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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Spinnenthiere. Gliederspinnen.
schwoll er, fing an zu wanken und gab all seinen Mageninhalt von sich. Drei Stunden lang
brach er von Zeit zu Zeit einen klebrigen Stoff aus, der Bauch fiel etwas ein, schwoll aber von
Neuem an, und weiteres Erbrechen folgte. Endlich bekam das Thier Krämpfe, schleppte sich auf
den Vorderfüßen hin, biß in die Erde und verendete 5 Stunden nach der Vergiftung. Ein anderer
Hund wurde sechsmal gestochen, schrie allemal auf, blieb aber gesund; vier Stunden nachher ließ
man ihn von mehreren Skorpionen zehnmal stechen, er befand sich dabei immer wohl, nahm
Nahrung zu sich und kam immer wieder, wenn man ihm etwas anbot, obschon er wußte, daß er
gestochen werden würde. Ganz frisch aus dem Felde geholte Skorpione ließ man dann mit gleicher
Erfolglosigkeit sieben Hunde und drei Hühner stechen. Bei einem weiteren Versuche brachte man
drei Skorpione mit einer Maus zusammen. Sie ward gestochen, quikte, biß die Skorpione todt
und starb -- nicht. Die Skorpione leben vorzugsweise in heißen Ländern, und in den wärmern
Theilen der gemäßigten Erdstriche; weiter als bis zum 45. Grade nördlicher Breite dringen sie
nicht vor, fehlen daher in Deutschland gänzlich. Sie halten sich wie die Tausendfüße unter
Steinen, im faulen Holze, in Mauerlöchern und ähnlichen dunklen Verstecken auf, da sie aber die
Wärme ungemein lieben, so dringen sie auch häufig in die menschlichen Wohnungen ein, verkriechen
sich in die Betten, in Kleider und Fußbedeckung, welche sie vorfinden; ja hie und da, wo das
lästige Ungeziefer der Schaben überhand genommen hat, sieht man sie gar nicht ungern, weil sie
denselben nachstellen. Auf diese Weise oder bei gewissen Beschäftigungen im Freien kann ihnen
der Mensch unvermerkt zu nahe kommen und dann pflegt ein Stich ihrerseits unvermeidlich zu
sein, denn sie meinen sich vertheidigen zu müssen; aus freien Stücken aber thun sie dem "Herrn
der Schöpfung" nichts zu Leide. Der Stich ist ungemein schmerzhaft und brennend, erzeugt örtliche
Entzündung, Lähmung, Fieber, Ohnmacht und Uebelkeit, je nach der Größe des Thieres, durch
welche ein kräftigerer Stich und mehr Gift bedingt wird, je nach der Reizbarkeit des Verwundeten
und je nach den Witterungsverhältnissen der Gegend; denn bekanntlich nehmen alle Entzündungen
in heißen Ländern einen bösartigeren Charakter an als in gemäßigten Gegenden. Die europäischen
Arten verwunden am schwächsten, die afrikanischen und afiatischen, vielleicht wegen ihrer bedeuten-
deren Größe, am heftigsten. Sonst pflegte man das sogenannte Skorpionöl, Olivenöl, worin man
einige Skorpione hat sterben lassen, zum Bestreichen der Wunde zu verwenden und man verwendet
es da noch, wo Hausmittel überhaupt mehr als ärztliche Verordnungen gelten. Alkalische Heil-
mittel, wie Ammoniak, Tabaksasche lindern den Schmerz und die Geschwulst am besten, wie eine
geringe Dosis von Jpecacuanha die Uebelkeiten. Die Eingeborenen Afrikas, welche weit und breit
vom Stiche des Felsenskorpions (Scorpio afer) zu leiden haben, legen eine Binde fest um die
Wunde und sich selbst als Patienten nieder, bis sie sich wieder wohler fühlen. Merkwürdig ist
die Erfahrung, daß sich der menschliche Organismus mit der Zeit an das Gift des Skorpions
gewöhnt. Eine zweite Verletzung wirkt weniger hestig und nachhaltig als die erste und eine dritte
abermals schwächer als die zweite. Es wird erzählt, daß Jemand, der diese Erscheinung an sich
selbst abprobiren wollte, es bald dahin brachte, daß er nur den durch den Stich verursachten,
vorübergehenden Schmerz und nichts weiter empfand.

Jn einem andern Verhältnisse stehen die Skorpione zu Jnsekten, Spinnen, ihrer Lieblingsspeise,
und den kleinern Nachtwandlern anderer Thierklassen, welchen sie auf ihren nächtlichen Beuteumzügen
begegnen. Sie laufen dabei sehr schnell und gewandt, manchmal auch seitwärts und rückwärts,
halten den Schwanz nach oben und vorn über den Rücken gebogen, um jederzeit die Wasse zum
Stoß bereit zu haben und ergreifen von diesen Thieren mit ihren Scheeren vorn, was sich greifen
läßt. Hierauf wird die Beute trotz allen Zappelus und Widerstrebens mit den Scheeren empor-
gehoben, mit den nach oben gerichteten Augen besehen und durch einen sichern, von hinten kommenden
Stich widerstandslos gemacht. Einige krampfhaste Zuckungen und das Opfer ist todt; es wird
nach dem Maule geführt und ausgesogen oder, wenn der Hunger dazu zwingt, auch zerkleinert
und vollständig verzehrt.

Die Spinnenthiere. Gliederſpinnen.
ſchwoll er, fing an zu wanken und gab all ſeinen Mageninhalt von ſich. Drei Stunden lang
brach er von Zeit zu Zeit einen klebrigen Stoff aus, der Bauch fiel etwas ein, ſchwoll aber von
Neuem an, und weiteres Erbrechen folgte. Endlich bekam das Thier Krämpfe, ſchleppte ſich auf
den Vorderfüßen hin, biß in die Erde und verendete 5 Stunden nach der Vergiftung. Ein anderer
Hund wurde ſechsmal geſtochen, ſchrie allemal auf, blieb aber geſund; vier Stunden nachher ließ
man ihn von mehreren Skorpionen zehnmal ſtechen, er befand ſich dabei immer wohl, nahm
Nahrung zu ſich und kam immer wieder, wenn man ihm etwas anbot, obſchon er wußte, daß er
geſtochen werden würde. Ganz friſch aus dem Felde geholte Skorpione ließ man dann mit gleicher
Erfolgloſigkeit ſieben Hunde und drei Hühner ſtechen. Bei einem weiteren Verſuche brachte man
drei Skorpione mit einer Maus zuſammen. Sie ward geſtochen, quikte, biß die Skorpione todt
und ſtarb — nicht. Die Skorpione leben vorzugsweiſe in heißen Ländern, und in den wärmern
Theilen der gemäßigten Erdſtriche; weiter als bis zum 45. Grade nördlicher Breite dringen ſie
nicht vor, fehlen daher in Deutſchland gänzlich. Sie halten ſich wie die Tauſendfüße unter
Steinen, im faulen Holze, in Mauerlöchern und ähnlichen dunklen Verſtecken auf, da ſie aber die
Wärme ungemein lieben, ſo dringen ſie auch häufig in die menſchlichen Wohnungen ein, verkriechen
ſich in die Betten, in Kleider und Fußbedeckung, welche ſie vorfinden; ja hie und da, wo das
läſtige Ungeziefer der Schaben überhand genommen hat, ſieht man ſie gar nicht ungern, weil ſie
denſelben nachſtellen. Auf dieſe Weiſe oder bei gewiſſen Beſchäftigungen im Freien kann ihnen
der Menſch unvermerkt zu nahe kommen und dann pflegt ein Stich ihrerſeits unvermeidlich zu
ſein, denn ſie meinen ſich vertheidigen zu müſſen; aus freien Stücken aber thun ſie dem „Herrn
der Schöpfung“ nichts zu Leide. Der Stich iſt ungemein ſchmerzhaft und brennend, erzeugt örtliche
Entzündung, Lähmung, Fieber, Ohnmacht und Uebelkeit, je nach der Größe des Thieres, durch
welche ein kräftigerer Stich und mehr Gift bedingt wird, je nach der Reizbarkeit des Verwundeten
und je nach den Witterungsverhältniſſen der Gegend; denn bekanntlich nehmen alle Entzündungen
in heißen Ländern einen bösartigeren Charakter an als in gemäßigten Gegenden. Die europäiſchen
Arten verwunden am ſchwächſten, die afrikaniſchen und afiatiſchen, vielleicht wegen ihrer bedeuten-
deren Größe, am heftigſten. Sonſt pflegte man das ſogenannte Skorpionöl, Olivenöl, worin man
einige Skorpione hat ſterben laſſen, zum Beſtreichen der Wunde zu verwenden und man verwendet
es da noch, wo Hausmittel überhaupt mehr als ärztliche Verordnungen gelten. Alkaliſche Heil-
mittel, wie Ammoniak, Tabaksaſche lindern den Schmerz und die Geſchwulſt am beſten, wie eine
geringe Doſis von Jpecacuanha die Uebelkeiten. Die Eingeborenen Afrikas, welche weit und breit
vom Stiche des Felſenſkorpions (Scorpio afer) zu leiden haben, legen eine Binde feſt um die
Wunde und ſich ſelbſt als Patienten nieder, bis ſie ſich wieder wohler fühlen. Merkwürdig iſt
die Erfahrung, daß ſich der menſchliche Organismus mit der Zeit an das Gift des Skorpions
gewöhnt. Eine zweite Verletzung wirkt weniger heſtig und nachhaltig als die erſte und eine dritte
abermals ſchwächer als die zweite. Es wird erzählt, daß Jemand, der dieſe Erſcheinung an ſich
ſelbſt abprobiren wollte, es bald dahin brachte, daß er nur den durch den Stich verurſachten,
vorübergehenden Schmerz und nichts weiter empfand.

Jn einem andern Verhältniſſe ſtehen die Skorpione zu Jnſekten, Spinnen, ihrer Lieblingsſpeiſe,
und den kleinern Nachtwandlern anderer Thierklaſſen, welchen ſie auf ihren nächtlichen Beuteumzügen
begegnen. Sie laufen dabei ſehr ſchnell und gewandt, manchmal auch ſeitwärts und rückwärts,
halten den Schwanz nach oben und vorn über den Rücken gebogen, um jederzeit die Waſſe zum
Stoß bereit zu haben und ergreifen von dieſen Thieren mit ihren Scheeren vorn, was ſich greifen
läßt. Hierauf wird die Beute trotz allen Zappelus und Widerſtrebens mit den Scheeren empor-
gehoben, mit den nach oben gerichteten Augen beſehen und durch einen ſichern, von hinten kommenden
Stich widerſtandslos gemacht. Einige krampfhaſte Zuckungen und das Opfer iſt todt; es wird
nach dem Maule geführt und ausgeſogen oder, wenn der Hunger dazu zwingt, auch zerkleinert
und vollſtändig verzehrt.

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[556/0592] Die Spinnenthiere. Gliederſpinnen. ſchwoll er, fing an zu wanken und gab all ſeinen Mageninhalt von ſich. Drei Stunden lang brach er von Zeit zu Zeit einen klebrigen Stoff aus, der Bauch fiel etwas ein, ſchwoll aber von Neuem an, und weiteres Erbrechen folgte. Endlich bekam das Thier Krämpfe, ſchleppte ſich auf den Vorderfüßen hin, biß in die Erde und verendete 5 Stunden nach der Vergiftung. Ein anderer Hund wurde ſechsmal geſtochen, ſchrie allemal auf, blieb aber geſund; vier Stunden nachher ließ man ihn von mehreren Skorpionen zehnmal ſtechen, er befand ſich dabei immer wohl, nahm Nahrung zu ſich und kam immer wieder, wenn man ihm etwas anbot, obſchon er wußte, daß er geſtochen werden würde. Ganz friſch aus dem Felde geholte Skorpione ließ man dann mit gleicher Erfolgloſigkeit ſieben Hunde und drei Hühner ſtechen. Bei einem weiteren Verſuche brachte man drei Skorpione mit einer Maus zuſammen. Sie ward geſtochen, quikte, biß die Skorpione todt und ſtarb — nicht. Die Skorpione leben vorzugsweiſe in heißen Ländern, und in den wärmern Theilen der gemäßigten Erdſtriche; weiter als bis zum 45. Grade nördlicher Breite dringen ſie nicht vor, fehlen daher in Deutſchland gänzlich. Sie halten ſich wie die Tauſendfüße unter Steinen, im faulen Holze, in Mauerlöchern und ähnlichen dunklen Verſtecken auf, da ſie aber die Wärme ungemein lieben, ſo dringen ſie auch häufig in die menſchlichen Wohnungen ein, verkriechen ſich in die Betten, in Kleider und Fußbedeckung, welche ſie vorfinden; ja hie und da, wo das läſtige Ungeziefer der Schaben überhand genommen hat, ſieht man ſie gar nicht ungern, weil ſie denſelben nachſtellen. Auf dieſe Weiſe oder bei gewiſſen Beſchäftigungen im Freien kann ihnen der Menſch unvermerkt zu nahe kommen und dann pflegt ein Stich ihrerſeits unvermeidlich zu ſein, denn ſie meinen ſich vertheidigen zu müſſen; aus freien Stücken aber thun ſie dem „Herrn der Schöpfung“ nichts zu Leide. Der Stich iſt ungemein ſchmerzhaft und brennend, erzeugt örtliche Entzündung, Lähmung, Fieber, Ohnmacht und Uebelkeit, je nach der Größe des Thieres, durch welche ein kräftigerer Stich und mehr Gift bedingt wird, je nach der Reizbarkeit des Verwundeten und je nach den Witterungsverhältniſſen der Gegend; denn bekanntlich nehmen alle Entzündungen in heißen Ländern einen bösartigeren Charakter an als in gemäßigten Gegenden. Die europäiſchen Arten verwunden am ſchwächſten, die afrikaniſchen und afiatiſchen, vielleicht wegen ihrer bedeuten- deren Größe, am heftigſten. Sonſt pflegte man das ſogenannte Skorpionöl, Olivenöl, worin man einige Skorpione hat ſterben laſſen, zum Beſtreichen der Wunde zu verwenden und man verwendet es da noch, wo Hausmittel überhaupt mehr als ärztliche Verordnungen gelten. Alkaliſche Heil- mittel, wie Ammoniak, Tabaksaſche lindern den Schmerz und die Geſchwulſt am beſten, wie eine geringe Doſis von Jpecacuanha die Uebelkeiten. Die Eingeborenen Afrikas, welche weit und breit vom Stiche des Felſenſkorpions (Scorpio afer) zu leiden haben, legen eine Binde feſt um die Wunde und ſich ſelbſt als Patienten nieder, bis ſie ſich wieder wohler fühlen. Merkwürdig iſt die Erfahrung, daß ſich der menſchliche Organismus mit der Zeit an das Gift des Skorpions gewöhnt. Eine zweite Verletzung wirkt weniger heſtig und nachhaltig als die erſte und eine dritte abermals ſchwächer als die zweite. Es wird erzählt, daß Jemand, der dieſe Erſcheinung an ſich ſelbſt abprobiren wollte, es bald dahin brachte, daß er nur den durch den Stich verurſachten, vorübergehenden Schmerz und nichts weiter empfand. Jn einem andern Verhältniſſe ſtehen die Skorpione zu Jnſekten, Spinnen, ihrer Lieblingsſpeiſe, und den kleinern Nachtwandlern anderer Thierklaſſen, welchen ſie auf ihren nächtlichen Beuteumzügen begegnen. Sie laufen dabei ſehr ſchnell und gewandt, manchmal auch ſeitwärts und rückwärts, halten den Schwanz nach oben und vorn über den Rücken gebogen, um jederzeit die Waſſe zum Stoß bereit zu haben und ergreifen von dieſen Thieren mit ihren Scheeren vorn, was ſich greifen läßt. Hierauf wird die Beute trotz allen Zappelus und Widerſtrebens mit den Scheeren empor- gehoben, mit den nach oben gerichteten Augen beſehen und durch einen ſichern, von hinten kommenden Stich widerſtandslos gemacht. Einige krampfhaſte Zuckungen und das Opfer iſt todt; es wird nach dem Maule geführt und ausgeſogen oder, wenn der Hunger dazu zwingt, auch zerkleinert und vollſtändig verzehrt.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/592>, abgerufen am 18.04.2024.