Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

bringt, leidet so fern eine Beschränkung, als erstlich die Verände-
rungen, welche das Glas bei Erwärmung leidet, nicht sogleich bei
der Abkühlung wieder vorübergegangen sind, sondern der dieser
Abkühlung entsprechende Zustand erst langsamer eintritt, und zwei-
tens bei längerem Gebrauche eines Thermometers der Druck der
Luft eine kleine dauernde Veränderung des Inhalts der Kugel her-
vorzubringen scheint; -- der letztere von mehrern Beobachtern an-
gegebene Umstand wird indeß von Muncke in Zweifel gezogen.

Die Bestimmung des Kochpunctes fordert vorzügliche Sorg-
falt. Nicht allein ist er bei ungleichem Barometerstande so sehr
anders, daß eine Linie Aenderung des Barometers die Wärme des
Kochens um eines Centesimalgrades oder um eines Reau-
mürschen Grades ändert, sondern die Aufwallungen des Wassers
bringen auch ein Wechseln der bald zu hohen, bald zu niedrigen
Temperatur hervor. Diese Wechsel sind in den nahe über der
Oberfläche des Wassers befindlichen Dämpfen nicht merklich, und
man muß daher in einem Gefäße, welches zwar den Zutritt der
Luft nicht hindert, aber doch Tiefe genug zwischen der Wasser-
Oberfläche und der dem Eindringen der Luft frei gelassenen Oeff-
nung hat, die Thermometerkugel in den Dampf nahe über dem
kochenden Wasser bringen, um die Kochhitze zu bestimmen. Die
meisten Verfertiger von Thermometern wählen zu Bestimmung des
Kochpunctes einen Barometerstand von 0,76 Meter = 336,9 par.
Linien oder auch von 28 paris. Zoll = 336 Lin. Wie viel dann
die wahre Kochwärme bei andern, nicht viel verschiedenen, Baro-
meterständen beträgt, läßt sich aus der Angabe, daß die Aenderung
bei jeder Linie Gr. Cent. (° R. beträgt, übersehen; bei
sehr vermindertem Barometerstande ist aber die Aenderung größer.
Bei uns steigt das Barometer selbst an den Ufern des Meeres
selten auf 283/4 Zoll und es fällt selten unter 261/4 Zoll; in jenem
Falle würde das Kochen, wenn der Kochpunct des Thermometers
bei 28 Zoll Barometerstand bestimmt ist, erst bei 100,8° Cent.
(80,6° R. ), im letztern Falle bei 98,°1 Cent. (78,5° R. ) eintreten.
In Quito, wo das Barometer 191/2 Zoll hoch steht, kocht das Was-
ser schon, wenn es erst die Wärme von 90° C.(72° R.) erreicht
hat, auf dem Chimborasso unter 121/2 Zoll Luftdruck schon bei 79°C.
(63° R.) Unter der Luftpumpe, wo der Druck nur wenige Linien

bringt, leidet ſo fern eine Beſchraͤnkung, als erſtlich die Veraͤnde-
rungen, welche das Glas bei Erwaͤrmung leidet, nicht ſogleich bei
der Abkuͤhlung wieder voruͤbergegangen ſind, ſondern der dieſer
Abkuͤhlung entſprechende Zuſtand erſt langſamer eintritt, und zwei-
tens bei laͤngerem Gebrauche eines Thermometers der Druck der
Luft eine kleine dauernde Veraͤnderung des Inhalts der Kugel her-
vorzubringen ſcheint; — der letztere von mehrern Beobachtern an-
gegebene Umſtand wird indeß von Muncke in Zweifel gezogen.

Die Beſtimmung des Kochpunctes fordert vorzuͤgliche Sorg-
falt. Nicht allein iſt er bei ungleichem Barometerſtande ſo ſehr
anders, daß eine Linie Aenderung des Barometers die Waͤrme des
Kochens um eines Centeſimalgrades oder um eines Reau-
muͤrſchen Grades aͤndert, ſondern die Aufwallungen des Waſſers
bringen auch ein Wechſeln der bald zu hohen, bald zu niedrigen
Temperatur hervor. Dieſe Wechſel ſind in den nahe uͤber der
Oberflaͤche des Waſſers befindlichen Daͤmpfen nicht merklich, und
man muß daher in einem Gefaͤße, welches zwar den Zutritt der
Luft nicht hindert, aber doch Tiefe genug zwiſchen der Waſſer-
Oberflaͤche und der dem Eindringen der Luft frei gelaſſenen Oeff-
nung hat, die Thermometerkugel in den Dampf nahe uͤber dem
kochenden Waſſer bringen, um die Kochhitze zu beſtimmen. Die
meiſten Verfertiger von Thermometern waͤhlen zu Beſtimmung des
Kochpunctes einen Barometerſtand von 0,76 Meter = 336,9 par.
Linien oder auch von 28 pariſ. Zoll = 336 Lin. Wie viel dann
die wahre Kochwaͤrme bei andern, nicht viel verſchiedenen, Baro-
meterſtaͤnden betraͤgt, laͤßt ſich aus der Angabe, daß die Aenderung
bei jeder Linie Gr. Cent. (° R. betraͤgt, uͤberſehen; bei
ſehr vermindertem Barometerſtande iſt aber die Aenderung groͤßer.
Bei uns ſteigt das Barometer ſelbſt an den Ufern des Meeres
ſelten auf 28¾ Zoll und es faͤllt ſelten unter 26¼ Zoll; in jenem
Falle wuͤrde das Kochen, wenn der Kochpunct des Thermometers
bei 28 Zoll Barometerſtand beſtimmt iſt, erſt bei 100,8° Cent.
(80,6° R. ), im letztern Falle bei 98,°1 Cent. (78,5° R. ) eintreten.
In Quito, wo das Barometer 19½ Zoll hoch ſteht, kocht das Waſ-
ſer ſchon, wenn es erſt die Waͤrme von 90° C.(72° R.) erreicht
hat, auf dem Chimboraſſo unter 12½ Zoll Luftdruck ſchon bei 79°C.
(63° R.) Unter der Luftpumpe, wo der Druck nur wenige Linien

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0022" n="8"/>
bringt, leidet &#x017F;o fern eine Be&#x017F;chra&#x0364;nkung, als er&#x017F;tlich die Vera&#x0364;nde-<lb/>
rungen, welche das Glas bei Erwa&#x0364;rmung leidet, nicht &#x017F;ogleich bei<lb/>
der Abku&#x0364;hlung wieder voru&#x0364;bergegangen &#x017F;ind, &#x017F;ondern der die&#x017F;er<lb/>
Abku&#x0364;hlung ent&#x017F;prechende Zu&#x017F;tand er&#x017F;t lang&#x017F;amer eintritt, und zwei-<lb/>
tens bei la&#x0364;ngerem Gebrauche eines Thermometers der Druck der<lb/>
Luft eine kleine dauernde Vera&#x0364;nderung des Inhalts der Kugel her-<lb/>
vorzubringen &#x017F;cheint; &#x2014; der letztere von mehrern Beobachtern an-<lb/>
gegebene Um&#x017F;tand wird indeß von <hi rendition="#g">Muncke</hi> in Zweifel gezogen.</p><lb/>
          <p>Die Be&#x017F;timmung des Kochpunctes fordert vorzu&#x0364;gliche Sorg-<lb/>
falt. Nicht allein i&#x017F;t er bei ungleichem Barometer&#x017F;tande &#x017F;o &#x017F;ehr<lb/>
anders, daß eine Linie Aenderung des Barometers die Wa&#x0364;rme des<lb/>
Kochens um <formula notation="TeX">\frac{88}{1000}</formula> eines Cente&#x017F;imalgrades oder um <formula notation="TeX">\frac{7}{100}</formula> eines Reau-<lb/>
mu&#x0364;r&#x017F;chen Grades a&#x0364;ndert, &#x017F;ondern die Aufwallungen des Wa&#x017F;&#x017F;ers<lb/>
bringen auch ein Wech&#x017F;eln der bald zu hohen, bald zu niedrigen<lb/>
Temperatur hervor. Die&#x017F;e Wech&#x017F;el &#x017F;ind in den nahe u&#x0364;ber der<lb/>
Oberfla&#x0364;che des Wa&#x017F;&#x017F;ers befindlichen Da&#x0364;mpfen nicht merklich, und<lb/>
man muß daher in einem Gefa&#x0364;ße, welches zwar den Zutritt der<lb/>
Luft nicht hindert, aber doch Tiefe genug zwi&#x017F;chen der Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
Oberfla&#x0364;che und der dem Eindringen der Luft frei gela&#x017F;&#x017F;enen Oeff-<lb/>
nung hat, die Thermometerkugel in den Dampf nahe u&#x0364;ber dem<lb/>
kochenden Wa&#x017F;&#x017F;er bringen, um die Kochhitze zu be&#x017F;timmen. Die<lb/>
mei&#x017F;ten Verfertiger von Thermometern wa&#x0364;hlen zu Be&#x017F;timmung des<lb/>
Kochpunctes einen Barometer&#x017F;tand von 0,76 Meter = 336,9 par.<lb/>
Linien oder auch von 28 pari&#x017F;. Zoll = 336 Lin. Wie viel dann<lb/>
die wahre Kochwa&#x0364;rme bei andern, nicht viel ver&#x017F;chiedenen, Baro-<lb/>
meter&#x017F;ta&#x0364;nden betra&#x0364;gt, la&#x0364;ßt &#x017F;ich aus der Angabe, daß die Aenderung<lb/>
bei jeder Linie <formula notation="TeX">\frac{88}{1000}</formula> Gr. Cent. (<formula notation="TeX">\frac{7}{100}</formula>° <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">R. </hi></hi> betra&#x0364;gt, u&#x0364;ber&#x017F;ehen; bei<lb/>
&#x017F;ehr vermindertem Barometer&#x017F;tande i&#x017F;t aber die Aenderung gro&#x0364;ßer.<lb/>
Bei uns &#x017F;teigt das Barometer &#x017F;elb&#x017F;t an den Ufern des Meeres<lb/>
&#x017F;elten auf 28¾ Zoll und es fa&#x0364;llt &#x017F;elten unter 26¼ Zoll; in jenem<lb/>
Falle wu&#x0364;rde das Kochen, wenn der Kochpunct des Thermometers<lb/>
bei 28 Zoll Barometer&#x017F;tand be&#x017F;timmt i&#x017F;t, er&#x017F;t bei 100,8° Cent.<lb/>
(80,6° <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">R. </hi></hi>), im letztern Falle bei 98,°1 Cent. (78,5° <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">R. </hi></hi>) eintreten.<lb/>
In Quito, wo das Barometer 19½ Zoll hoch &#x017F;teht, kocht das Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er &#x017F;chon, wenn es er&#x017F;t die Wa&#x0364;rme von 90° C.(72° <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">R.</hi></hi>) erreicht<lb/>
hat, auf dem Chimbora&#x017F;&#x017F;o unter 12½ Zoll Luftdruck &#x017F;chon bei 79°C.<lb/>
(63° <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">R.</hi></hi>) Unter der Luftpumpe, wo der Druck nur wenige Linien<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0022] bringt, leidet ſo fern eine Beſchraͤnkung, als erſtlich die Veraͤnde- rungen, welche das Glas bei Erwaͤrmung leidet, nicht ſogleich bei der Abkuͤhlung wieder voruͤbergegangen ſind, ſondern der dieſer Abkuͤhlung entſprechende Zuſtand erſt langſamer eintritt, und zwei- tens bei laͤngerem Gebrauche eines Thermometers der Druck der Luft eine kleine dauernde Veraͤnderung des Inhalts der Kugel her- vorzubringen ſcheint; — der letztere von mehrern Beobachtern an- gegebene Umſtand wird indeß von Muncke in Zweifel gezogen. Die Beſtimmung des Kochpunctes fordert vorzuͤgliche Sorg- falt. Nicht allein iſt er bei ungleichem Barometerſtande ſo ſehr anders, daß eine Linie Aenderung des Barometers die Waͤrme des Kochens um [FORMEL] eines Centeſimalgrades oder um [FORMEL] eines Reau- muͤrſchen Grades aͤndert, ſondern die Aufwallungen des Waſſers bringen auch ein Wechſeln der bald zu hohen, bald zu niedrigen Temperatur hervor. Dieſe Wechſel ſind in den nahe uͤber der Oberflaͤche des Waſſers befindlichen Daͤmpfen nicht merklich, und man muß daher in einem Gefaͤße, welches zwar den Zutritt der Luft nicht hindert, aber doch Tiefe genug zwiſchen der Waſſer- Oberflaͤche und der dem Eindringen der Luft frei gelaſſenen Oeff- nung hat, die Thermometerkugel in den Dampf nahe uͤber dem kochenden Waſſer bringen, um die Kochhitze zu beſtimmen. Die meiſten Verfertiger von Thermometern waͤhlen zu Beſtimmung des Kochpunctes einen Barometerſtand von 0,76 Meter = 336,9 par. Linien oder auch von 28 pariſ. Zoll = 336 Lin. Wie viel dann die wahre Kochwaͤrme bei andern, nicht viel verſchiedenen, Baro- meterſtaͤnden betraͤgt, laͤßt ſich aus der Angabe, daß die Aenderung bei jeder Linie [FORMEL] Gr. Cent. ([FORMEL]° R. betraͤgt, uͤberſehen; bei ſehr vermindertem Barometerſtande iſt aber die Aenderung groͤßer. Bei uns ſteigt das Barometer ſelbſt an den Ufern des Meeres ſelten auf 28¾ Zoll und es faͤllt ſelten unter 26¼ Zoll; in jenem Falle wuͤrde das Kochen, wenn der Kochpunct des Thermometers bei 28 Zoll Barometerſtand beſtimmt iſt, erſt bei 100,8° Cent. (80,6° R. ), im letztern Falle bei 98,°1 Cent. (78,5° R. ) eintreten. In Quito, wo das Barometer 19½ Zoll hoch ſteht, kocht das Waſ- ſer ſchon, wenn es erſt die Waͤrme von 90° C.(72° R.) erreicht hat, auf dem Chimboraſſo unter 12½ Zoll Luftdruck ſchon bei 79°C. (63° R.) Unter der Luftpumpe, wo der Druck nur wenige Linien

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/22
Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/22>, abgerufen am 09.10.2024.