Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

zücken behorchte, so lieblich gesungen. Gegen den
Herbst zogen wir in die Pulverstampfe. Herr Am-
man H. nahm nämlich um diese Zeit meinen Vater
zum Pulvermacher an. Der Meister, C Gasser,
wurde von Bern verschrieben, und lehrt' uns dieß
Handwerk aus dem Fundament, so daß wir auch das
Schwerste in wenig Wochen begreifen konnten. Un-
ter anderm war mein Aeti froh, mich itzt ein Stück
weit von Aennchen weg zu haben. Auch überwand
ich mich ziemlich lang' -- als das liebe Kind einst un-
versehns zu uns zu Stubeten *) kam. Ich erschrack
sehr, und dacht' wohl, da würd' ein Wetter los-
gehn. So lang' sie da war, hiengen des Vater Aug-
braunen tief herunter; er schnaubte vor Grimm,
redte kein Wort -- horchte aber, wie man leicht
merken mochte, auf alle Scheltwort'. O, wie dau-
erte mich das herrliche Schätzchen! Würd's doch
mein Vater, wie Ich, kennen, wie ganz anders wär's
da empfangen worden. Des Abends geleitete ich sie
nach Haus. Noch war ich immer der alte blöde
Junge. Sie neckte mich artlicher als sonst noch nie;
aber doch mußt's geneckt seyn. Morgens drauf, da
erst gieng des Aetis Predigt an: Was er an Aenn-
chen
ungereimtes bemerkt -- oder vielmehr bemerkt
haben wollte -- was er gehört -- und nicht gehört,
sondern nur vermuthet, das alles kam in die Nutz-
anwendung dieser schönen Sermon. Allerhand Spott-
namen -- und kurz, alles was Aennchen in mei-
nen Augen verächtlich machen sollte, blieb per se

*) Zum Besuche.

zuͤcken behorchte, ſo lieblich geſungen. Gegen den
Herbſt zogen wir in die Pulverſtampfe. Herr Am-
man H. nahm naͤmlich um dieſe Zeit meinen Vater
zum Pulvermacher an. Der Meiſter, C Gaſſer,
wurde von Bern verſchrieben, und lehrt’ uns dieß
Handwerk aus dem Fundament, ſo daß wir auch das
Schwerſte in wenig Wochen begreifen konnten. Un-
ter anderm war mein Aeti froh, mich itzt ein Stuͤck
weit von Aennchen weg zu haben. Auch uͤberwand
ich mich ziemlich lang’ — als das liebe Kind einſt un-
verſehns zu uns zu Stubeten *) kam. Ich erſchrack
ſehr, und dacht’ wohl, da wuͤrd’ ein Wetter los-
gehn. So lang’ ſie da war, hiengen des Vater Aug-
braunen tief herunter; er ſchnaubte vor Grimm,
redte kein Wort — horchte aber, wie man leicht
merken mochte, auf alle Scheltwort’. O, wie dau-
erte mich das herrliche Schaͤtzchen! Wuͤrd’s doch
mein Vater, wie Ich, kennen, wie ganz anders waͤr’s
da empfangen worden. Des Abends geleitete ich ſie
nach Haus. Noch war ich immer der alte bloͤde
Junge. Sie neckte mich artlicher als ſonſt noch nie;
aber doch mußt’s geneckt ſeyn. Morgens drauf, da
erſt gieng des Aetis Predigt an: Was er an Aenn-
chen
ungereimtes bemerkt — oder vielmehr bemerkt
haben wollte — was er gehoͤrt — und nicht gehoͤrt,
ſondern nur vermuthet, das alles kam in die Nutz-
anwendung dieſer ſchoͤnen Sermon. Allerhand Spott-
namen — und kurz, alles was Aennchen in mei-
nen Augen veraͤchtlich machen ſollte, blieb per ſe

*) Zum Beſuche.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0087" n="71"/>
zu&#x0364;cken behorchte, &#x017F;o lieblich ge&#x017F;ungen. Gegen den<lb/>
Herb&#x017F;t zogen wir in die Pulver&#x017F;tampfe. Herr Am-<lb/>
man <hi rendition="#fr">H.</hi> nahm na&#x0364;mlich um die&#x017F;e Zeit meinen Vater<lb/>
zum Pulvermacher an. Der Mei&#x017F;ter, <hi rendition="#fr">C Ga&#x017F;&#x017F;er,</hi><lb/>
wurde von <hi rendition="#fr">Bern</hi> ver&#x017F;chrieben, und lehrt&#x2019; uns dieß<lb/>
Handwerk aus dem Fundament, &#x017F;o daß wir auch das<lb/>
Schwer&#x017F;te in wenig Wochen begreifen konnten. Un-<lb/>
ter anderm war mein Aeti froh, mich itzt ein Stu&#x0364;ck<lb/>
weit von <hi rendition="#fr">Aennchen</hi> weg zu haben. Auch u&#x0364;berwand<lb/>
ich mich ziemlich lang&#x2019; &#x2014; als das liebe Kind ein&#x017F;t un-<lb/>
ver&#x017F;ehns zu uns <hi rendition="#fr">zu Stubeten</hi> <note place="foot" n="*)">Zum Be&#x017F;uche.</note> kam. Ich er&#x017F;chrack<lb/>
&#x017F;ehr, und dacht&#x2019; wohl, da wu&#x0364;rd&#x2019; ein Wetter los-<lb/>
gehn. So lang&#x2019; &#x017F;ie da war, hiengen des Vater Aug-<lb/>
braunen tief herunter; er &#x017F;chnaubte vor Grimm,<lb/>
redte kein Wort &#x2014; horchte aber, wie man leicht<lb/>
merken mochte, auf alle Scheltwort&#x2019;. O, wie dau-<lb/>
erte mich das herrliche Scha&#x0364;tzchen! Wu&#x0364;rd&#x2019;s doch<lb/>
mein Vater, wie Ich, kennen, wie ganz anders wa&#x0364;r&#x2019;s<lb/>
da empfangen worden. Des Abends geleitete ich &#x017F;ie<lb/>
nach Haus. Noch war ich immer der alte blo&#x0364;de<lb/>
Junge. Sie neckte mich artlicher als &#x017F;on&#x017F;t noch nie;<lb/>
aber doch mußt&#x2019;s geneckt &#x017F;eyn. Morgens drauf, da<lb/>
er&#x017F;t gieng des Aetis Predigt an: Was er an <hi rendition="#fr">Aenn-<lb/>
chen</hi> ungereimtes bemerkt &#x2014; oder vielmehr bemerkt<lb/>
haben wollte &#x2014; was er geho&#x0364;rt &#x2014; und nicht geho&#x0364;rt,<lb/>
&#x017F;ondern nur vermuthet, das alles kam in die Nutz-<lb/>
anwendung die&#x017F;er &#x017F;cho&#x0364;nen Sermon. Allerhand Spott-<lb/>
namen &#x2014; und kurz, alles was <hi rendition="#fr">Aennchen</hi> in mei-<lb/>
nen Augen vera&#x0364;chtlich machen &#x017F;ollte, blieb per &#x017F;e<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0087] zuͤcken behorchte, ſo lieblich geſungen. Gegen den Herbſt zogen wir in die Pulverſtampfe. Herr Am- man H. nahm naͤmlich um dieſe Zeit meinen Vater zum Pulvermacher an. Der Meiſter, C Gaſſer, wurde von Bern verſchrieben, und lehrt’ uns dieß Handwerk aus dem Fundament, ſo daß wir auch das Schwerſte in wenig Wochen begreifen konnten. Un- ter anderm war mein Aeti froh, mich itzt ein Stuͤck weit von Aennchen weg zu haben. Auch uͤberwand ich mich ziemlich lang’ — als das liebe Kind einſt un- verſehns zu uns zu Stubeten *) kam. Ich erſchrack ſehr, und dacht’ wohl, da wuͤrd’ ein Wetter los- gehn. So lang’ ſie da war, hiengen des Vater Aug- braunen tief herunter; er ſchnaubte vor Grimm, redte kein Wort — horchte aber, wie man leicht merken mochte, auf alle Scheltwort’. O, wie dau- erte mich das herrliche Schaͤtzchen! Wuͤrd’s doch mein Vater, wie Ich, kennen, wie ganz anders waͤr’s da empfangen worden. Des Abends geleitete ich ſie nach Haus. Noch war ich immer der alte bloͤde Junge. Sie neckte mich artlicher als ſonſt noch nie; aber doch mußt’s geneckt ſeyn. Morgens drauf, da erſt gieng des Aetis Predigt an: Was er an Aenn- chen ungereimtes bemerkt — oder vielmehr bemerkt haben wollte — was er gehoͤrt — und nicht gehoͤrt, ſondern nur vermuthet, das alles kam in die Nutz- anwendung dieſer ſchoͤnen Sermon. Allerhand Spott- namen — und kurz, alles was Aennchen in mei- nen Augen veraͤchtlich machen ſollte, blieb per ſe *) Zum Beſuche.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/87
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/87>, abgerufen am 25.04.2024.