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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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Blasen sich unaufhörlich wieder erzeugen und wieder zerfallen, so
bringt diese in jeder Secunde oftmals wiederholte Erneuerung glei-
cher kleiner Bewegungen den Ton hervor, den man wohl das Sin-
gen des Wassers vor dem Kochen nennt. Steigt dann die Wärme
noch etwas höher, wird das Wasser in allen seinen Theilen bis zur
Kochwärme erhitzt, so steigen die Dampfblasen bis an die Oberfläche
herauf, und das Wasser erreicht nun, bei offenem Kochen, keine
höhere Temperatur. Die so am Boden des Gefäßes erzeugten
Dämpfe haben diejenige Elasticität, welche nöthig ist, um den Druck
der Atmosphäre und den Druck der über ihnen stehenden Wasser-
säule zu überwinden, oder, da der letztere ziemlich unbedeutend zu
sein pflegt, den Druck, dessen Maaß die Barometerhöhe angiebt.

Wenn man sich auf hohen Bergen befindet, so tritt, wie Sie
sich erinnern, das Kochen schon bei einem niedrigern Wärmegrade
ein, und selbst bei einem erheblichen Fallen des Barometers in un-
sern Gegenden erreicht das kochende Wasser einen geringern Grad
von Wärme, weil die nicht so warmen Dämpfe schon den nur 26
Zoll betragenden Luftdruck durch ihre Elasticität überwinden, wozu
sie nicht im Stande wären, wenn das Barometer auf 28 Zoll
stände. Hieraus entsteht in hoch liegenden Gegenden eine Unbe-
quemlichkeit, wenn man sich offener Gefäße zum Kochen bedient,
indem der Erfolg des Kochens, sofern wir uns dieses Mittels bedie-
nen, um unsre Speisen zu bereiten, bei dieser geringern Wärme
nicht vollkommen genug hervorgeht. In so hochliegenden Gegen-
den, wo die Kochwärme bei freier Oberfläche nicht hinreichen würde,
um Speisen weich zu kochen, muß man sich daher der ganz geschlos-
senen Gefäße bedienen. Die Rumfordschen Töpfe sind so einge-
richtet, daß man ihren Deckel unter einen, sie oben einfassenden,
Rand schiebt, so daß der von innen kommende Druck des Dampfes
den Deckel nicht heben kann. In dem nun ganz geschlossenen
Raume entwickeln sich die Dämpfe, aber da sie sich nicht ganz frei
entwickeln können, so erhitzt das Wasser sich mehr, weil die zuneh-
mende Elasticität der schon entwickelten Dämpfe die Entstehung
neuer Dämpfe erschwert, und so kann man in diesen Gefäßen in
höheren und in niedrigeren Gegenden gleich gut eine sehr hohe Tem-
peratur des in Kochen gesetzten Wassers hervorbringen. Diese ganz
geschlossenen Töpfe müssen mit einem Sicherheitsventile versehen

Blaſen ſich unaufhoͤrlich wieder erzeugen und wieder zerfallen, ſo
bringt dieſe in jeder Secunde oftmals wiederholte Erneuerung glei-
cher kleiner Bewegungen den Ton hervor, den man wohl das Sin-
gen des Waſſers vor dem Kochen nennt. Steigt dann die Waͤrme
noch etwas hoͤher, wird das Waſſer in allen ſeinen Theilen bis zur
Kochwaͤrme erhitzt, ſo ſteigen die Dampfblaſen bis an die Oberflaͤche
herauf, und das Waſſer erreicht nun, bei offenem Kochen, keine
hoͤhere Temperatur. Die ſo am Boden des Gefaͤßes erzeugten
Daͤmpfe haben diejenige Elaſticitaͤt, welche noͤthig iſt, um den Druck
der Atmoſphaͤre und den Druck der uͤber ihnen ſtehenden Waſſer-
ſaͤule zu uͤberwinden, oder, da der letztere ziemlich unbedeutend zu
ſein pflegt, den Druck, deſſen Maaß die Barometerhoͤhe angiebt.

Wenn man ſich auf hohen Bergen befindet, ſo tritt, wie Sie
ſich erinnern, das Kochen ſchon bei einem niedrigern Waͤrmegrade
ein, und ſelbſt bei einem erheblichen Fallen des Barometers in un-
ſern Gegenden erreicht das kochende Waſſer einen geringern Grad
von Waͤrme, weil die nicht ſo warmen Daͤmpfe ſchon den nur 26
Zoll betragenden Luftdruck durch ihre Elaſticitaͤt uͤberwinden, wozu
ſie nicht im Stande waͤren, wenn das Barometer auf 28 Zoll
ſtaͤnde. Hieraus entſteht in hoch liegenden Gegenden eine Unbe-
quemlichkeit, wenn man ſich offener Gefaͤße zum Kochen bedient,
indem der Erfolg des Kochens, ſofern wir uns dieſes Mittels bedie-
nen, um unſre Speiſen zu bereiten, bei dieſer geringern Waͤrme
nicht vollkommen genug hervorgeht. In ſo hochliegenden Gegen-
den, wo die Kochwaͤrme bei freier Oberflaͤche nicht hinreichen wuͤrde,
um Speiſen weich zu kochen, muß man ſich daher der ganz geſchloſ-
ſenen Gefaͤße bedienen. Die Rumfordſchen Toͤpfe ſind ſo einge-
richtet, daß man ihren Deckel unter einen, ſie oben einfaſſenden,
Rand ſchiebt, ſo daß der von innen kommende Druck des Dampfes
den Deckel nicht heben kann. In dem nun ganz geſchloſſenen
Raume entwickeln ſich die Daͤmpfe, aber da ſie ſich nicht ganz frei
entwickeln koͤnnen, ſo erhitzt das Waſſer ſich mehr, weil die zuneh-
mende Elaſticitaͤt der ſchon entwickelten Daͤmpfe die Entſtehung
neuer Daͤmpfe erſchwert, und ſo kann man in dieſen Gefaͤßen in
hoͤheren und in niedrigeren Gegenden gleich gut eine ſehr hohe Tem-
peratur des in Kochen geſetzten Waſſers hervorbringen. Dieſe ganz
geſchloſſenen Toͤpfe muͤſſen mit einem Sicherheitsventile verſehen

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[105/0119] Blaſen ſich unaufhoͤrlich wieder erzeugen und wieder zerfallen, ſo bringt dieſe in jeder Secunde oftmals wiederholte Erneuerung glei- cher kleiner Bewegungen den Ton hervor, den man wohl das Sin- gen des Waſſers vor dem Kochen nennt. Steigt dann die Waͤrme noch etwas hoͤher, wird das Waſſer in allen ſeinen Theilen bis zur Kochwaͤrme erhitzt, ſo ſteigen die Dampfblaſen bis an die Oberflaͤche herauf, und das Waſſer erreicht nun, bei offenem Kochen, keine hoͤhere Temperatur. Die ſo am Boden des Gefaͤßes erzeugten Daͤmpfe haben diejenige Elaſticitaͤt, welche noͤthig iſt, um den Druck der Atmoſphaͤre und den Druck der uͤber ihnen ſtehenden Waſſer- ſaͤule zu uͤberwinden, oder, da der letztere ziemlich unbedeutend zu ſein pflegt, den Druck, deſſen Maaß die Barometerhoͤhe angiebt. Wenn man ſich auf hohen Bergen befindet, ſo tritt, wie Sie ſich erinnern, das Kochen ſchon bei einem niedrigern Waͤrmegrade ein, und ſelbſt bei einem erheblichen Fallen des Barometers in un- ſern Gegenden erreicht das kochende Waſſer einen geringern Grad von Waͤrme, weil die nicht ſo warmen Daͤmpfe ſchon den nur 26 Zoll betragenden Luftdruck durch ihre Elaſticitaͤt uͤberwinden, wozu ſie nicht im Stande waͤren, wenn das Barometer auf 28 Zoll ſtaͤnde. Hieraus entſteht in hoch liegenden Gegenden eine Unbe- quemlichkeit, wenn man ſich offener Gefaͤße zum Kochen bedient, indem der Erfolg des Kochens, ſofern wir uns dieſes Mittels bedie- nen, um unſre Speiſen zu bereiten, bei dieſer geringern Waͤrme nicht vollkommen genug hervorgeht. In ſo hochliegenden Gegen- den, wo die Kochwaͤrme bei freier Oberflaͤche nicht hinreichen wuͤrde, um Speiſen weich zu kochen, muß man ſich daher der ganz geſchloſ- ſenen Gefaͤße bedienen. Die Rumfordſchen Toͤpfe ſind ſo einge- richtet, daß man ihren Deckel unter einen, ſie oben einfaſſenden, Rand ſchiebt, ſo daß der von innen kommende Druck des Dampfes den Deckel nicht heben kann. In dem nun ganz geſchloſſenen Raume entwickeln ſich die Daͤmpfe, aber da ſie ſich nicht ganz frei entwickeln koͤnnen, ſo erhitzt das Waſſer ſich mehr, weil die zuneh- mende Elaſticitaͤt der ſchon entwickelten Daͤmpfe die Entſtehung neuer Daͤmpfe erſchwert, und ſo kann man in dieſen Gefaͤßen in hoͤheren und in niedrigeren Gegenden gleich gut eine ſehr hohe Tem- peratur des in Kochen geſetzten Waſſers hervorbringen. Dieſe ganz geſchloſſenen Toͤpfe muͤſſen mit einem Sicherheitsventile verſehen

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/119>, abgerufen am 29.04.2024.