Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Mantelthiere. Salpen. Moosthiere.
auch in unserer Abbildung durch feine Striche angedeutete Muskeln ziehen in einem Tempo die
Körpertonne zusammen, und das Wasser entweicht nun durch eine hintere, aber etwas zur Seite
gelegene Oeffnung (b) und treibt durch seinen Stoß das Thier ein Stück vorwärts. Jn demselben
Ende der Tonne liegt ein bräunlicher Kern, der Eingeweideballen (c), vor ihm, in den inneren
Mantel eingebettet, das schlauchförmige Herz (e). Die von ihm ausgehenden Adern und deren
Verzweigung auf der Kieme sind deutlicher ersichtbar gemacht, als man diese Verhältnisse an dem
lebenden Thiere mit seiner wasserklaren Blutflüssigkeit wahrnehmen kann. Ueberraschend ist es,
sowohl bei Salpen als bei Ascidien zu beobachten, wie das Herz, nachdem es eine Weile hin-
durch nach einer Richtung hin sich zusammengezogen hat, plötzlich umsetzt und den ganzen Blut-
lauf umkehrt.

Der gehirnartige Nervenknoten, welchen die Ascidien besitzen, fehlt auch den Salpen nicht;
er ist leicht hinter und oberhalb der vorderen Oeffnung zu finden und nie fehlt ein mit ihm
zusammenhängendes gefärbtes punktförmiges Organ (f), welches als Auge gedeutet wird. Endlich
fallen uns an dem betrachteten Exemplare zipfelige Fortsätze (g) auf. Sie verrathen, daß wir
es mit einem von seinen Nachbarn aus der Kette losgelösten Jndividuum zu thun haben, mit
denen es durch eben diese Fortsätze verwachsen war.

Wir kommen damit auf den interessantesten Punkt in der Naturgeschichte der Salpen. Wir
haben ein Kettenindividuum beschrieben. Alle Mitglieder einer solchen organisch verbundenen
Doppelreihe stimmen vollkommen überein und entwickeln hermaphroditische Fortpflanzungsorgane.
Aus ihren Eiern gehen aber nicht wieder Ketten hervor, sondern Einzelindividuen, welche in
jeder Art auf eigenthümliche Weise schon äußerlich von den Kettenindividuen abweichen, besonders
aber auch dadurch sich als eine neue, eine Zwischengeneration erweisen, daß sie nie durch Eier sich
fortpflanzen. Vielmehr erzeugen sie an einem besonderen Keimstock innere Knospen, welche gleich
Anfangs als Salpenkette angelegt sind und auch in dieser anentwickelten Vereinigung geboren
werden. Alle Jndividuen eines solchen Satzes sind gleichweit entwickelt, und häufig siebt man,
wie hinter einem schon weiter gediehenen Satze die Anfänge eines oder zweier neuen sich vom
Keimstocke abheben. Es bedarf dazu nur eines scharfen Auges. Die neugeborene Salpenkette ist
so vollständig gebildet, daß alle Glieder sogleich ihr Athemwasser zu schöpfen beginnen. Mit der
Entfaltung der Fortpflanzungsorgane schließt der Entwicklungkreis der Art ab.

Auch die Salpen "zünden", wie Johnston sich poetisch ausdrückt, "ihr Lämpchen im Dunkeln
an", strahlen aber nicht jenes lebhafte Licht wie die Feuerleiber, sondern einen blasseren milchigen
Schein aus. Die unmittelbare Berührung, die Neibung in dem erregten Wasser ruft ihn hervor.
Da man die leuchtende Oberflächenschichte wie einen zarten Schleim abwischen kann, worauf auch
das damit versetzte und umgeschüttelte Wasser leuchtet, so geht daraus hervor, daß hier und in
den meisten anderen Fällen, wo man es mit Leucht-Thieren zu thun hatte, nicht besondere
Leuchtorgane die Erscheinung hervorbringen, sondern daß sie von einer Art von Verbrennungs-
oder Orydationsprozeß herrührt. Dieß ist um so wahrscheinlicher, als das Leuchtphänomen an
vielen organischen Körpern, namentlich Seefischen, erst nach dem Tode bei Beginn oberflächlicher
Zersetzung eintritt. Ein Punkt, welcher die Beobachter der leuchtenden Mantelthiere möglicher
Weise zu der irrigen Auffassung veranlaßt haben kann, als leuchteten nur viele einzelne Stellen,
ist der, daß diese Thiere sehr häufig von kleinen Krebschen, Kopepoden u. a., bewohnt werden,
welche selbst lebhaft leuchten und natürlich bei ihrer Flucht als eben so viele Jrrlichtchen
umherhuschen.



Mantelthiere. Salpen. Moosthiere.
auch in unſerer Abbildung durch feine Striche angedeutete Muskeln ziehen in einem Tempo die
Körpertonne zuſammen, und das Waſſer entweicht nun durch eine hintere, aber etwas zur Seite
gelegene Oeffnung (b) und treibt durch ſeinen Stoß das Thier ein Stück vorwärts. Jn demſelben
Ende der Tonne liegt ein bräunlicher Kern, der Eingeweideballen (c), vor ihm, in den inneren
Mantel eingebettet, das ſchlauchförmige Herz (e). Die von ihm ausgehenden Adern und deren
Verzweigung auf der Kieme ſind deutlicher erſichtbar gemacht, als man dieſe Verhältniſſe an dem
lebenden Thiere mit ſeiner waſſerklaren Blutflüſſigkeit wahrnehmen kann. Ueberraſchend iſt es,
ſowohl bei Salpen als bei Ascidien zu beobachten, wie das Herz, nachdem es eine Weile hin-
durch nach einer Richtung hin ſich zuſammengezogen hat, plötzlich umſetzt und den ganzen Blut-
lauf umkehrt.

Der gehirnartige Nervenknoten, welchen die Ascidien beſitzen, fehlt auch den Salpen nicht;
er iſt leicht hinter und oberhalb der vorderen Oeffnung zu finden und nie fehlt ein mit ihm
zuſammenhängendes gefärbtes punktförmiges Organ (f), welches als Auge gedeutet wird. Endlich
fallen uns an dem betrachteten Exemplare zipfelige Fortſätze (g) auf. Sie verrathen, daß wir
es mit einem von ſeinen Nachbarn aus der Kette losgelöſten Jndividuum zu thun haben, mit
denen es durch eben dieſe Fortſätze verwachſen war.

Wir kommen damit auf den intereſſanteſten Punkt in der Naturgeſchichte der Salpen. Wir
haben ein Kettenindividuum beſchrieben. Alle Mitglieder einer ſolchen organiſch verbundenen
Doppelreihe ſtimmen vollkommen überein und entwickeln hermaphroditiſche Fortpflanzungsorgane.
Aus ihren Eiern gehen aber nicht wieder Ketten hervor, ſondern Einzelindividuen, welche in
jeder Art auf eigenthümliche Weiſe ſchon äußerlich von den Kettenindividuen abweichen, beſonders
aber auch dadurch ſich als eine neue, eine Zwiſchengeneration erweiſen, daß ſie nie durch Eier ſich
fortpflanzen. Vielmehr erzeugen ſie an einem beſonderen Keimſtock innere Knospen, welche gleich
Anfangs als Salpenkette angelegt ſind und auch in dieſer anentwickelten Vereinigung geboren
werden. Alle Jndividuen eines ſolchen Satzes ſind gleichweit entwickelt, und häufig ſiebt man,
wie hinter einem ſchon weiter gediehenen Satze die Anfänge eines oder zweier neuen ſich vom
Keimſtocke abheben. Es bedarf dazu nur eines ſcharfen Auges. Die neugeborene Salpenkette iſt
ſo vollſtändig gebildet, daß alle Glieder ſogleich ihr Athemwaſſer zu ſchöpfen beginnen. Mit der
Entfaltung der Fortpflanzungsorgane ſchließt der Entwicklungkreis der Art ab.

Auch die Salpen „zünden“, wie Johnſton ſich poetiſch ausdrückt, „ihr Lämpchen im Dunkeln
an“, ſtrahlen aber nicht jenes lebhafte Licht wie die Feuerleiber, ſondern einen blaſſeren milchigen
Schein aus. Die unmittelbare Berührung, die Neibung in dem erregten Waſſer ruft ihn hervor.
Da man die leuchtende Oberflächenſchichte wie einen zarten Schleim abwiſchen kann, worauf auch
das damit verſetzte und umgeſchüttelte Waſſer leuchtet, ſo geht daraus hervor, daß hier und in
den meiſten anderen Fällen, wo man es mit Leucht-Thieren zu thun hatte, nicht beſondere
Leuchtorgane die Erſcheinung hervorbringen, ſondern daß ſie von einer Art von Verbrennungs-
oder Orydationsprozeß herrührt. Dieß iſt um ſo wahrſcheinlicher, als das Leuchtphänomen an
vielen organiſchen Körpern, namentlich Seefiſchen, erſt nach dem Tode bei Beginn oberflächlicher
Zerſetzung eintritt. Ein Punkt, welcher die Beobachter der leuchtenden Mantelthiere möglicher
Weiſe zu der irrigen Auffaſſung veranlaßt haben kann, als leuchteten nur viele einzelne Stellen,
iſt der, daß dieſe Thiere ſehr häufig von kleinen Krebschen, Kopepoden u. a., bewohnt werden,
welche ſelbſt lebhaft leuchten und natürlich bei ihrer Flucht als eben ſo viele Jrrlichtchen
umherhuſchen.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f1018" n="970"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Mantelthiere. Salpen. Moosthiere.</hi></fw><lb/>
auch in un&#x017F;erer Abbildung durch feine Striche angedeutete Muskeln ziehen in einem Tempo die<lb/>
Körpertonne zu&#x017F;ammen, und das Wa&#x017F;&#x017F;er entweicht nun durch eine hintere, aber etwas zur Seite<lb/>
gelegene Oeffnung <hi rendition="#aq">(b)</hi> und treibt durch &#x017F;einen Stoß das Thier ein Stück vorwärts. Jn dem&#x017F;elben<lb/>
Ende der Tonne liegt ein bräunlicher Kern, der Eingeweideballen <hi rendition="#aq">(c),</hi> vor ihm, in den inneren<lb/>
Mantel eingebettet, das &#x017F;chlauchförmige Herz <hi rendition="#aq">(e).</hi> Die von ihm ausgehenden Adern und deren<lb/>
Verzweigung auf der Kieme &#x017F;ind deutlicher er&#x017F;ichtbar gemacht, als man die&#x017F;e Verhältni&#x017F;&#x017F;e an dem<lb/>
lebenden Thiere mit &#x017F;einer wa&#x017F;&#x017F;erklaren Blutflü&#x017F;&#x017F;igkeit wahrnehmen kann. Ueberra&#x017F;chend i&#x017F;t es,<lb/>
&#x017F;owohl bei Salpen als bei Ascidien zu beobachten, wie das Herz, nachdem es eine Weile hin-<lb/>
durch nach einer Richtung hin &#x017F;ich zu&#x017F;ammengezogen hat, plötzlich um&#x017F;etzt und den ganzen Blut-<lb/>
lauf umkehrt.</p><lb/>
              <p>Der gehirnartige Nervenknoten, welchen die Ascidien be&#x017F;itzen, fehlt auch den Salpen nicht;<lb/>
er i&#x017F;t leicht hinter und oberhalb der vorderen Oeffnung zu finden und nie fehlt ein mit ihm<lb/>
zu&#x017F;ammenhängendes gefärbtes punktförmiges Organ <hi rendition="#aq">(f),</hi> welches als Auge gedeutet wird. Endlich<lb/>
fallen uns an dem betrachteten Exemplare zipfelige Fort&#x017F;ätze <hi rendition="#aq">(g)</hi> auf. Sie verrathen, daß wir<lb/>
es mit einem von &#x017F;einen Nachbarn aus der Kette losgelö&#x017F;ten Jndividuum zu thun haben, mit<lb/>
denen es durch eben die&#x017F;e Fort&#x017F;ätze verwach&#x017F;en war.</p><lb/>
              <p>Wir kommen damit auf den intere&#x017F;&#x017F;ante&#x017F;ten Punkt in der Naturge&#x017F;chichte der Salpen. Wir<lb/>
haben ein <hi rendition="#g">Kettenindividuum</hi> be&#x017F;chrieben. Alle Mitglieder einer &#x017F;olchen organi&#x017F;ch verbundenen<lb/>
Doppelreihe &#x017F;timmen vollkommen überein und entwickeln hermaphroditi&#x017F;che Fortpflanzungsorgane.<lb/>
Aus ihren Eiern gehen aber nicht wieder Ketten hervor, &#x017F;ondern <hi rendition="#g">Einzelindividuen,</hi> welche in<lb/>
jeder Art auf eigenthümliche Wei&#x017F;e &#x017F;chon äußerlich von den Kettenindividuen abweichen, be&#x017F;onders<lb/>
aber auch dadurch &#x017F;ich als eine neue, eine Zwi&#x017F;chengeneration erwei&#x017F;en, daß &#x017F;ie nie durch Eier &#x017F;ich<lb/>
fortpflanzen. Vielmehr erzeugen &#x017F;ie an einem be&#x017F;onderen Keim&#x017F;tock innere Knospen, welche gleich<lb/>
Anfangs als Salpenkette angelegt &#x017F;ind und auch in die&#x017F;er anentwickelten Vereinigung geboren<lb/>
werden. Alle Jndividuen eines &#x017F;olchen Satzes &#x017F;ind gleichweit entwickelt, und häufig &#x017F;iebt man,<lb/>
wie hinter einem &#x017F;chon weiter gediehenen Satze die Anfänge eines oder zweier neuen &#x017F;ich vom<lb/>
Keim&#x017F;tocke abheben. Es bedarf dazu nur eines &#x017F;charfen Auges. Die neugeborene Salpenkette i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;o voll&#x017F;tändig gebildet, daß alle Glieder &#x017F;ogleich ihr Athemwa&#x017F;&#x017F;er zu &#x017F;chöpfen beginnen. Mit der<lb/>
Entfaltung der Fortpflanzungsorgane &#x017F;chließt der Entwicklungkreis der Art ab.</p><lb/>
              <p>Auch die Salpen &#x201E;zünden&#x201C;, wie <hi rendition="#g">John&#x017F;ton</hi> &#x017F;ich poeti&#x017F;ch ausdrückt, &#x201E;ihr Lämpchen im Dunkeln<lb/>
an&#x201C;, &#x017F;trahlen aber nicht jenes lebhafte Licht wie die Feuerleiber, &#x017F;ondern einen bla&#x017F;&#x017F;eren milchigen<lb/>
Schein aus. Die unmittelbare Berührung, die Neibung in dem erregten Wa&#x017F;&#x017F;er ruft ihn hervor.<lb/>
Da man die leuchtende Oberflächen&#x017F;chichte wie einen zarten Schleim abwi&#x017F;chen kann, worauf auch<lb/>
das damit ver&#x017F;etzte und umge&#x017F;chüttelte Wa&#x017F;&#x017F;er leuchtet, &#x017F;o geht daraus hervor, daß hier und in<lb/>
den mei&#x017F;ten anderen Fällen, wo man es mit Leucht-Thieren zu thun hatte, nicht be&#x017F;ondere<lb/>
Leuchtorgane die Er&#x017F;cheinung hervorbringen, &#x017F;ondern daß &#x017F;ie von einer Art von Verbrennungs-<lb/>
oder Orydationsprozeß herrührt. Dieß i&#x017F;t um &#x017F;o wahr&#x017F;cheinlicher, als das Leuchtphänomen an<lb/>
vielen organi&#x017F;chen Körpern, namentlich Seefi&#x017F;chen, er&#x017F;t nach dem Tode bei Beginn oberflächlicher<lb/>
Zer&#x017F;etzung eintritt. Ein Punkt, welcher die Beobachter der leuchtenden Mantelthiere möglicher<lb/>
Wei&#x017F;e zu der irrigen Auffa&#x017F;&#x017F;ung veranlaßt haben kann, als leuchteten nur viele einzelne Stellen,<lb/>
i&#x017F;t der, daß die&#x017F;e Thiere &#x017F;ehr häufig von kleinen Krebschen, Kopepoden u. a., bewohnt werden,<lb/>
welche &#x017F;elb&#x017F;t lebhaft leuchten und natürlich bei ihrer Flucht als eben &#x017F;o viele Jrrlichtchen<lb/>
umherhu&#x017F;chen.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[970/1018] Mantelthiere. Salpen. Moosthiere. auch in unſerer Abbildung durch feine Striche angedeutete Muskeln ziehen in einem Tempo die Körpertonne zuſammen, und das Waſſer entweicht nun durch eine hintere, aber etwas zur Seite gelegene Oeffnung (b) und treibt durch ſeinen Stoß das Thier ein Stück vorwärts. Jn demſelben Ende der Tonne liegt ein bräunlicher Kern, der Eingeweideballen (c), vor ihm, in den inneren Mantel eingebettet, das ſchlauchförmige Herz (e). Die von ihm ausgehenden Adern und deren Verzweigung auf der Kieme ſind deutlicher erſichtbar gemacht, als man dieſe Verhältniſſe an dem lebenden Thiere mit ſeiner waſſerklaren Blutflüſſigkeit wahrnehmen kann. Ueberraſchend iſt es, ſowohl bei Salpen als bei Ascidien zu beobachten, wie das Herz, nachdem es eine Weile hin- durch nach einer Richtung hin ſich zuſammengezogen hat, plötzlich umſetzt und den ganzen Blut- lauf umkehrt. Der gehirnartige Nervenknoten, welchen die Ascidien beſitzen, fehlt auch den Salpen nicht; er iſt leicht hinter und oberhalb der vorderen Oeffnung zu finden und nie fehlt ein mit ihm zuſammenhängendes gefärbtes punktförmiges Organ (f), welches als Auge gedeutet wird. Endlich fallen uns an dem betrachteten Exemplare zipfelige Fortſätze (g) auf. Sie verrathen, daß wir es mit einem von ſeinen Nachbarn aus der Kette losgelöſten Jndividuum zu thun haben, mit denen es durch eben dieſe Fortſätze verwachſen war. Wir kommen damit auf den intereſſanteſten Punkt in der Naturgeſchichte der Salpen. Wir haben ein Kettenindividuum beſchrieben. Alle Mitglieder einer ſolchen organiſch verbundenen Doppelreihe ſtimmen vollkommen überein und entwickeln hermaphroditiſche Fortpflanzungsorgane. Aus ihren Eiern gehen aber nicht wieder Ketten hervor, ſondern Einzelindividuen, welche in jeder Art auf eigenthümliche Weiſe ſchon äußerlich von den Kettenindividuen abweichen, beſonders aber auch dadurch ſich als eine neue, eine Zwiſchengeneration erweiſen, daß ſie nie durch Eier ſich fortpflanzen. Vielmehr erzeugen ſie an einem beſonderen Keimſtock innere Knospen, welche gleich Anfangs als Salpenkette angelegt ſind und auch in dieſer anentwickelten Vereinigung geboren werden. Alle Jndividuen eines ſolchen Satzes ſind gleichweit entwickelt, und häufig ſiebt man, wie hinter einem ſchon weiter gediehenen Satze die Anfänge eines oder zweier neuen ſich vom Keimſtocke abheben. Es bedarf dazu nur eines ſcharfen Auges. Die neugeborene Salpenkette iſt ſo vollſtändig gebildet, daß alle Glieder ſogleich ihr Athemwaſſer zu ſchöpfen beginnen. Mit der Entfaltung der Fortpflanzungsorgane ſchließt der Entwicklungkreis der Art ab. Auch die Salpen „zünden“, wie Johnſton ſich poetiſch ausdrückt, „ihr Lämpchen im Dunkeln an“, ſtrahlen aber nicht jenes lebhafte Licht wie die Feuerleiber, ſondern einen blaſſeren milchigen Schein aus. Die unmittelbare Berührung, die Neibung in dem erregten Waſſer ruft ihn hervor. Da man die leuchtende Oberflächenſchichte wie einen zarten Schleim abwiſchen kann, worauf auch das damit verſetzte und umgeſchüttelte Waſſer leuchtet, ſo geht daraus hervor, daß hier und in den meiſten anderen Fällen, wo man es mit Leucht-Thieren zu thun hatte, nicht beſondere Leuchtorgane die Erſcheinung hervorbringen, ſondern daß ſie von einer Art von Verbrennungs- oder Orydationsprozeß herrührt. Dieß iſt um ſo wahrſcheinlicher, als das Leuchtphänomen an vielen organiſchen Körpern, namentlich Seefiſchen, erſt nach dem Tode bei Beginn oberflächlicher Zerſetzung eintritt. Ein Punkt, welcher die Beobachter der leuchtenden Mantelthiere möglicher Weiſe zu der irrigen Auffaſſung veranlaßt haben kann, als leuchteten nur viele einzelne Stellen, iſt der, daß dieſe Thiere ſehr häufig von kleinen Krebschen, Kopepoden u. a., bewohnt werden, welche ſelbſt lebhaft leuchten und natürlich bei ihrer Flucht als eben ſo viele Jrrlichtchen umherhuſchen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1018
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 970. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/1018>, abgerufen am 19.04.2024.