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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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einer gut aufgebauten, die Leitung der Electricität stark befördern-
den Säule durch diese fortbewegt, ungemein groß sein muß, und
hierauf bezieht sich Volta's Vergleichung der electrischen Säule
mit einer unendlich großen, aber sehr schwach geladenen Batterie.
Die feuchte Säule ist, so lange sie sich in völliger Wirksamkeit befin-
det, so sehr geeignet, den unausgesetztesten und lebhaftesten electri-
schen Strom hervorzubringen, daß sie uns in jedem Augenblicke
einen neuen Stoß giebt, und also so wirkt, wie eine sehr große, sich
immer wieder ladende Batterie. Da die trockene Säule eine viel
zu träge Durchleitung der electrischen Ströme gestattet, so kann
sie eben so wenig als eine so ungemein schwach geladene und dabei
kleine Flasche auf das Gefühl wirken.

Daß aber mit vermehrter Spannung auch die physiologischen
Wirkungen zunehmen, das heißt, daß Säulen aus vielen Platten-
paaren wirksamer sein müssen, versteht sich wohl von selbst, und
wirklich nimmt auch, wie es scheint unbegrenzt, die Stärke der
Schläge mit der Anzahl der Plattenpaare zu. In genauem Ver-
hältnisse kann indeß die Wirkung wohl nicht mit der Anzahl der
Plattenpaare stehen, weil bei vielplattigen Säulen auch der Wider-
stand offenbar zunimmt, den der electrische Strom leidet; aber
wenn deshalb auch nicht bei 500 Plattenpaaren die ohnehin
schwer abzumessende physiologische Wirkung 5 mal so groß als bei
100 Plattenpaaren ist, so ist die Zunahme der Wirkung dennoch
groß genug. Der Widerstand ist viel geringer, wenn die feuchten
Leiter nicht aus Wasser allein, sondern aus mehr oder minder star-
ken Auflösungen von Salz, am liebsten noch verbunden mit Säu-
ren, bestehen, und es ist daher natürlich, daß die physiologischen
Wirkungen durch die Wahl solcher feuchter Leiter sehr gesteigert
werden.

Man hat eine Zeit lang in dem Irrthume gestanden, daß
große Platten bei gleicher Anzahl keine stärkere Schläge geben, als
kleine; aber es ist offenbar, daß der durch 10 Quadratzoll Ober-
fläche bewirkte electrische Strom zehnmal so mächtig, als für
1 Quadratzoll sein muß, daß also großplattige Säulen, wenn zu-
gleich der Platten viele sind, ganz gewiß wirksamer sein müssen.
Jener Irrthum entstand daher, daß man die Pole der Säule so
berührte, daß in der Schließung selbst zu viel Widerstand war,

einer gut aufgebauten, die Leitung der Electricitaͤt ſtark befoͤrdern-
den Saͤule durch dieſe fortbewegt, ungemein groß ſein muß, und
hierauf bezieht ſich Volta's Vergleichung der electriſchen Saͤule
mit einer unendlich großen, aber ſehr ſchwach geladenen Batterie.
Die feuchte Saͤule iſt, ſo lange ſie ſich in voͤlliger Wirkſamkeit befin-
det, ſo ſehr geeignet, den unausgeſetzteſten und lebhafteſten electri-
ſchen Strom hervorzubringen, daß ſie uns in jedem Augenblicke
einen neuen Stoß giebt, und alſo ſo wirkt, wie eine ſehr große, ſich
immer wieder ladende Batterie. Da die trockene Saͤule eine viel
zu traͤge Durchleitung der electriſchen Stroͤme geſtattet, ſo kann
ſie eben ſo wenig als eine ſo ungemein ſchwach geladene und dabei
kleine Flaſche auf das Gefuͤhl wirken.

Daß aber mit vermehrter Spannung auch die phyſiologiſchen
Wirkungen zunehmen, das heißt, daß Saͤulen aus vielen Platten-
paaren wirkſamer ſein muͤſſen, verſteht ſich wohl von ſelbſt, und
wirklich nimmt auch, wie es ſcheint unbegrenzt, die Staͤrke der
Schlaͤge mit der Anzahl der Plattenpaare zu. In genauem Ver-
haͤltniſſe kann indeß die Wirkung wohl nicht mit der Anzahl der
Plattenpaare ſtehen, weil bei vielplattigen Saͤulen auch der Wider-
ſtand offenbar zunimmt, den der electriſche Strom leidet; aber
wenn deshalb auch nicht bei 500 Plattenpaaren die ohnehin
ſchwer abzumeſſende phyſiologiſche Wirkung 5 mal ſo groß als bei
100 Plattenpaaren iſt, ſo iſt die Zunahme der Wirkung dennoch
groß genug. Der Widerſtand iſt viel geringer, wenn die feuchten
Leiter nicht aus Waſſer allein, ſondern aus mehr oder minder ſtar-
ken Aufloͤſungen von Salz, am liebſten noch verbunden mit Saͤu-
ren, beſtehen, und es iſt daher natuͤrlich, daß die phyſiologiſchen
Wirkungen durch die Wahl ſolcher feuchter Leiter ſehr geſteigert
werden.

Man hat eine Zeit lang in dem Irrthume geſtanden, daß
große Platten bei gleicher Anzahl keine ſtaͤrkere Schlaͤge geben, als
kleine; aber es iſt offenbar, daß der durch 10 Quadratzoll Ober-
flaͤche bewirkte electriſche Strom zehnmal ſo maͤchtig, als fuͤr
1 Quadratzoll ſein muß, daß alſo großplattige Saͤulen, wenn zu-
gleich der Platten viele ſind, ganz gewiß wirkſamer ſein muͤſſen.
Jener Irrthum entſtand daher, daß man die Pole der Saͤule ſo
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[352/0366] einer gut aufgebauten, die Leitung der Electricitaͤt ſtark befoͤrdern- den Saͤule durch dieſe fortbewegt, ungemein groß ſein muß, und hierauf bezieht ſich Volta's Vergleichung der electriſchen Saͤule mit einer unendlich großen, aber ſehr ſchwach geladenen Batterie. Die feuchte Saͤule iſt, ſo lange ſie ſich in voͤlliger Wirkſamkeit befin- det, ſo ſehr geeignet, den unausgeſetzteſten und lebhafteſten electri- ſchen Strom hervorzubringen, daß ſie uns in jedem Augenblicke einen neuen Stoß giebt, und alſo ſo wirkt, wie eine ſehr große, ſich immer wieder ladende Batterie. Da die trockene Saͤule eine viel zu traͤge Durchleitung der electriſchen Stroͤme geſtattet, ſo kann ſie eben ſo wenig als eine ſo ungemein ſchwach geladene und dabei kleine Flaſche auf das Gefuͤhl wirken. Daß aber mit vermehrter Spannung auch die phyſiologiſchen Wirkungen zunehmen, das heißt, daß Saͤulen aus vielen Platten- paaren wirkſamer ſein muͤſſen, verſteht ſich wohl von ſelbſt, und wirklich nimmt auch, wie es ſcheint unbegrenzt, die Staͤrke der Schlaͤge mit der Anzahl der Plattenpaare zu. In genauem Ver- haͤltniſſe kann indeß die Wirkung wohl nicht mit der Anzahl der Plattenpaare ſtehen, weil bei vielplattigen Saͤulen auch der Wider- ſtand offenbar zunimmt, den der electriſche Strom leidet; aber wenn deshalb auch nicht bei 500 Plattenpaaren die ohnehin ſchwer abzumeſſende phyſiologiſche Wirkung 5 mal ſo groß als bei 100 Plattenpaaren iſt, ſo iſt die Zunahme der Wirkung dennoch groß genug. Der Widerſtand iſt viel geringer, wenn die feuchten Leiter nicht aus Waſſer allein, ſondern aus mehr oder minder ſtar- ken Aufloͤſungen von Salz, am liebſten noch verbunden mit Saͤu- ren, beſtehen, und es iſt daher natuͤrlich, daß die phyſiologiſchen Wirkungen durch die Wahl ſolcher feuchter Leiter ſehr geſteigert werden. Man hat eine Zeit lang in dem Irrthume geſtanden, daß große Platten bei gleicher Anzahl keine ſtaͤrkere Schlaͤge geben, als kleine; aber es iſt offenbar, daß der durch 10 Quadratzoll Ober- flaͤche bewirkte electriſche Strom zehnmal ſo maͤchtig, als fuͤr 1 Quadratzoll ſein muß, daß alſo großplattige Saͤulen, wenn zu- gleich der Platten viele ſind, ganz gewiß wirkſamer ſein muͤſſen. Jener Irrthum entſtand daher, daß man die Pole der Saͤule ſo beruͤhrte, daß in der Schließung ſelbſt zu viel Widerſtand war,

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/366>, abgerufen am 29.04.2024.