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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832.

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der Verbindung die gleiche Spannung beider Theile auch eine
gleiche Ausdehnung bewirken, und der Ton, den beide Theile geben,
würde gleich sein, und derselbe sein, wie bei länger dauernder Ver-
bindung beider Theile; dagegen muß, wenn in dem Augen-
blicke der gleichen Spannung der sich verdichtende Theil eine etwas
höhere Temperatur annimmt, der sich ausdehnende Theil etwas
an Temperatur verliert, nach der Herstellung gleicher Wärme der
Ton beider Theile sich ungleich zeigen, wenn die Verbindung nicht
lange genug gedauert hatte, um jenen Temperatur-Unterschied
vorübergehen zu lassen. Einer der Versuche Webers wird dies
völlig erläutern. Eine 514 Linien lange Stahlsaite, deren beide
Hälften von 257 Lin. auf die angegebene Weise getrennt waren,
wurde in der ersten Hälfte durch 1006, in der zweiten durch 7000
Grammen gespannt. Bei der mittleren Spannung gab jede der
beiden Hälften einen sehr wenig tiefern Ton, als die f Stimmgabel,
so daß, wenn man nach längerer Verbindung beider Theile (nach
längerer Lösung der Klemme) beide schwingen ließ, der erste in Sec.
der andre in 2/5 Sec. eine Schwingung weniger als die Stimm-
gabel machte; aber wenn man die Lösung der Klemme nur 1/4 Sec.
dauern ließ, und dann (nach Wiederherstellung gleicher Temperatur,
die sehr schnell eintritt,) die Töne prüfte, so machte der erste Theil
3 Schwingungen in 5 Secunden weniger, der zweite Theil 3 Schwin-
gungen in 5 Secunden mehr als im vorigen Falle. Bei so kurzer
Dauer der Oeffnung der Klemme hatte nämlich zwar die Span-
nung sich im ersten Augenblicke ausgeglichen, aber die erste, dabei
neu ausgedehnte Hälfte hatte eine geringe Erniedrigung der Tem-
peratur erlitten, und als diese durch Zutritt der Wärme von außen
gehoben war, zeigte diese Hälfte eine etwas mattere Spannung
als die andre Hälfte, die, im ersten Augenblicke etwas erwärmt,
gleiche Spannung, jetzt abgekühlt, stärkere Spannung zeigte. Diese
durch die Schwebungen hörbar werdende Differenz der Spannung
verräth also, daß die Verlängerung der Saite durch vermehrte
Spannung sie fähig macht, mehr Wärme aufzunehmen oder eine
momentane Temperatur-Erniedrigung bewirkt, das ist, bei der
Ausdehnung nimmt die Wärmecapacität, die specifische Wärme,
der festen Körper zu. Bei jenem Versuche mußten, nach der ver-

der Verbindung die gleiche Spannung beider Theile auch eine
gleiche Ausdehnung bewirken, und der Ton, den beide Theile geben,
wuͤrde gleich ſein, und derſelbe ſein, wie bei laͤnger dauernder Ver-
bindung beider Theile; dagegen muß, wenn in dem Augen-
blicke der gleichen Spannung der ſich verdichtende Theil eine etwas
hoͤhere Temperatur annimmt, der ſich ausdehnende Theil etwas
an Temperatur verliert, nach der Herſtellung gleicher Waͤrme der
Ton beider Theile ſich ungleich zeigen, wenn die Verbindung nicht
lange genug gedauert hatte, um jenen Temperatur-Unterſchied
voruͤbergehen zu laſſen. Einer der Verſuche Webers wird dies
voͤllig erlaͤutern. Eine 514 Linien lange Stahlſaite, deren beide
Haͤlften von 257 Lin. auf die angegebene Weiſe getrennt waren,
wurde in der erſten Haͤlfte durch 1006, in der zweiten durch 7000
Grammen geſpannt. Bei der mittleren Spannung gab jede der
beiden Haͤlften einen ſehr wenig tiefern Ton, als die f Stimmgabel,
ſo daß, wenn man nach laͤngerer Verbindung beider Theile (nach
laͤngerer Loͤſung der Klemme) beide ſchwingen ließ, der erſte in Sec.
der andre in ⅖ Sec. eine Schwingung weniger als die Stimm-
gabel machte; aber wenn man die Loͤſung der Klemme nur ¼ Sec.
dauern ließ, und dann (nach Wiederherſtellung gleicher Temperatur,
die ſehr ſchnell eintritt,) die Toͤne pruͤfte, ſo machte der erſte Theil
3 Schwingungen in 5 Secunden weniger, der zweite Theil 3 Schwin-
gungen in 5 Secunden mehr als im vorigen Falle. Bei ſo kurzer
Dauer der Oeffnung der Klemme hatte naͤmlich zwar die Span-
nung ſich im erſten Augenblicke ausgeglichen, aber die erſte, dabei
neu ausgedehnte Haͤlfte hatte eine geringe Erniedrigung der Tem-
peratur erlitten, und als dieſe durch Zutritt der Waͤrme von außen
gehoben war, zeigte dieſe Haͤlfte eine etwas mattere Spannung
als die andre Haͤlfte, die, im erſten Augenblicke etwas erwaͤrmt,
gleiche Spannung, jetzt abgekuͤhlt, ſtaͤrkere Spannung zeigte. Dieſe
durch die Schwebungen hoͤrbar werdende Differenz der Spannung
verraͤth alſo, daß die Verlaͤngerung der Saite durch vermehrte
Spannung ſie faͤhig macht, mehr Waͤrme aufzunehmen oder eine
momentane Temperatur-Erniedrigung bewirkt, das iſt, bei der
Ausdehnung nimmt die Waͤrmecapacitaͤt, die ſpecifiſche Waͤrme,
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[79/0093] der Verbindung die gleiche Spannung beider Theile auch eine gleiche Ausdehnung bewirken, und der Ton, den beide Theile geben, wuͤrde gleich ſein, und derſelbe ſein, wie bei laͤnger dauernder Ver- bindung beider Theile; dagegen muß, wenn in dem Augen- blicke der gleichen Spannung der ſich verdichtende Theil eine etwas hoͤhere Temperatur annimmt, der ſich ausdehnende Theil etwas an Temperatur verliert, nach der Herſtellung gleicher Waͤrme der Ton beider Theile ſich ungleich zeigen, wenn die Verbindung nicht lange genug gedauert hatte, um jenen Temperatur-Unterſchied voruͤbergehen zu laſſen. Einer der Verſuche Webers wird dies voͤllig erlaͤutern. Eine 514 Linien lange Stahlſaite, deren beide Haͤlften von 257 Lin. auf die angegebene Weiſe getrennt waren, wurde in der erſten Haͤlfte durch 1006, in der zweiten durch 7000 Grammen geſpannt. Bei der mittleren Spannung gab jede der beiden Haͤlften einen ſehr wenig tiefern Ton, als die f Stimmgabel, ſo daß, wenn man nach laͤngerer Verbindung beider Theile (nach laͤngerer Loͤſung der Klemme) beide ſchwingen ließ, der erſte in [FORMEL] Sec. der andre in ⅖ Sec. eine Schwingung weniger als die Stimm- gabel machte; aber wenn man die Loͤſung der Klemme nur ¼ Sec. dauern ließ, und dann (nach Wiederherſtellung gleicher Temperatur, die ſehr ſchnell eintritt,) die Toͤne pruͤfte, ſo machte der erſte Theil 3 Schwingungen in 5 Secunden weniger, der zweite Theil 3 Schwin- gungen in 5 Secunden mehr als im vorigen Falle. Bei ſo kurzer Dauer der Oeffnung der Klemme hatte naͤmlich zwar die Span- nung ſich im erſten Augenblicke ausgeglichen, aber die erſte, dabei neu ausgedehnte Haͤlfte hatte eine geringe Erniedrigung der Tem- peratur erlitten, und als dieſe durch Zutritt der Waͤrme von außen gehoben war, zeigte dieſe Haͤlfte eine etwas mattere Spannung als die andre Haͤlfte, die, im erſten Augenblicke etwas erwaͤrmt, gleiche Spannung, jetzt abgekuͤhlt, ſtaͤrkere Spannung zeigte. Dieſe durch die Schwebungen hoͤrbar werdende Differenz der Spannung verraͤth alſo, daß die Verlaͤngerung der Saite durch vermehrte Spannung ſie faͤhig macht, mehr Waͤrme aufzunehmen oder eine momentane Temperatur-Erniedrigung bewirkt, das iſt, bei der Ausdehnung nimmt die Waͤrmecapacitaͤt, die ſpecifiſche Waͤrme, der feſten Koͤrper zu. Bei jenem Verſuche mußten, nach der ver-

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/93>, abgerufen am 27.04.2024.