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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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noch deutlicher sehen, so bringt man den Knopf der Flasche an
den Condensator, ladet diesen und läßt seine Funken auf eine sehr
kleine Flasche übergehen, die so bei wiederholtem Versuche ihre
volle Ladung erhalten kann. Diese Erscheinungen lassen sich sogar
bei heiterm Himmel, wo die Luft gar nicht bedeutend electrisch
ist, hervorbringen. Erman hat hierbei vor Täuschungen ge-
warnt, die durch ungleiche Annäherung des Electrometers an die
Erd-Oberfläche, vermöge der Vertheilung der Electricität, ent-
stehen könnten; aber es scheint mir nicht, daß Volta's Ver-
suche sich durch eine bloße Vertheilung, an welche auch Volta
selbst gedacht hat, erklären lassen.

Die Electricität der Luft ist gewöhnlich positiv; die negative
Electricität scheint nur als Ausnahme vorzukommen, nach Fog-
go's
Beobachtung vorzüglich dann, wenn das Herannahen einer
Gewitterwolke, deren Rand das Zenith noch kaum erreicht, durch
Einwirkung der positiv-electrischen Wolke die ihr entgegengesetzte
Electricität vorherrschend macht.

Bei heiterm Himmel beobachtet die Electricität in ihrem Zu-
nehmen und Abnehmen ziemlich bestimmte Gesetze. Sie ist fast
ohne Ausnahme positiv und im Winter stärker als im Sommer.
Bei Sonnen-Aufgang ist sie schwach, nimmt aber zu, wenn sich
einige Stunden nach Sonnen-Aufgang die Morgennebel nieder-
schlagen, welche aus dem Niederschlage der durch die Erwärmung
der Erde vermehrten Ausdünstung in der noch nicht durchwärmten
Luft entstehen; wenn etwas später diese leichten Nebel wieder ver-
schwinden, so nimmt die Electricität ab, während die Trockenheit
der Luft zunimmt; die Electricität erreicht Nachmittags ihren
geringsten Grad um die Zeit, wo die Luft am trockensten ist; aber
gegen Sonnen-Untergang, wo die Feuchtigkeit wieder zunimmt,
steigt der Grad der Electricität, und wird beim Entstehen des
Thaues gewöhnlich am bedeutendsten.

Hiernach scheint es also ein Naturgesetz zu sein, daß, wenn
die unsichtbaren Dämpfe sich zu sichtbaren Dünsten verdichten, po-
sitive Electricität merklich wird, und dieses läßt sich mit einem
von Volta schon angestellten Experimente, welches später auch
von Grotthus bestätigt gefunden hat, sehr gut in Ueberein-

noch deutlicher ſehen, ſo bringt man den Knopf der Flaſche an
den Condenſator, ladet dieſen und laͤßt ſeine Funken auf eine ſehr
kleine Flaſche uͤbergehen, die ſo bei wiederholtem Verſuche ihre
volle Ladung erhalten kann. Dieſe Erſcheinungen laſſen ſich ſogar
bei heiterm Himmel, wo die Luft gar nicht bedeutend electriſch
iſt, hervorbringen. Erman hat hierbei vor Taͤuſchungen ge-
warnt, die durch ungleiche Annaͤherung des Electrometers an die
Erd-Oberflaͤche, vermoͤge der Vertheilung der Electricitaͤt, ent-
ſtehen koͤnnten; aber es ſcheint mir nicht, daß Volta's Ver-
ſuche ſich durch eine bloße Vertheilung, an welche auch Volta
ſelbſt gedacht hat, erklaͤren laſſen.

Die Electricitaͤt der Luft iſt gewoͤhnlich poſitiv; die negative
Electricitaͤt ſcheint nur als Ausnahme vorzukommen, nach Fog-
go's
Beobachtung vorzuͤglich dann, wenn das Herannahen einer
Gewitterwolke, deren Rand das Zenith noch kaum erreicht, durch
Einwirkung der poſitiv-electriſchen Wolke die ihr entgegengeſetzte
Electricitaͤt vorherrſchend macht.

Bei heiterm Himmel beobachtet die Electricitaͤt in ihrem Zu-
nehmen und Abnehmen ziemlich beſtimmte Geſetze. Sie iſt faſt
ohne Ausnahme poſitiv und im Winter ſtaͤrker als im Sommer.
Bei Sonnen-Aufgang iſt ſie ſchwach, nimmt aber zu, wenn ſich
einige Stunden nach Sonnen-Aufgang die Morgennebel nieder-
ſchlagen, welche aus dem Niederſchlage der durch die Erwaͤrmung
der Erde vermehrten Ausduͤnſtung in der noch nicht durchwaͤrmten
Luft entſtehen; wenn etwas ſpaͤter dieſe leichten Nebel wieder ver-
ſchwinden, ſo nimmt die Electricitaͤt ab, waͤhrend die Trockenheit
der Luft zunimmt; die Electricitaͤt erreicht Nachmittags ihren
geringſten Grad um die Zeit, wo die Luft am trockenſten iſt; aber
gegen Sonnen-Untergang, wo die Feuchtigkeit wieder zunimmt,
ſteigt der Grad der Electricitaͤt, und wird beim Entſtehen des
Thaues gewoͤhnlich am bedeutendſten.

Hiernach ſcheint es alſo ein Naturgeſetz zu ſein, daß, wenn
die unſichtbaren Daͤmpfe ſich zu ſichtbaren Duͤnſten verdichten, po-
ſitive Electricitaͤt merklich wird, und dieſes laͤßt ſich mit einem
von Volta ſchon angeſtellten Experimente, welches ſpaͤter auch
von Grotthus beſtaͤtigt gefunden hat, ſehr gut in Ueberein-

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[319/0333] noch deutlicher ſehen, ſo bringt man den Knopf der Flaſche an den Condenſator, ladet dieſen und laͤßt ſeine Funken auf eine ſehr kleine Flaſche uͤbergehen, die ſo bei wiederholtem Verſuche ihre volle Ladung erhalten kann. Dieſe Erſcheinungen laſſen ſich ſogar bei heiterm Himmel, wo die Luft gar nicht bedeutend electriſch iſt, hervorbringen. Erman hat hierbei vor Taͤuſchungen ge- warnt, die durch ungleiche Annaͤherung des Electrometers an die Erd-Oberflaͤche, vermoͤge der Vertheilung der Electricitaͤt, ent- ſtehen koͤnnten; aber es ſcheint mir nicht, daß Volta's Ver- ſuche ſich durch eine bloße Vertheilung, an welche auch Volta ſelbſt gedacht hat, erklaͤren laſſen. Die Electricitaͤt der Luft iſt gewoͤhnlich poſitiv; die negative Electricitaͤt ſcheint nur als Ausnahme vorzukommen, nach Fog- go's Beobachtung vorzuͤglich dann, wenn das Herannahen einer Gewitterwolke, deren Rand das Zenith noch kaum erreicht, durch Einwirkung der poſitiv-electriſchen Wolke die ihr entgegengeſetzte Electricitaͤt vorherrſchend macht. Bei heiterm Himmel beobachtet die Electricitaͤt in ihrem Zu- nehmen und Abnehmen ziemlich beſtimmte Geſetze. Sie iſt faſt ohne Ausnahme poſitiv und im Winter ſtaͤrker als im Sommer. Bei Sonnen-Aufgang iſt ſie ſchwach, nimmt aber zu, wenn ſich einige Stunden nach Sonnen-Aufgang die Morgennebel nieder- ſchlagen, welche aus dem Niederſchlage der durch die Erwaͤrmung der Erde vermehrten Ausduͤnſtung in der noch nicht durchwaͤrmten Luft entſtehen; wenn etwas ſpaͤter dieſe leichten Nebel wieder ver- ſchwinden, ſo nimmt die Electricitaͤt ab, waͤhrend die Trockenheit der Luft zunimmt; die Electricitaͤt erreicht Nachmittags ihren geringſten Grad um die Zeit, wo die Luft am trockenſten iſt; aber gegen Sonnen-Untergang, wo die Feuchtigkeit wieder zunimmt, ſteigt der Grad der Electricitaͤt, und wird beim Entſtehen des Thaues gewoͤhnlich am bedeutendſten. Hiernach ſcheint es alſo ein Naturgeſetz zu ſein, daß, wenn die unſichtbaren Daͤmpfe ſich zu ſichtbaren Duͤnſten verdichten, po- ſitive Electricitaͤt merklich wird, und dieſes laͤßt ſich mit einem von Volta ſchon angeſtellten Experimente, welches ſpaͤter auch von Grotthus beſtaͤtigt gefunden hat, ſehr gut in Ueberein-

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/333>, abgerufen am 30.04.2024.