Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Planaria. Polycelis. Geoplana. Geodesmus.
Cephalonien abgegeben. Die Stadt Argostoli liegt an einem, in seinem blinden Ende sich sehr ver-
flachenden Meerbusen, dessen Grund dicht bedeckt ist mit Schwämmen und Tangen. Jch ließ mir
durch einen darin herumwatenden Fischer einen Haufen Tang herauswerfen, nahm denselben ohne alle
Sorgfalt gepackt mit in die Wohnung und that dann kleinere Partieen in ein Gefäß. Nach wenigen
Minuten kamen die Planarien unversehrt hervorgeschwommen. Ohne Frage gehören diese
Gattungen (Thysanozoon, Leptoplana etc.) zu den lieblichsten der Meeresbewohner. Sie beginnen
jedoch erst im Mittelmeere mit einer größeren Manchfaltigkeit und verleihen mit anderen niederen
Organismen den klassischen Ufern von Neapel und Sicilien für den Naturforscher noch eine
besondere Anziehungskraft. Auch die stille Bai von Villafranca bei Nizza läßt den Freund
dieser niederen, verborgenen Thierwelt nie leer an den öden Strand der Stadt Nizza zurückkehren.
Mit vielen schönen Formen aus den südlichen Meeren hat uns Schmarda bekannt gemacht.



Eine besondere Erwähnung verdienen die Landplanarien, welche vorläufig unter dem
Namen Geoplana zusammengefaßt werden. Schon im vorigen Jahrhundert entdeckte der berühmte
dänische Zoolog Otto Friedrich Müller eine auf dem Lande unter Steinen in feuchter Erde
lebende Art, welche er Landplanarie, Planaria terrestris, nannte. Dieselbe besitzt einen fast
cylindrischen, nur von der Bauchseite etwas abgeplatteten, 8 Linien langen, [ 2/3 ] Linien breiten
Körper, ist oben schwärzlich grau, unten weiß gefärbt und läßt am vorderen Ende zwei kleine
schwarze Augenflecke erkennen. Nur wenige Male wurde dieses Thier in Frankreich und Deutsch-
land wieder gefunden, und offenbar sind diese gemäßigten Striche
gerade diesen Wesen nicht günstig. Nur noch eine einzige Species
ist in Deutschland entdeckt worden und zwar zu Gießen in Blumen-
töpfen des Warmhauses des botanischen Gartens, beschrieben als
Geodesmus bilineatus. Wenn die Erde in den Blumentöpfen nicht
feucht genug ist, kriecht das Thier in die Tiefe, sobald aber die
Erde von Neuem begossen wird, kommt es wieder an die Oberfläche,
mit dem Vorderkörper nach der Umgebung tastend. Die größten

[Abbildung] Geodesmus billneatus.
Exemplare sind 5 Linien lang. Der Rücken ist schmuziggelb gefärbt und enthält noch eine
zweite marmorirte rothbraune Färbung. Außerdem sieht man am Rücken zwei neben einander
liegende, durch den ganzen Körper verlaufende, ebenfalls rothbraun gefärbte Linien und einen
in der Mitte des Körpers liegenden dunklen Fleck; dieser letztere entspricht der Lage des Schlund-
rüssels. Die beiden Augen am Kopfende sind sehr markirt.

Der Armuth an diesen Formen bei uns gegenüber "haben uns", sagt Max Schultze, "die
Reifen des englischen Forschers Charles Darwin mit einer reichen Fauna von Landplanarien
in den feuchten Urwaldregionen Südamerikas bekannt gemacht. Mußte zunächst die Eigenthümlich-
keit des Vorkommens überraschen, daß Würmer aus der Ordnung der Turbellarien, die wir in
unseren Gegenden nur im Wasser zu finden gewohnt sind, und welche ihres äußerst weichen,
zarten und aller festen Stützen entbehrenden Körperparenchyms willen ausschließlich in diesem
Stadium zu leben bestimmt zu sein scheinen, in zahlreichen Arten als Landbewohner auftreten,
so wurde nicht weniger unser Jnteresse in Anspruch genommen durch die Angaben über die
ansehnliche Größe dieser Thiere, den bunten Farbenschmuck, die nemertinenartige Gestalt verbunden
mit der inneren Organisation der Planarien unserer süßen Gewässer". Das Verlangen nach
näheren Mittheilungen über die Naturgeschichte dieser Urwaldbewohner wurde, soweit es ihm
unter den beschränkten Verhältnissen eines mit der Art sich ansässig machenden Auswanderers
möglich war, durch unseren Freund Fr. Müller befriedigt, der dreizehn Arten der merkwürdigen
Landplanarien theils in der Nähe der Colonie Blumenau, theils in Desterro beobachtete. Sie

Taschenberg und Schmidt, wirbellose Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 47

Planaria. Polycelis. Geoplana. Geodesmus.
Cephalonien abgegeben. Die Stadt Argoſtoli liegt an einem, in ſeinem blinden Ende ſich ſehr ver-
flachenden Meerbuſen, deſſen Grund dicht bedeckt iſt mit Schwämmen und Tangen. Jch ließ mir
durch einen darin herumwatenden Fiſcher einen Haufen Tang herauswerfen, nahm denſelben ohne alle
Sorgfalt gepackt mit in die Wohnung und that dann kleinere Partieen in ein Gefäß. Nach wenigen
Minuten kamen die Planarien unverſehrt hervorgeſchwommen. Ohne Frage gehören dieſe
Gattungen (Thysanozoon, Leptoplana etc.) zu den lieblichſten der Meeresbewohner. Sie beginnen
jedoch erſt im Mittelmeere mit einer größeren Manchfaltigkeit und verleihen mit anderen niederen
Organismen den klaſſiſchen Ufern von Neapel und Sicilien für den Naturforſcher noch eine
beſondere Anziehungskraft. Auch die ſtille Bai von Villafranca bei Nizza läßt den Freund
dieſer niederen, verborgenen Thierwelt nie leer an den öden Strand der Stadt Nizza zurückkehren.
Mit vielen ſchönen Formen aus den ſüdlichen Meeren hat uns Schmarda bekannt gemacht.



Eine beſondere Erwähnung verdienen die Landplanarien, welche vorläufig unter dem
Namen Geoplana zuſammengefaßt werden. Schon im vorigen Jahrhundert entdeckte der berühmte
däniſche Zoolog Otto Friedrich Müller eine auf dem Lande unter Steinen in feuchter Erde
lebende Art, welche er Landplanarie, Planaria terrestris, nannte. Dieſelbe beſitzt einen faſt
cylindriſchen, nur von der Bauchſeite etwas abgeplatteten, 8 Linien langen, [⅔] Linien breiten
Körper, iſt oben ſchwärzlich grau, unten weiß gefärbt und läßt am vorderen Ende zwei kleine
ſchwarze Augenflecke erkennen. Nur wenige Male wurde dieſes Thier in Frankreich und Deutſch-
land wieder gefunden, und offenbar ſind dieſe gemäßigten Striche
gerade dieſen Weſen nicht günſtig. Nur noch eine einzige Species
iſt in Deutſchland entdeckt worden und zwar zu Gießen in Blumen-
töpfen des Warmhauſes des botaniſchen Gartens, beſchrieben als
Geodesmus bilineatus. Wenn die Erde in den Blumentöpfen nicht
feucht genug iſt, kriecht das Thier in die Tiefe, ſobald aber die
Erde von Neuem begoſſen wird, kommt es wieder an die Oberfläche,
mit dem Vorderkörper nach der Umgebung taſtend. Die größten

[Abbildung] Geodesmus billneatus.
Exemplare ſind 5 Linien lang. Der Rücken iſt ſchmuziggelb gefärbt und enthält noch eine
zweite marmorirte rothbraune Färbung. Außerdem ſieht man am Rücken zwei neben einander
liegende, durch den ganzen Körper verlaufende, ebenfalls rothbraun gefärbte Linien und einen
in der Mitte des Körpers liegenden dunklen Fleck; dieſer letztere entſpricht der Lage des Schlund-
rüſſels. Die beiden Augen am Kopfende ſind ſehr markirt.

Der Armuth an dieſen Formen bei uns gegenüber „haben uns“, ſagt Max Schultze, „die
Reifen des engliſchen Forſchers Charles Darwin mit einer reichen Fauna von Landplanarien
in den feuchten Urwaldregionen Südamerikas bekannt gemacht. Mußte zunächſt die Eigenthümlich-
keit des Vorkommens überraſchen, daß Würmer aus der Ordnung der Turbellarien, die wir in
unſeren Gegenden nur im Waſſer zu finden gewohnt ſind, und welche ihres äußerſt weichen,
zarten und aller feſten Stützen entbehrenden Körperparenchyms willen ausſchließlich in dieſem
Stadium zu leben beſtimmt zu ſein ſcheinen, in zahlreichen Arten als Landbewohner auftreten,
ſo wurde nicht weniger unſer Jntereſſe in Anſpruch genommen durch die Angaben über die
anſehnliche Größe dieſer Thiere, den bunten Farbenſchmuck, die nemertinenartige Geſtalt verbunden
mit der inneren Organiſation der Planarien unſerer ſüßen Gewäſſer“. Das Verlangen nach
näheren Mittheilungen über die Naturgeſchichte dieſer Urwaldbewohner wurde, ſoweit es ihm
unter den beſchränkten Verhältniſſen eines mit der Art ſich anſäſſig machenden Auswanderers
möglich war, durch unſeren Freund Fr. Müller befriedigt, der dreizehn Arten der merkwürdigen
Landplanarien theils in der Nähe der Colonie Blumenau, theils in Desterro beobachtete. Sie

Taſchenberg und Schmidt, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 47
<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div n="1">
            <div n="2">
              <div n="3">
                <p><pb facs="#f0781" n="737"/><fw place="top" type="header">Planaria. Polycelis. Geoplana. Geodesmus.</fw><lb/>
Cephalonien abgegeben. Die Stadt Argo&#x017F;toli liegt an einem, in &#x017F;einem blinden Ende &#x017F;ich &#x017F;ehr ver-<lb/>
flachenden Meerbu&#x017F;en, de&#x017F;&#x017F;en Grund dicht bedeckt i&#x017F;t mit Schwämmen und Tangen. Jch ließ mir<lb/>
durch einen darin herumwatenden Fi&#x017F;cher einen Haufen Tang herauswerfen, nahm den&#x017F;elben ohne alle<lb/>
Sorgfalt gepackt mit in die Wohnung und that dann kleinere Partieen in ein Gefäß. Nach wenigen<lb/>
Minuten kamen die Planarien unver&#x017F;ehrt hervorge&#x017F;chwommen. Ohne Frage gehören die&#x017F;e<lb/>
Gattungen (<hi rendition="#aq">Thysanozoon, Leptoplana etc.</hi>) zu den lieblich&#x017F;ten der Meeresbewohner. Sie beginnen<lb/>
jedoch er&#x017F;t im Mittelmeere mit einer größeren Manchfaltigkeit und verleihen mit anderen niederen<lb/>
Organismen den kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Ufern von Neapel und Sicilien für den Naturfor&#x017F;cher noch eine<lb/>
be&#x017F;ondere Anziehungskraft. Auch die &#x017F;tille Bai von Villafranca bei Nizza läßt den Freund<lb/>
die&#x017F;er niederen, verborgenen Thierwelt nie leer an den öden Strand der Stadt Nizza zurückkehren.<lb/>
Mit vielen &#x017F;chönen Formen aus den &#x017F;üdlichen Meeren hat uns <hi rendition="#g">Schmarda</hi> bekannt gemacht.</p><lb/>
                <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
                <p>Eine be&#x017F;ondere Erwähnung verdienen die <hi rendition="#g">Landplanarien,</hi> welche vorläufig unter dem<lb/>
Namen <hi rendition="#aq">Geoplana</hi> zu&#x017F;ammengefaßt werden. Schon im vorigen Jahrhundert entdeckte der berühmte<lb/>
däni&#x017F;che Zoolog <hi rendition="#g">Otto Friedrich Müller</hi> eine auf dem Lande unter Steinen in feuchter Erde<lb/>
lebende Art, welche er Landplanarie, <hi rendition="#aq">Planaria terrestris,</hi> nannte. Die&#x017F;elbe be&#x017F;itzt einen fa&#x017F;t<lb/>
cylindri&#x017F;chen, nur von der Bauch&#x017F;eite etwas abgeplatteten, 8 Linien langen, <supplied>&#x2154;</supplied> Linien breiten<lb/>
Körper, i&#x017F;t oben &#x017F;chwärzlich grau, unten weiß gefärbt und läßt am vorderen Ende zwei kleine<lb/>
&#x017F;chwarze Augenflecke erkennen. Nur wenige Male wurde die&#x017F;es Thier in Frankreich und Deut&#x017F;ch-<lb/>
land wieder gefunden, und offenbar &#x017F;ind die&#x017F;e gemäßigten Striche<lb/>
gerade die&#x017F;en We&#x017F;en nicht gün&#x017F;tig. Nur noch eine einzige Species<lb/>
i&#x017F;t in Deut&#x017F;chland entdeckt worden und zwar zu Gießen in Blumen-<lb/>
töpfen des Warmhau&#x017F;es des botani&#x017F;chen Gartens, be&#x017F;chrieben als<lb/><hi rendition="#aq">Geodesmus bilineatus.</hi> Wenn die Erde in den Blumentöpfen nicht<lb/>
feucht genug i&#x017F;t, kriecht das Thier in die Tiefe, &#x017F;obald aber die<lb/>
Erde von Neuem bego&#x017F;&#x017F;en wird, kommt es wieder an die Oberfläche,<lb/>
mit dem Vorderkörper nach der Umgebung ta&#x017F;tend. Die größten<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">Geodesmus billneatus.</hi></hi></head></figure><lb/>
Exemplare &#x017F;ind 5 Linien lang. Der Rücken i&#x017F;t &#x017F;chmuziggelb gefärbt und enthält noch eine<lb/>
zweite marmorirte rothbraune Färbung. Außerdem &#x017F;ieht man am Rücken zwei neben einander<lb/>
liegende, durch den ganzen Körper verlaufende, ebenfalls rothbraun gefärbte Linien und einen<lb/>
in der Mitte des Körpers liegenden dunklen Fleck; die&#x017F;er letztere ent&#x017F;pricht der Lage des Schlund-<lb/>&#x017F;&#x017F;els. Die beiden Augen am Kopfende &#x017F;ind &#x017F;ehr markirt.</p><lb/>
                <p>Der Armuth an die&#x017F;en Formen bei uns gegenüber &#x201E;haben uns&#x201C;, &#x017F;agt <hi rendition="#g">Max Schultze,</hi> &#x201E;die<lb/>
Reifen des engli&#x017F;chen For&#x017F;chers <hi rendition="#g">Charles Darwin</hi> mit einer reichen Fauna von Landplanarien<lb/>
in den feuchten Urwaldregionen Südamerikas bekannt gemacht. Mußte zunäch&#x017F;t die Eigenthümlich-<lb/>
keit des Vorkommens überra&#x017F;chen, daß Würmer aus der Ordnung der Turbellarien, die wir in<lb/>
un&#x017F;eren Gegenden nur im Wa&#x017F;&#x017F;er zu finden gewohnt &#x017F;ind, und welche ihres äußer&#x017F;t weichen,<lb/>
zarten und aller fe&#x017F;ten Stützen entbehrenden Körperparenchyms willen aus&#x017F;chließlich in die&#x017F;em<lb/>
Stadium zu leben be&#x017F;timmt zu &#x017F;ein &#x017F;cheinen, in zahlreichen Arten als Landbewohner auftreten,<lb/>
&#x017F;o wurde nicht weniger un&#x017F;er Jntere&#x017F;&#x017F;e in An&#x017F;pruch genommen durch die Angaben über die<lb/>
an&#x017F;ehnliche Größe die&#x017F;er Thiere, den bunten Farben&#x017F;chmuck, die nemertinenartige Ge&#x017F;talt verbunden<lb/>
mit der inneren Organi&#x017F;ation der Planarien un&#x017F;erer &#x017F;üßen Gewä&#x017F;&#x017F;er&#x201C;. Das Verlangen nach<lb/>
näheren Mittheilungen über die Naturge&#x017F;chichte die&#x017F;er Urwaldbewohner wurde, &#x017F;oweit es ihm<lb/>
unter den be&#x017F;chränkten Verhältni&#x017F;&#x017F;en eines mit der Art &#x017F;ich an&#x017F;ä&#x017F;&#x017F;ig machenden Auswanderers<lb/>
möglich war, durch un&#x017F;eren Freund Fr. <hi rendition="#g">Müller</hi> befriedigt, der dreizehn Arten der merkwürdigen<lb/>
Landplanarien theils in der Nähe der Colonie Blumenau, theils in Desterro beobachtete. Sie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Ta&#x017F;chenberg</hi> und <hi rendition="#g">Schmidt,</hi> wirbello&#x017F;e Thiere. (<hi rendition="#g">Brehm,</hi> Thierleben <hi rendition="#aq">VI.</hi>) 47</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[737/0781] Planaria. Polycelis. Geoplana. Geodesmus. Cephalonien abgegeben. Die Stadt Argoſtoli liegt an einem, in ſeinem blinden Ende ſich ſehr ver- flachenden Meerbuſen, deſſen Grund dicht bedeckt iſt mit Schwämmen und Tangen. Jch ließ mir durch einen darin herumwatenden Fiſcher einen Haufen Tang herauswerfen, nahm denſelben ohne alle Sorgfalt gepackt mit in die Wohnung und that dann kleinere Partieen in ein Gefäß. Nach wenigen Minuten kamen die Planarien unverſehrt hervorgeſchwommen. Ohne Frage gehören dieſe Gattungen (Thysanozoon, Leptoplana etc.) zu den lieblichſten der Meeresbewohner. Sie beginnen jedoch erſt im Mittelmeere mit einer größeren Manchfaltigkeit und verleihen mit anderen niederen Organismen den klaſſiſchen Ufern von Neapel und Sicilien für den Naturforſcher noch eine beſondere Anziehungskraft. Auch die ſtille Bai von Villafranca bei Nizza läßt den Freund dieſer niederen, verborgenen Thierwelt nie leer an den öden Strand der Stadt Nizza zurückkehren. Mit vielen ſchönen Formen aus den ſüdlichen Meeren hat uns Schmarda bekannt gemacht. Eine beſondere Erwähnung verdienen die Landplanarien, welche vorläufig unter dem Namen Geoplana zuſammengefaßt werden. Schon im vorigen Jahrhundert entdeckte der berühmte däniſche Zoolog Otto Friedrich Müller eine auf dem Lande unter Steinen in feuchter Erde lebende Art, welche er Landplanarie, Planaria terrestris, nannte. Dieſelbe beſitzt einen faſt cylindriſchen, nur von der Bauchſeite etwas abgeplatteten, 8 Linien langen, ⅔ Linien breiten Körper, iſt oben ſchwärzlich grau, unten weiß gefärbt und läßt am vorderen Ende zwei kleine ſchwarze Augenflecke erkennen. Nur wenige Male wurde dieſes Thier in Frankreich und Deutſch- land wieder gefunden, und offenbar ſind dieſe gemäßigten Striche gerade dieſen Weſen nicht günſtig. Nur noch eine einzige Species iſt in Deutſchland entdeckt worden und zwar zu Gießen in Blumen- töpfen des Warmhauſes des botaniſchen Gartens, beſchrieben als Geodesmus bilineatus. Wenn die Erde in den Blumentöpfen nicht feucht genug iſt, kriecht das Thier in die Tiefe, ſobald aber die Erde von Neuem begoſſen wird, kommt es wieder an die Oberfläche, mit dem Vorderkörper nach der Umgebung taſtend. Die größten [Abbildung Geodesmus billneatus.] Exemplare ſind 5 Linien lang. Der Rücken iſt ſchmuziggelb gefärbt und enthält noch eine zweite marmorirte rothbraune Färbung. Außerdem ſieht man am Rücken zwei neben einander liegende, durch den ganzen Körper verlaufende, ebenfalls rothbraun gefärbte Linien und einen in der Mitte des Körpers liegenden dunklen Fleck; dieſer letztere entſpricht der Lage des Schlund- rüſſels. Die beiden Augen am Kopfende ſind ſehr markirt. Der Armuth an dieſen Formen bei uns gegenüber „haben uns“, ſagt Max Schultze, „die Reifen des engliſchen Forſchers Charles Darwin mit einer reichen Fauna von Landplanarien in den feuchten Urwaldregionen Südamerikas bekannt gemacht. Mußte zunächſt die Eigenthümlich- keit des Vorkommens überraſchen, daß Würmer aus der Ordnung der Turbellarien, die wir in unſeren Gegenden nur im Waſſer zu finden gewohnt ſind, und welche ihres äußerſt weichen, zarten und aller feſten Stützen entbehrenden Körperparenchyms willen ausſchließlich in dieſem Stadium zu leben beſtimmt zu ſein ſcheinen, in zahlreichen Arten als Landbewohner auftreten, ſo wurde nicht weniger unſer Jntereſſe in Anſpruch genommen durch die Angaben über die anſehnliche Größe dieſer Thiere, den bunten Farbenſchmuck, die nemertinenartige Geſtalt verbunden mit der inneren Organiſation der Planarien unſerer ſüßen Gewäſſer“. Das Verlangen nach näheren Mittheilungen über die Naturgeſchichte dieſer Urwaldbewohner wurde, ſoweit es ihm unter den beſchränkten Verhältniſſen eines mit der Art ſich anſäſſig machenden Auswanderers möglich war, durch unſeren Freund Fr. Müller befriedigt, der dreizehn Arten der merkwürdigen Landplanarien theils in der Nähe der Colonie Blumenau, theils in Desterro beobachtete. Sie Taſchenberg und Schmidt, wirbelloſe Thiere. (Brehm, Thierleben VI.) 47

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/781
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 737. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/781>, abgerufen am 19.04.2024.