch immer bessre Kost. Bisweilen brachten
wir ihm etwas Wildpret, einen Vogel oder Fisch
nach Haus; das ließ er sich vortreflich schmecken.
Eines Tags erbeuteten wir ein ganzes Nest voll
junger Krähen; die mußt' ihm seine Hausehre wun-
derbar präpariren. Er verschlang mit ungeheurer
Lust alle bis auf die letzte. Aber mit Eins gabs'
eine Rebellion im Magen. Er sprang vom Stuhl,
und rannte todtblaß und schnellen Schrittes den Saal
auf und nieder, wo die Füß und Federn noch überall
zerstreut am Boden lagen! Endlich schueutzt er uns
Buben mit lächerlichem Grimm an: "Thut mir
"das Schinderszeug da weg, oder ich k ** Euch
"hunderttausend Dotzend von Euern Bestien heraus.
"Einmal in meinem Leben solche schwarze Teufel
"gefressen, und nimmermehr"! Dann legte sich
der launigte Mann zu Bethe, und mit einem tüch-
tigen Schweiß gieng alles vorbey.

„Was du willſt, mein Vater„! antwortet’ ich:
„Nur, ja, nicht ofenbruten„! Wir waren bald
einig. Der damalige Schloßbauer, Weibel K.
nahm mich zum Knecht an. Von meiner uͤberſtan-
denen Krankheit war ich noch ziemlich abgemattet;
aber mein Meiſter, als ein vernuͤnftiger und ſtets
aufgeraͤumter Mann, trug alle Geduld mit mir, um
ſo viel mehr da er eigne Buben von gleichem Schrot
hatte. Die meiſte Zeit mußt’ er ſeinen Amtsge-
ſchaͤſten nach; dann gieng’s freylich oft bunt uͤber
Eck. Indeſſen gab er mir auch blutwenig Lohn,
und die Frau Baͤurin ließ uns manchmal bis um
10. Uhr nuͤchtern. Bey ſtrenger Arbeit aber erhiel-
ten wir auch immer beſſre Koſt. Bisweilen brachten
wir ihm etwas Wildpret, einen Vogel oder Fiſch
nach Haus; das ließ er ſich vortreflich ſchmecken.
Eines Tags erbeuteten wir ein ganzes Neſt voll
junger Kraͤhen; die mußt’ ihm ſeine Hausehre wun-
derbar praͤpariren. Er verſchlang mit ungeheurer
Luſt alle bis auf die letzte. Aber mit Eins gabs’
eine Rebellion im Magen. Er ſprang vom Stuhl,
und rannte todtblaß und ſchnellen Schrittes den Saal
auf und nieder, wo die Fuͤß und Federn noch uͤberall
zerſtreut am Boden lagen! Endlich ſchueutzt er uns
Buben mit laͤcherlichem Grimm an: „Thut mir
„das Schinderszeug da weg, oder ich k ** Euch
„hunderttauſend Dotzend von Euern Beſtien heraus.
„Einmal in meinem Leben ſolche ſchwarze Teufel
„gefreſſen, und nimmermehr„! Dann legte ſich
der launigte Mann zu Bethe, und mit einem tuͤch-
tigen Schweiß gieng alles vorbey.

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[59/0075] „Was du willſt, mein Vater„! antwortet’ ich: „Nur, ja, nicht ofenbruten„! Wir waren bald einig. Der damalige Schloßbauer, Weibel K. nahm mich zum Knecht an. Von meiner uͤberſtan- denen Krankheit war ich noch ziemlich abgemattet; aber mein Meiſter, als ein vernuͤnftiger und ſtets aufgeraͤumter Mann, trug alle Geduld mit mir, um ſo viel mehr da er eigne Buben von gleichem Schrot hatte. Die meiſte Zeit mußt’ er ſeinen Amtsge- ſchaͤſten nach; dann gieng’s freylich oft bunt uͤber Eck. Indeſſen gab er mir auch blutwenig Lohn, und die Frau Baͤurin ließ uns manchmal bis um 10. Uhr nuͤchtern. Bey ſtrenger Arbeit aber erhiel- ten wir auch immer beſſre Koſt. Bisweilen brachten wir ihm etwas Wildpret, einen Vogel oder Fiſch nach Haus; das ließ er ſich vortreflich ſchmecken. Eines Tags erbeuteten wir ein ganzes Neſt voll junger Kraͤhen; die mußt’ ihm ſeine Hausehre wun- derbar praͤpariren. Er verſchlang mit ungeheurer Luſt alle bis auf die letzte. Aber mit Eins gabs’ eine Rebellion im Magen. Er ſprang vom Stuhl, und rannte todtblaß und ſchnellen Schrittes den Saal auf und nieder, wo die Fuͤß und Federn noch uͤberall zerſtreut am Boden lagen! Endlich ſchueutzt er uns Buben mit laͤcherlichem Grimm an: „Thut mir „das Schinderszeug da weg, oder ich k ** Euch „hunderttauſend Dotzend von Euern Beſtien heraus. „Einmal in meinem Leben ſolche ſchwarze Teufel „gefreſſen, und nimmermehr„! Dann legte ſich der launigte Mann zu Bethe, und mit einem tuͤch- tigen Schweiß gieng alles vorbey.

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/75>, abgerufen am 29.03.2024.