cherheitsventil anbringt, habe ich schon früher erwähnt. Dieses hat den Zweck, theils wenn die Entwickelung der Dämpfe in zu großer Menge statt findet, theils wenn ein Hinderniß in dem Gange der Maschine den Verbrauch der Dämpfe störte, den Däm- pfen einen freien Ausgang zu gestatten, sobald ihr Druck eine ge- wisse Grenze übersteigt. Dieses Ventil wird daher mit einem so großen Gewichte belastet, daß es bei dem ruhigen Gange der Ma- schine ungeöffnet bleibt, aber aufgestoßen wird, wenn die Dämpfe um mehrere Grade stärker erhitzt werden und dadurch eine zu große Elasticität erhalten. Daß dieser Vorsicht ungeachtet Unglücks- fälle vorkamen, glaubte man anfangs leicht daraus erklären zu können, daß entweder der Dampfkessel durch den Gebrauch gelitten habe, und nicht mehr im Stande gewesen sei, den ihm zugemu- theten Druck zu ertragen, oder daß unvorsichtige oder unvernünf- tige Belastung des Ventiles dieses gehindert habe seinen Zweck zu erreichen, und wirklich ließ sich in mehreren Fällen, wenn gleich meistens die Maschinenwärter bei dem Zersprengen getödtet wurden, nachweisen, daß diese selbst Schuld an dem Unglücke waren. Aber keinesweges konnte man alle Unglücksfälle, deren sich schon viele ereignet haben, diesen Umständen beimessen, indem auch da, wo die große Stärke der zersprungenen Kessel den guten Zustand der- selben zeigte, und wo ein für die Arbeiter unzugängliches Ventil durch keinen Zufall überlastet sein konnte, der Kessel oft mit der unerhörtesten Gewalt zersprengt ward. Um von dieser Gewalt einen Begriff zu geben, führt Arago an, daß ein Kessel von 4 Zoll dickem geschmiedeten Eisen in zwei Stücke getrennt ward, deren eines 140 Centner schwer (der Kessel war 37 Fuß lang, 4 Fuß breit und 4 Fuß hoch,) durch das Gewölbe der Werkstatt und durch das Dach hinaufgetrieben und 150 Fuß weit fortgeschleudert wurde, und daß von einem Dampfbote durch das Zerspringen des Kessels das ganze Verdeck des Schiffes fortgeschleudert, der 20 Centner schwere obere Theil des Kessels auf 700 Fuß weit geworfen, und andre Stücke hoch in die Luft hinaufgetrieben wurden.
Unter den Unglücksfällen, die man nicht einer zu großen Be- lastung des Ventiles zuschreiben konnte, zeichnen sich besonders die als merkwürdig aus, die bei einem vorher träger gewordenen Gange der Maschine, oder auch nachdem der Kessel glühend geworden war,
cherheitsventil anbringt, habe ich ſchon fruͤher erwaͤhnt. Dieſes hat den Zweck, theils wenn die Entwickelung der Daͤmpfe in zu großer Menge ſtatt findet, theils wenn ein Hinderniß in dem Gange der Maſchine den Verbrauch der Daͤmpfe ſtoͤrte, den Daͤm- pfen einen freien Ausgang zu geſtatten, ſobald ihr Druck eine ge- wiſſe Grenze uͤberſteigt. Dieſes Ventil wird daher mit einem ſo großen Gewichte belaſtet, daß es bei dem ruhigen Gange der Ma- ſchine ungeoͤffnet bleibt, aber aufgeſtoßen wird, wenn die Daͤmpfe um mehrere Grade ſtaͤrker erhitzt werden und dadurch eine zu große Elaſticitaͤt erhalten. Daß dieſer Vorſicht ungeachtet Ungluͤcks- faͤlle vorkamen, glaubte man anfangs leicht daraus erklaͤren zu koͤnnen, daß entweder der Dampfkeſſel durch den Gebrauch gelitten habe, und nicht mehr im Stande geweſen ſei, den ihm zugemu- theten Druck zu ertragen, oder daß unvorſichtige oder unvernuͤnf- tige Belaſtung des Ventiles dieſes gehindert habe ſeinen Zweck zu erreichen, und wirklich ließ ſich in mehreren Faͤllen, wenn gleich meiſtens die Maſchinenwaͤrter bei dem Zerſprengen getoͤdtet wurden, nachweiſen, daß dieſe ſelbſt Schuld an dem Ungluͤcke waren. Aber keinesweges konnte man alle Ungluͤcksfaͤlle, deren ſich ſchon viele ereignet haben, dieſen Umſtaͤnden beimeſſen, indem auch da, wo die große Staͤrke der zerſprungenen Keſſel den guten Zuſtand der- ſelben zeigte, und wo ein fuͤr die Arbeiter unzugaͤngliches Ventil durch keinen Zufall uͤberlaſtet ſein konnte, der Keſſel oft mit der unerhoͤrteſten Gewalt zerſprengt ward. Um von dieſer Gewalt einen Begriff zu geben, fuͤhrt Arago an, daß ein Keſſel von 4 Zoll dickem geſchmiedeten Eiſen in zwei Stuͤcke getrennt ward, deren eines 140 Centner ſchwer (der Keſſel war 37 Fuß lang, 4 Fuß breit und 4 Fuß hoch,) durch das Gewoͤlbe der Werkſtatt und durch das Dach hinaufgetrieben und 150 Fuß weit fortgeſchleudert wurde, und daß von einem Dampfbote durch das Zerſpringen des Keſſels das ganze Verdeck des Schiffes fortgeſchleudert, der 20 Centner ſchwere obere Theil des Keſſels auf 700 Fuß weit geworfen, und andre Stuͤcke hoch in die Luft hinaufgetrieben wurden.
Unter den Ungluͤcksfaͤllen, die man nicht einer zu großen Be- laſtung des Ventiles zuſchreiben konnte, zeichnen ſich beſonders die als merkwuͤrdig aus, die bei einem vorher traͤger gewordenen Gange der Maſchine, oder auch nachdem der Keſſel gluͤhend geworden war,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0149"n="135"/>
cherheitsventil anbringt, habe ich ſchon fruͤher erwaͤhnt. Dieſes<lb/>
hat den Zweck, theils wenn die Entwickelung der Daͤmpfe in zu<lb/>
großer Menge ſtatt findet, theils wenn ein Hinderniß in dem<lb/>
Gange der Maſchine den Verbrauch der Daͤmpfe ſtoͤrte, den Daͤm-<lb/>
pfen einen freien Ausgang zu geſtatten, ſobald ihr Druck eine ge-<lb/>
wiſſe Grenze uͤberſteigt. Dieſes Ventil wird daher mit einem ſo<lb/>
großen Gewichte belaſtet, daß es bei dem ruhigen Gange der Ma-<lb/>ſchine ungeoͤffnet bleibt, aber aufgeſtoßen wird, wenn die Daͤmpfe<lb/>
um mehrere Grade ſtaͤrker erhitzt werden und dadurch eine zu<lb/>
große Elaſticitaͤt erhalten. Daß dieſer Vorſicht ungeachtet Ungluͤcks-<lb/>
faͤlle vorkamen, glaubte man anfangs leicht daraus erklaͤren zu<lb/>
koͤnnen, daß entweder der Dampfkeſſel durch den Gebrauch gelitten<lb/>
habe, und nicht mehr im Stande geweſen ſei, den ihm zugemu-<lb/>
theten Druck zu ertragen, oder daß unvorſichtige oder unvernuͤnf-<lb/>
tige Belaſtung des Ventiles dieſes gehindert habe ſeinen Zweck zu<lb/>
erreichen, und wirklich ließ ſich in mehreren Faͤllen, wenn gleich<lb/>
meiſtens die Maſchinenwaͤrter bei dem Zerſprengen getoͤdtet wurden,<lb/>
nachweiſen, daß dieſe ſelbſt Schuld an dem Ungluͤcke waren. Aber<lb/>
keinesweges konnte man alle Ungluͤcksfaͤlle, deren ſich ſchon viele<lb/>
ereignet haben, dieſen Umſtaͤnden beimeſſen, indem auch da, wo<lb/>
die große Staͤrke der zerſprungenen Keſſel den guten Zuſtand der-<lb/>ſelben zeigte, und wo ein fuͤr die Arbeiter unzugaͤngliches Ventil<lb/>
durch keinen Zufall uͤberlaſtet ſein konnte, der Keſſel oft mit der<lb/>
unerhoͤrteſten Gewalt zerſprengt ward. Um von dieſer Gewalt<lb/>
einen Begriff zu geben, fuͤhrt <hirendition="#g">Arago</hi> an, daß ein Keſſel von 4 Zoll<lb/>
dickem geſchmiedeten Eiſen in zwei Stuͤcke getrennt ward, deren<lb/>
eines 140 Centner ſchwer (der Keſſel war 37 Fuß lang, 4 Fuß<lb/>
breit und 4 Fuß hoch,) durch das Gewoͤlbe der Werkſtatt und durch<lb/>
das Dach hinaufgetrieben und 150 Fuß weit fortgeſchleudert wurde,<lb/>
und daß von einem Dampfbote durch das Zerſpringen des Keſſels<lb/>
das ganze Verdeck des Schiffes fortgeſchleudert, der 20 Centner<lb/>ſchwere obere Theil des Keſſels auf 700 Fuß weit geworfen, und<lb/>
andre Stuͤcke hoch in die Luft hinaufgetrieben wurden.</p><lb/><p>Unter den Ungluͤcksfaͤllen, die man nicht einer zu großen Be-<lb/>
laſtung des Ventiles zuſchreiben konnte, zeichnen ſich beſonders die<lb/>
als merkwuͤrdig aus, die bei einem vorher traͤger gewordenen Gange<lb/>
der Maſchine, oder auch nachdem der Keſſel gluͤhend geworden war,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[135/0149]
cherheitsventil anbringt, habe ich ſchon fruͤher erwaͤhnt. Dieſes
hat den Zweck, theils wenn die Entwickelung der Daͤmpfe in zu
großer Menge ſtatt findet, theils wenn ein Hinderniß in dem
Gange der Maſchine den Verbrauch der Daͤmpfe ſtoͤrte, den Daͤm-
pfen einen freien Ausgang zu geſtatten, ſobald ihr Druck eine ge-
wiſſe Grenze uͤberſteigt. Dieſes Ventil wird daher mit einem ſo
großen Gewichte belaſtet, daß es bei dem ruhigen Gange der Ma-
ſchine ungeoͤffnet bleibt, aber aufgeſtoßen wird, wenn die Daͤmpfe
um mehrere Grade ſtaͤrker erhitzt werden und dadurch eine zu
große Elaſticitaͤt erhalten. Daß dieſer Vorſicht ungeachtet Ungluͤcks-
faͤlle vorkamen, glaubte man anfangs leicht daraus erklaͤren zu
koͤnnen, daß entweder der Dampfkeſſel durch den Gebrauch gelitten
habe, und nicht mehr im Stande geweſen ſei, den ihm zugemu-
theten Druck zu ertragen, oder daß unvorſichtige oder unvernuͤnf-
tige Belaſtung des Ventiles dieſes gehindert habe ſeinen Zweck zu
erreichen, und wirklich ließ ſich in mehreren Faͤllen, wenn gleich
meiſtens die Maſchinenwaͤrter bei dem Zerſprengen getoͤdtet wurden,
nachweiſen, daß dieſe ſelbſt Schuld an dem Ungluͤcke waren. Aber
keinesweges konnte man alle Ungluͤcksfaͤlle, deren ſich ſchon viele
ereignet haben, dieſen Umſtaͤnden beimeſſen, indem auch da, wo
die große Staͤrke der zerſprungenen Keſſel den guten Zuſtand der-
ſelben zeigte, und wo ein fuͤr die Arbeiter unzugaͤngliches Ventil
durch keinen Zufall uͤberlaſtet ſein konnte, der Keſſel oft mit der
unerhoͤrteſten Gewalt zerſprengt ward. Um von dieſer Gewalt
einen Begriff zu geben, fuͤhrt Arago an, daß ein Keſſel von 4 Zoll
dickem geſchmiedeten Eiſen in zwei Stuͤcke getrennt ward, deren
eines 140 Centner ſchwer (der Keſſel war 37 Fuß lang, 4 Fuß
breit und 4 Fuß hoch,) durch das Gewoͤlbe der Werkſtatt und durch
das Dach hinaufgetrieben und 150 Fuß weit fortgeſchleudert wurde,
und daß von einem Dampfbote durch das Zerſpringen des Keſſels
das ganze Verdeck des Schiffes fortgeſchleudert, der 20 Centner
ſchwere obere Theil des Keſſels auf 700 Fuß weit geworfen, und
andre Stuͤcke hoch in die Luft hinaufgetrieben wurden.
Unter den Ungluͤcksfaͤllen, die man nicht einer zu großen Be-
laſtung des Ventiles zuſchreiben konnte, zeichnen ſich beſonders die
als merkwuͤrdig aus, die bei einem vorher traͤger gewordenen Gange
der Maſchine, oder auch nachdem der Keſſel gluͤhend geworden war,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/149>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.