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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Asseln. Molukkenkrebse.
sehr überlegenen Weibchen hervorgebracht, welche, nachdem sie sich festgesetzt, in die Breite anschwellen
und bis zur Unkenntlichkeit sich aufblähen und alle Symmetrie verlieren. Die viel kleineren
Männchen, welche ganz zierlich gegliedert bleiben, schlagen ihren Wohnsitz an der Unterseite der
Weibchen auf.

Eine bei den angeführten Familien der Asseln nicht gut systematisch unterzubringende aber
in ihre Nähe gehörige Gattung, Praniza, gleicht durch die Verschmelzung der Brustringe mit dem
Kopfe und in ihrem ganzen Aussehn den Zehnfüßern, hat aber unter anderm die sitzenden Augen

[Abbildung] Praniza.
Etwas vergrößert.
der Asseln und mag uns dazu dienen, die Beispiele der unglaublichen Varia-
bilität des Krebstypus zu vermehren. Während einer Jugendperiode, wo
das Thier einen kleinen Kopf, große Augen und einen Saugrüssel besitzt,
lebt es parasitisch auf verschiedenen Seefischen. Jn diesem Zustande verharrt
das Weibchen, über welches sich das Männchen durch einen colossalen vier-
eckigen Kopf und mächtige Oberkiefer erhebt.

Den Abschnitt über die Asseln weiß ich nicht besser zu beschließen, als
mit Anführung einer Beobachtung meines Freundes Fritz Müller. Dieselbe
befindet sich in seinem geistreichen Buche "für Darwin" und bezieht sich
auf das Vorhandensein zweier Formen von Männchen für eine ein-
zige Art Weibchen.
Es ist eine mit Scheeren versehene Assel der Gattung
Tanais, welche von den Systematikern in die Nähe der gemeinen Wasserassel gebracht wird. Er
macht im Eingang seiner Darstellung der merkwürdigen Zweimännerschaft darauf aufmerksam, daß,
wo bei den Krustern hand- oder schienenförmige Bildungen vorkommen, dieselben bei den Männchen
überhaupt stärker als bei den Weibchen entwickelt zu sein pflegen und bei ihnen oft zu ganz
unverhältnißmäßiger Größe anschwellen. Die Winkerkrabbe (Gelasimus) hat uns oben ein Bei-
spiel dafür geliefert. "Eine zweite Eigenthümlichkeit", sagt Fr. Müller weiter, "der Kruster-
männchen besteht nicht selten in einer reichlichen Entwicklung zarter Fäden an der Geißel der vor-
deren Fühler", welche man jetzt mit Müller und anderen Autoritäten für Geruchs- oder höchst
feine Tastorgane hält, eine Ansicht, in welcher man durch die Thatsache bestärkt wird, "daß auch
sonst ja die männlichen Thiere nicht selten durch den Geruch beim Aufspüren der Weibchen ge-
leitet werden".

"Bei unserer Scheerenassel nun gleichen die jungen Männchen bis zur letzten, der Geschlechts-
reife vorausgehenden Häutung den Weibchen; dann aber erleiden sie eine bedeutende Verwandlung. --
Was dabei das Merkwürdigste ist, sie erscheinen nun unter zwei verschiedenen Gestalten. Die
einen bekommen gewaltige, langfingrige, recht bewegliche Scheeren und statt des einzigen Riech-
fadens der Weibchen deren etwa 12 bis 17, die zu zwei bis drei an den Gliedern der Fühler-
geißel stehn. Die andern behalten die plumpe Scheerenform der Weibchen; dafür aber sind ihre
Fühler mit weit zahlreicheren Riechfäden ausgerüstet, die zu 5 bis 7 beisammen stehen."

"Es war natürlich, daran zu denken, ob nicht etwa zwei verschiedene Arten mit sehr ähn-
lichen Weibchen und mehr verschiedenen Männchen zusammen lebten, oder ob nicht die Männchen,
statt in zwei scharf geschiedenen Formen aufzutreten, nur innerhalb sehr weiter Gränzen veränderlich
wären. Jch kann weder das Eine noch das Andere annehmen. Unsere Scheerenassel lebt zwischen
dicht verfilzten Wasserfäden, die einen etwa zolldicken Ueberzug auf Steinen in der Nähe des
Ufers bilden. Bringt man eine Hand voll dieses grünen Filzes in ein größeres Glas mit reinem
Seewasser, so sieht man bald seine Wände sich mit Hunderten, ja Tausenden dieser kleinen plumpen
weißlichen Asseln bedecken. So habe ich mit der einfachen Lupe manches Tausend, und ich habe
mit dem Mikroskope viele Hunderte durchgemustert, aber ich habe keine Verschiedenheiten unter
den Weibchen und keine Zwischenformen zwischen den zweierlei Männchen auffinden können."

Aſſeln. Molukkenkrebſe.
ſehr überlegenen Weibchen hervorgebracht, welche, nachdem ſie ſich feſtgeſetzt, in die Breite anſchwellen
und bis zur Unkenntlichkeit ſich aufblähen und alle Symmetrie verlieren. Die viel kleineren
Männchen, welche ganz zierlich gegliedert bleiben, ſchlagen ihren Wohnſitz an der Unterſeite der
Weibchen auf.

Eine bei den angeführten Familien der Aſſeln nicht gut ſyſtematiſch unterzubringende aber
in ihre Nähe gehörige Gattung, Praniza, gleicht durch die Verſchmelzung der Bruſtringe mit dem
Kopfe und in ihrem ganzen Ausſehn den Zehnfüßern, hat aber unter anderm die ſitzenden Augen

[Abbildung] Praniza.
Etwas vergrößert.
der Aſſeln und mag uns dazu dienen, die Beiſpiele der unglaublichen Varia-
bilität des Krebstypus zu vermehren. Während einer Jugendperiode, wo
das Thier einen kleinen Kopf, große Augen und einen Saugrüſſel beſitzt,
lebt es paraſitiſch auf verſchiedenen Seefiſchen. Jn dieſem Zuſtande verharrt
das Weibchen, über welches ſich das Männchen durch einen coloſſalen vier-
eckigen Kopf und mächtige Oberkiefer erhebt.

Den Abſchnitt über die Aſſeln weiß ich nicht beſſer zu beſchließen, als
mit Anführung einer Beobachtung meines Freundes Fritz Müller. Dieſelbe
befindet ſich in ſeinem geiſtreichen Buche „für Darwin“ und bezieht ſich
auf das Vorhandenſein zweier Formen von Männchen für eine ein-
zige Art Weibchen.
Es iſt eine mit Scheeren verſehene Aſſel der Gattung
Tanais, welche von den Syſtematikern in die Nähe der gemeinen Waſſeraſſel gebracht wird. Er
macht im Eingang ſeiner Darſtellung der merkwürdigen Zweimännerſchaft darauf aufmerkſam, daß,
wo bei den Kruſtern hand- oder ſchienenförmige Bildungen vorkommen, dieſelben bei den Männchen
überhaupt ſtärker als bei den Weibchen entwickelt zu ſein pflegen und bei ihnen oft zu ganz
unverhältnißmäßiger Größe anſchwellen. Die Winkerkrabbe (Gelasimus) hat uns oben ein Bei-
ſpiel dafür geliefert. „Eine zweite Eigenthümlichkeit“, ſagt Fr. Müller weiter, „der Kruſter-
männchen beſteht nicht ſelten in einer reichlichen Entwicklung zarter Fäden an der Geißel der vor-
deren Fühler“, welche man jetzt mit Müller und anderen Autoritäten für Geruchs- oder höchſt
feine Taſtorgane hält, eine Anſicht, in welcher man durch die Thatſache beſtärkt wird, „daß auch
ſonſt ja die männlichen Thiere nicht ſelten durch den Geruch beim Aufſpüren der Weibchen ge-
leitet werden“.

„Bei unſerer Scheerenaſſel nun gleichen die jungen Männchen bis zur letzten, der Geſchlechts-
reife vorausgehenden Häutung den Weibchen; dann aber erleiden ſie eine bedeutende Verwandlung. —
Was dabei das Merkwürdigſte iſt, ſie erſcheinen nun unter zwei verſchiedenen Geſtalten. Die
einen bekommen gewaltige, langfingrige, recht bewegliche Scheeren und ſtatt des einzigen Riech-
fadens der Weibchen deren etwa 12 bis 17, die zu zwei bis drei an den Gliedern der Fühler-
geißel ſtehn. Die andern behalten die plumpe Scheerenform der Weibchen; dafür aber ſind ihre
Fühler mit weit zahlreicheren Riechfäden ausgerüſtet, die zu 5 bis 7 beiſammen ſtehen.“

„Es war natürlich, daran zu denken, ob nicht etwa zwei verſchiedene Arten mit ſehr ähn-
lichen Weibchen und mehr verſchiedenen Männchen zuſammen lebten, oder ob nicht die Männchen,
ſtatt in zwei ſcharf geſchiedenen Formen aufzutreten, nur innerhalb ſehr weiter Gränzen veränderlich
wären. Jch kann weder das Eine noch das Andere annehmen. Unſere Scheerenaſſel lebt zwiſchen
dicht verfilzten Waſſerfäden, die einen etwa zolldicken Ueberzug auf Steinen in der Nähe des
Ufers bilden. Bringt man eine Hand voll dieſes grünen Filzes in ein größeres Glas mit reinem
Seewaſſer, ſo ſieht man bald ſeine Wände ſich mit Hunderten, ja Tauſenden dieſer kleinen plumpen
weißlichen Aſſeln bedecken. So habe ich mit der einfachen Lupe manches Tauſend, und ich habe
mit dem Mikroskope viele Hunderte durchgemuſtert, aber ich habe keine Verſchiedenheiten unter
den Weibchen und keine Zwiſchenformen zwiſchen den zweierlei Männchen auffinden können.“

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[654/0698] Aſſeln. Molukkenkrebſe. ſehr überlegenen Weibchen hervorgebracht, welche, nachdem ſie ſich feſtgeſetzt, in die Breite anſchwellen und bis zur Unkenntlichkeit ſich aufblähen und alle Symmetrie verlieren. Die viel kleineren Männchen, welche ganz zierlich gegliedert bleiben, ſchlagen ihren Wohnſitz an der Unterſeite der Weibchen auf. Eine bei den angeführten Familien der Aſſeln nicht gut ſyſtematiſch unterzubringende aber in ihre Nähe gehörige Gattung, Praniza, gleicht durch die Verſchmelzung der Bruſtringe mit dem Kopfe und in ihrem ganzen Ausſehn den Zehnfüßern, hat aber unter anderm die ſitzenden Augen [Abbildung Praniza. Etwas vergrößert.] der Aſſeln und mag uns dazu dienen, die Beiſpiele der unglaublichen Varia- bilität des Krebstypus zu vermehren. Während einer Jugendperiode, wo das Thier einen kleinen Kopf, große Augen und einen Saugrüſſel beſitzt, lebt es paraſitiſch auf verſchiedenen Seefiſchen. Jn dieſem Zuſtande verharrt das Weibchen, über welches ſich das Männchen durch einen coloſſalen vier- eckigen Kopf und mächtige Oberkiefer erhebt. Den Abſchnitt über die Aſſeln weiß ich nicht beſſer zu beſchließen, als mit Anführung einer Beobachtung meines Freundes Fritz Müller. Dieſelbe befindet ſich in ſeinem geiſtreichen Buche „für Darwin“ und bezieht ſich auf das Vorhandenſein zweier Formen von Männchen für eine ein- zige Art Weibchen. Es iſt eine mit Scheeren verſehene Aſſel der Gattung Tanais, welche von den Syſtematikern in die Nähe der gemeinen Waſſeraſſel gebracht wird. Er macht im Eingang ſeiner Darſtellung der merkwürdigen Zweimännerſchaft darauf aufmerkſam, daß, wo bei den Kruſtern hand- oder ſchienenförmige Bildungen vorkommen, dieſelben bei den Männchen überhaupt ſtärker als bei den Weibchen entwickelt zu ſein pflegen und bei ihnen oft zu ganz unverhältnißmäßiger Größe anſchwellen. Die Winkerkrabbe (Gelasimus) hat uns oben ein Bei- ſpiel dafür geliefert. „Eine zweite Eigenthümlichkeit“, ſagt Fr. Müller weiter, „der Kruſter- männchen beſteht nicht ſelten in einer reichlichen Entwicklung zarter Fäden an der Geißel der vor- deren Fühler“, welche man jetzt mit Müller und anderen Autoritäten für Geruchs- oder höchſt feine Taſtorgane hält, eine Anſicht, in welcher man durch die Thatſache beſtärkt wird, „daß auch ſonſt ja die männlichen Thiere nicht ſelten durch den Geruch beim Aufſpüren der Weibchen ge- leitet werden“. „Bei unſerer Scheerenaſſel nun gleichen die jungen Männchen bis zur letzten, der Geſchlechts- reife vorausgehenden Häutung den Weibchen; dann aber erleiden ſie eine bedeutende Verwandlung. — Was dabei das Merkwürdigſte iſt, ſie erſcheinen nun unter zwei verſchiedenen Geſtalten. Die einen bekommen gewaltige, langfingrige, recht bewegliche Scheeren und ſtatt des einzigen Riech- fadens der Weibchen deren etwa 12 bis 17, die zu zwei bis drei an den Gliedern der Fühler- geißel ſtehn. Die andern behalten die plumpe Scheerenform der Weibchen; dafür aber ſind ihre Fühler mit weit zahlreicheren Riechfäden ausgerüſtet, die zu 5 bis 7 beiſammen ſtehen.“ „Es war natürlich, daran zu denken, ob nicht etwa zwei verſchiedene Arten mit ſehr ähn- lichen Weibchen und mehr verſchiedenen Männchen zuſammen lebten, oder ob nicht die Männchen, ſtatt in zwei ſcharf geſchiedenen Formen aufzutreten, nur innerhalb ſehr weiter Gränzen veränderlich wären. Jch kann weder das Eine noch das Andere annehmen. Unſere Scheerenaſſel lebt zwiſchen dicht verfilzten Waſſerfäden, die einen etwa zolldicken Ueberzug auf Steinen in der Nähe des Ufers bilden. Bringt man eine Hand voll dieſes grünen Filzes in ein größeres Glas mit reinem Seewaſſer, ſo ſieht man bald ſeine Wände ſich mit Hunderten, ja Tauſenden dieſer kleinen plumpen weißlichen Aſſeln bedecken. So habe ich mit der einfachen Lupe manches Tauſend, und ich habe mit dem Mikroskope viele Hunderte durchgemuſtert, aber ich habe keine Verſchiedenheiten unter den Weibchen und keine Zwiſchenformen zwiſchen den zweierlei Männchen auffinden können.“

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/698>, abgerufen am 19.04.2024.