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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Die Spinnenthiere. Krebsspinnen.
die Gestalt der Eltern an, denn sie werden mit ungegliedertem Leibe, mit zuweilen in lange
Geisel auslaufenden Kieferfühlern und mit nur zwei Beinpaaren geboren.

Die Ufer-Spindelassel (Pycnogonum littorale) erreicht die Länge eines halben Zolles
und treibt sich an den Küsten der europäischen Meere, besonders auch der Nordsee unter Steinen
und zwischen Tangen umher; auch hat man sie mitunter auf Fischen gefunden. Kieferfühler und
Unterkiefertaster fehlen ihr. Die Oberfläche des rostgelben und auch bleicheren Körpers erscheint
matt und gekörnelt und das Schenkelglied der Beine sammt den beiden nächst folgenden Gliedern
an den Spitzen mit je zwei warzenförmigen Vorsprüngen versehen.

[Abbildung] Die schlanke Krebsspinne (Nymphon gracile).

Die schlanke Krebsspinne
(Nymphon gracile) unterscheidet sich
von der vorigen durch scheerenförmige
Kieferfühler, viergliedrige, dünne Unter-
kiefertaster und sehr lange, fadenför-
mige Beine. Sie wird nur 21/2 Linien
lang und findet sich unter gleichen Ver-
hältnissen an den europäischen Küsten.
Die in der Leibesmitte sichtbaren Krallen
stellen das mit Eierklümpchen behaftete
Beinpaar vor, welches nur dem Weibchen
zukommt. Ueberdies sei noch darauf
hingewiesen, daß sich bei unserer Art
das erste Glied des Vorderleibes auf-
fällig gegen die übrigen verlängert und
in der Mitte einschnürt.

Daß man in neuerer Zeit die sogenannten Bärenthierchen (Macrobiotus), welche als
mikroskopische Wesen zwischen dem Moose und in Rinnen der Ziegeldächer, oder auch im Moose an
den Rändern von Gewässern leben und bisher wegen der Eigenthümlichkeit, nach längerem Eintrocknen
durch Feuchtigkeit wieder aus dem Scheintode zu erwachen, den Räderthierchen zugesellt wurden,
als besondere Ordnung der Tardigrada (Langsamschreitenden) zu den Spinnen stellt, obgleich sie
nicht in getrennten Geschlechtern vorkommen, sondern beiderlei Organe an einem und demselben
Jndividuum gefunden werden, sei am Schlusse der ganzen Abtheilung nur beiläufig erwähnt.
Ein Gleiches gilt von den wie Eingeweidewürmer lebenden Pentastomen (Pentastomum oder
Linguatula). Sie wurden zu den Nematoden gerechnet, bis Beneden und Schnbärt aus der
Entwickelung des Embryo ihre Spinnennatur nachwiesen. Daher bilden sie heutigen Tages die
kleine Ordnung der Linguatulina. Beide Ordnungen sind zwischen die Milben und Krebsspinnen
eingeschoben worden.


Die Spinnenthiere. Krebsſpinnen.
die Geſtalt der Eltern an, denn ſie werden mit ungegliedertem Leibe, mit zuweilen in lange
Geiſel auslaufenden Kieferfühlern und mit nur zwei Beinpaaren geboren.

Die Ufer-Spindelaſſel (Pycnogonum littorale) erreicht die Länge eines halben Zolles
und treibt ſich an den Küſten der europäiſchen Meere, beſonders auch der Nordſee unter Steinen
und zwiſchen Tangen umher; auch hat man ſie mitunter auf Fiſchen gefunden. Kieferfühler und
Unterkiefertaſter fehlen ihr. Die Oberfläche des roſtgelben und auch bleicheren Körpers erſcheint
matt und gekörnelt und das Schenkelglied der Beine ſammt den beiden nächſt folgenden Gliedern
an den Spitzen mit je zwei warzenförmigen Vorſprüngen verſehen.

[Abbildung] Die ſchlanke Krebsſpinne (Nymphon gracile).

Die ſchlanke Krebsſpinne
(Nymphon gracile) unterſcheidet ſich
von der vorigen durch ſcheerenförmige
Kieferfühler, viergliedrige, dünne Unter-
kiefertaſter und ſehr lange, fadenför-
mige Beine. Sie wird nur 2½ Linien
lang und findet ſich unter gleichen Ver-
hältniſſen an den europäiſchen Küſten.
Die in der Leibesmitte ſichtbaren Krallen
ſtellen das mit Eierklümpchen behaftete
Beinpaar vor, welches nur dem Weibchen
zukommt. Ueberdies ſei noch darauf
hingewieſen, daß ſich bei unſerer Art
das erſte Glied des Vorderleibes auf-
fällig gegen die übrigen verlängert und
in der Mitte einſchnürt.

Daß man in neuerer Zeit die ſogenannten Bärenthierchen (Macrobiotus), welche als
mikroſkopiſche Weſen zwiſchen dem Mooſe und in Rinnen der Ziegeldächer, oder auch im Mooſe an
den Rändern von Gewäſſern leben und bisher wegen der Eigenthümlichkeit, nach längerem Eintrocknen
durch Feuchtigkeit wieder aus dem Scheintode zu erwachen, den Räderthierchen zugeſellt wurden,
als beſondere Ordnung der Tardigrada (Langſamſchreitenden) zu den Spinnen ſtellt, obgleich ſie
nicht in getrennten Geſchlechtern vorkommen, ſondern beiderlei Organe an einem und demſelben
Jndividuum gefunden werden, ſei am Schluſſe der ganzen Abtheilung nur beiläufig erwähnt.
Ein Gleiches gilt von den wie Eingeweidewürmer lebenden Pentaſtomen (Pentastomum oder
Linguatula). Sie wurden zu den Nematoden gerechnet, bis Beneden und Schnbärt aus der
Entwickelung des Embryo ihre Spinnennatur nachwieſen. Daher bilden ſie heutigen Tages die
kleine Ordnung der Linguatulina. Beide Ordnungen ſind zwiſchen die Milben und Krebsſpinnen
eingeſchoben worden.


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[618/0656] Die Spinnenthiere. Krebsſpinnen. die Geſtalt der Eltern an, denn ſie werden mit ungegliedertem Leibe, mit zuweilen in lange Geiſel auslaufenden Kieferfühlern und mit nur zwei Beinpaaren geboren. Die Ufer-Spindelaſſel (Pycnogonum littorale) erreicht die Länge eines halben Zolles und treibt ſich an den Küſten der europäiſchen Meere, beſonders auch der Nordſee unter Steinen und zwiſchen Tangen umher; auch hat man ſie mitunter auf Fiſchen gefunden. Kieferfühler und Unterkiefertaſter fehlen ihr. Die Oberfläche des roſtgelben und auch bleicheren Körpers erſcheint matt und gekörnelt und das Schenkelglied der Beine ſammt den beiden nächſt folgenden Gliedern an den Spitzen mit je zwei warzenförmigen Vorſprüngen verſehen. [Abbildung Die ſchlanke Krebsſpinne (Nymphon gracile).] Die ſchlanke Krebsſpinne (Nymphon gracile) unterſcheidet ſich von der vorigen durch ſcheerenförmige Kieferfühler, viergliedrige, dünne Unter- kiefertaſter und ſehr lange, fadenför- mige Beine. Sie wird nur 2½ Linien lang und findet ſich unter gleichen Ver- hältniſſen an den europäiſchen Küſten. Die in der Leibesmitte ſichtbaren Krallen ſtellen das mit Eierklümpchen behaftete Beinpaar vor, welches nur dem Weibchen zukommt. Ueberdies ſei noch darauf hingewieſen, daß ſich bei unſerer Art das erſte Glied des Vorderleibes auf- fällig gegen die übrigen verlängert und in der Mitte einſchnürt. Daß man in neuerer Zeit die ſogenannten Bärenthierchen (Macrobiotus), welche als mikroſkopiſche Weſen zwiſchen dem Mooſe und in Rinnen der Ziegeldächer, oder auch im Mooſe an den Rändern von Gewäſſern leben und bisher wegen der Eigenthümlichkeit, nach längerem Eintrocknen durch Feuchtigkeit wieder aus dem Scheintode zu erwachen, den Räderthierchen zugeſellt wurden, als beſondere Ordnung der Tardigrada (Langſamſchreitenden) zu den Spinnen ſtellt, obgleich ſie nicht in getrennten Geſchlechtern vorkommen, ſondern beiderlei Organe an einem und demſelben Jndividuum gefunden werden, ſei am Schluſſe der ganzen Abtheilung nur beiläufig erwähnt. Ein Gleiches gilt von den wie Eingeweidewürmer lebenden Pentaſtomen (Pentastomum oder Linguatula). Sie wurden zu den Nematoden gerechnet, bis Beneden und Schnbärt aus der Entwickelung des Embryo ihre Spinnennatur nachwieſen. Daher bilden ſie heutigen Tages die kleine Ordnung der Linguatulina. Beide Ordnungen ſind zwiſchen die Milben und Krebsſpinnen eingeſchoben worden.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/656>, abgerufen am 28.03.2024.