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Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

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"so Mode wär'". Paf! jtzt stand ich da, wie der
Butter an der Sonne; gab endlich Aennchen mit
Zittern und Beben die Hand; und so gieng's vollends
ins Dorf hinein, zum Engel. Mir ward's Blau
und Schwarz vor den Augen, als ich mit ihr in die
Stube trat, und da alles von Tischen voll Leuthen
wimmelte, die, einen Augenblick wenigstens, auf
uns ihre Blicke richteten; indessen deucht' es mich
dann auch wieder: Himmel und Erde müß' Einem
gut seyn, der ein so holdes Mädchen zur Seite hat.
Wir tranken unsre Maaß aus -- so weder zu lang-
sam noch zu geschwind; zu Schwatzen gab s -- ich
denk' durch meine Schuld -- eben nicht viel. Ent-
zückt, und ganz durchglüht von Wein und Liebe, aber
immer voll Furcht, führt' ich nun das herrliche Kind
nach Haus bis an die Thüre. -- Keinen Kuß? Kei-
nen Fuß über ihre Schwelle? -- Ich schwör es: Nein!
Auch ich lief nun schnurstracks heim, gieng maus-
still zu Bett', und dachte: Heut wirst du bald, und
süsser entschlummern, als sonst noch nie in deinem
Leben! Aber wie ich mich betrog'! Da war von Schlaf
nur keine Rede. Tausend wunderbare Grillen gien-
gen mir im Kopf herum, und wälzten mich auf
meinem Lager hin und her. Hauptsächlich aber,
wie verwünscht' ich jetzt meine kindische Blödigkeit
und Furcht: "O das himmlische süsse Mädchen"!
dacht' ich jetzt: "Konnt' es wohl mehr thun -- und
"Ich weniger? Ach! es weißt nicht, wie's in mei-
"nem Busen brennt -- und nur durch meine Schuld.
"O ich Hasenherz! Solch ein Liebchen nicht küssen,

"nicht

„ſo Mode waͤr’„. Paf! jtzt ſtand ich da, wie der
Butter an der Sonne; gab endlich Aennchen mit
Zittern und Beben die Hand; und ſo gieng’s vollends
ins Dorf hinein, zum Engel. Mir ward’s Blau
und Schwarz vor den Augen, als ich mit ihr in die
Stube trat, und da alles von Tiſchen voll Leuthen
wimmelte, die, einen Augenblick wenigſtens, auf
uns ihre Blicke richteten; indeſſen deucht’ es mich
dann auch wieder: Himmel und Erde muͤß’ Einem
gut ſeyn, der ein ſo holdes Maͤdchen zur Seite hat.
Wir tranken unſre Maaß aus — ſo weder zu lang-
ſam noch zu geſchwind; zu Schwatzen gab s — ich
denk’ durch meine Schuld — eben nicht viel. Ent-
zuͤckt, und ganz durchgluͤht von Wein und Liebe, aber
immer voll Furcht, fuͤhrt’ ich nun das herrliche Kind
nach Haus bis an die Thuͤre. — Keinen Kuß? Kei-
nen Fuß uͤber ihre Schwelle? — Ich ſchwoͤr es: Nein!
Auch ich lief nun ſchnurſtracks heim, gieng maus-
ſtill zu Bett’, und dachte: Heut wirſt du bald, und
ſuͤſſer entſchlummern, als ſonſt noch nie in deinem
Leben! Aber wie ich mich betrog’! Da war von Schlaf
nur keine Rede. Tauſend wunderbare Grillen gien-
gen mir im Kopf herum, und waͤlzten mich auf
meinem Lager hin und her. Hauptſaͤchlich aber,
wie verwuͤnſcht’ ich jetzt meine kindiſche Bloͤdigkeit
und Furcht: „O das himmliſche ſuͤſſe Maͤdchen„!
dacht’ ich jetzt: „Konnt’ es wohl mehr thun — und
„Ich weniger? Ach! es weißt nicht, wie’s in mei-
„nem Buſen brennt — und nur durch meine Schuld.
„O ich Haſenherz! Solch ein Liebchen nicht kuͤſſen,

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Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/80>, abgerufen am 28.03.2024.