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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869.

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Muscheln.
in ihr unterrichten kann. Natürlich ist es unumgänglich nothwendig, zu wissen, welche Gegenden
an der Muschel man mit oben und unten, Rücken und Bauch, Vorder- und Hinterende bezeichnen
soll. Jn Uebereinstimmung mit dem, was sich aus der anatomischen Betrachtung des Thieres
ergab, nennen wir den Rand, an welchem das Ligament sich befindet, den Rückenrand, den
[Abbildung] Cytherea maculata. Linke Schalenhälfte von innen.
entgegengesetzten den Bauchrand. Die vor-
dere Seite liegt vor den Wirbeln und ist
gewöhnlich mehr abgerundet als die hintere,
für welche der hinter dem Ligament befindliche
abfallende Rand übrig bleibt. Jn der Ab-
bildung ist also c der Wirbel, d Bauchrand,
a Vorderende, b Hinterende.

Wo das Ligament beide Schalen vereinigt,
besitzen dieselben oft zahnartige Vorsprünge,
welche in einander greifen, wie ein Charnier.
Die ganze Verbindung der beiden Schalen durch
Band und Charnier heißt Schloß. Zu den
wichtigen Kennzeichen und systematischen Be-
stimmungscharakteren der Muscheln gehören auch
verschiedene Eindrücke und Zeichnungen auf der
Jnnenseite der Schalen. Die Muskeleindrücke (m, m') sind schon genannt. Sehr auffallend ist
auch der Manteleindruck, welcher gemeiniglich dem Bauchrande parallel von einem Schließmuskel-
eindruck zum anderen verläuft. Alle Muscheln aber, welche Athemröhren und Afterröhren besitzen,
zeigen den Eindruck des Ansatzes der Muskeln, welche diese Röhren zurückziehen in Gestalt einer
hinten offenen Bucht des Mantelrandes (n).

Wenn wir uns gegenwärtig halten, daß bei der ausnahmslosen Einförmigkeit der Nahrungs-
aufnahme durch die Wimperthätigkeit der für die Ausbildung des Baues und der verschiedenartigsten
Lebensäußerungen so wichtige Unterschied von Pflanzen- und Fleischfressern eigentlich ganz wegfällt,
daß das Nervensystem und die Sinneswerkzeuge, deren Entfaltung so viele Abwechslung in die
Erscheinung der höheren Thiere bringt, hier in die engsten Form- und Entwicklungsgränzen gebannt
ist, daß nicht einmal die Zeit der Fortpflanzung und der Brut eine erhöhte äußere Lebendigkeit
zu wege bringt und die Muscheln, so zu sagen, aus ihrem apathischen Alltagsleben aufzurütteln im
Stande ist, so schwindet von vorn hinein die Aussicht auf den bunten Wechsel jener äußeren
Lebensverrichtungen, welche in anderen Thierkreisen an die Manchfaltigkeit der Lebensbedürfnisse
geknüpft sind. Die innere Eintönigkeit der Muschelthiere macht aber auch ferner ihre systematische
Behandlung außerordentlich schwierig. So fern uns auch ein eigentliches Eindringen in diese Seite
der Naturgeschichte liegt, so wenig haben wir uns doch eines allgemeinen Einblickes in die Ueber-
und Unterordnung der Thiergruppen als des Resultates der Erkenntniß aller ihrer inneren und
äußeren Lebensverhältnisse entschlagen können. Daß die 4500 bekannten lebenden Muscheln in
Form und Tracht gar sehr auseinander gehen, erwarten wir; ihr innerer Zusammenhang liegt
so weit ganz auf der Hand, als das Schema ihres Baues sich wesentlich gleich bleibt; wie sie
aber verwandtschaftlich von einander abzuleiten seien, in welcher Weise zu gruppiren, ist unklar.
Wir sehen nur eine Menge, zum Theil höchst merkwürdiger Anpassungen an äußere Verhältnisse,
wodurch Schalen, Fuß und Mantel in erster Reihe umgemodelt werden. Wir müssen aber doch
versuchen, einige Gesichtspunkte zur Beurtheilung der größeren oder minderen Vollkommenheit
einer Muschel zu gewinnen und halten uns dabei an einige der allerbekanntesten Formen. Wir
nehmen irgend eine Fluß- oder Teichmuschel (Unio, Anodonta), die uns oben zur Erörterung
des Baues gedient hat, und eine Auster. Die Schale der Flußmuschel erscheint als die voll-
kommnere wegen ihrer harmonischen Ausbildung, Glätte, Nettigkeit und Abgeschlossenheit. Die

Muſcheln.
in ihr unterrichten kann. Natürlich iſt es unumgänglich nothwendig, zu wiſſen, welche Gegenden
an der Muſchel man mit oben und unten, Rücken und Bauch, Vorder- und Hinterende bezeichnen
ſoll. Jn Uebereinſtimmung mit dem, was ſich aus der anatomiſchen Betrachtung des Thieres
ergab, nennen wir den Rand, an welchem das Ligament ſich befindet, den Rückenrand, den
[Abbildung] Cytherea maculata. Linke Schalenhälfte von innen.
entgegengeſetzten den Bauchrand. Die vor-
dere Seite liegt vor den Wirbeln und iſt
gewöhnlich mehr abgerundet als die hintere,
für welche der hinter dem Ligament befindliche
abfallende Rand übrig bleibt. Jn der Ab-
bildung iſt alſo c der Wirbel, d Bauchrand,
a Vorderende, b Hinterende.

Wo das Ligament beide Schalen vereinigt,
beſitzen dieſelben oft zahnartige Vorſprünge,
welche in einander greifen, wie ein Charnier.
Die ganze Verbindung der beiden Schalen durch
Band und Charnier heißt Schloß. Zu den
wichtigen Kennzeichen und ſyſtematiſchen Be-
ſtimmungscharakteren der Muſcheln gehören auch
verſchiedene Eindrücke und Zeichnungen auf der
Jnnenſeite der Schalen. Die Muskeleindrücke (m, m′) ſind ſchon genannt. Sehr auffallend iſt
auch der Manteleindruck, welcher gemeiniglich dem Bauchrande parallel von einem Schließmuskel-
eindruck zum anderen verläuft. Alle Muſcheln aber, welche Athemröhren und Afterröhren beſitzen,
zeigen den Eindruck des Anſatzes der Muskeln, welche dieſe Röhren zurückziehen in Geſtalt einer
hinten offenen Bucht des Mantelrandes (n).

Wenn wir uns gegenwärtig halten, daß bei der ausnahmsloſen Einförmigkeit der Nahrungs-
aufnahme durch die Wimperthätigkeit der für die Ausbildung des Baues und der verſchiedenartigſten
Lebensäußerungen ſo wichtige Unterſchied von Pflanzen- und Fleiſchfreſſern eigentlich ganz wegfällt,
daß das Nervenſyſtem und die Sinneswerkzeuge, deren Entfaltung ſo viele Abwechslung in die
Erſcheinung der höheren Thiere bringt, hier in die engſten Form- und Entwicklungsgränzen gebannt
iſt, daß nicht einmal die Zeit der Fortpflanzung und der Brut eine erhöhte äußere Lebendigkeit
zu wege bringt und die Muſcheln, ſo zu ſagen, aus ihrem apathiſchen Alltagsleben aufzurütteln im
Stande iſt, ſo ſchwindet von vorn hinein die Ausſicht auf den bunten Wechſel jener äußeren
Lebensverrichtungen, welche in anderen Thierkreiſen an die Manchfaltigkeit der Lebensbedürfniſſe
geknüpft ſind. Die innere Eintönigkeit der Muſchelthiere macht aber auch ferner ihre ſyſtematiſche
Behandlung außerordentlich ſchwierig. So fern uns auch ein eigentliches Eindringen in dieſe Seite
der Naturgeſchichte liegt, ſo wenig haben wir uns doch eines allgemeinen Einblickes in die Ueber-
und Unterordnung der Thiergruppen als des Reſultates der Erkenntniß aller ihrer inneren und
äußeren Lebensverhältniſſe entſchlagen können. Daß die 4500 bekannten lebenden Muſcheln in
Form und Tracht gar ſehr auseinander gehen, erwarten wir; ihr innerer Zuſammenhang liegt
ſo weit ganz auf der Hand, als das Schema ihres Baues ſich weſentlich gleich bleibt; wie ſie
aber verwandtſchaftlich von einander abzuleiten ſeien, in welcher Weiſe zu gruppiren, iſt unklar.
Wir ſehen nur eine Menge, zum Theil höchſt merkwürdiger Anpaſſungen an äußere Verhältniſſe,
wodurch Schalen, Fuß und Mantel in erſter Reihe umgemodelt werden. Wir müſſen aber doch
verſuchen, einige Geſichtspunkte zur Beurtheilung der größeren oder minderen Vollkommenheit
einer Muſchel zu gewinnen und halten uns dabei an einige der allerbekannteſten Formen. Wir
nehmen irgend eine Fluß- oder Teichmuſchel (Unio, Anodonta), die uns oben zur Erörterung
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kommnere wegen ihrer harmoniſchen Ausbildung, Glätte, Nettigkeit und Abgeſchloſſenheit. Die

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[896/0944] Muſcheln. in ihr unterrichten kann. Natürlich iſt es unumgänglich nothwendig, zu wiſſen, welche Gegenden an der Muſchel man mit oben und unten, Rücken und Bauch, Vorder- und Hinterende bezeichnen ſoll. Jn Uebereinſtimmung mit dem, was ſich aus der anatomiſchen Betrachtung des Thieres ergab, nennen wir den Rand, an welchem das Ligament ſich befindet, den Rückenrand, den [Abbildung Cytherea maculata. Linke Schalenhälfte von innen.] entgegengeſetzten den Bauchrand. Die vor- dere Seite liegt vor den Wirbeln und iſt gewöhnlich mehr abgerundet als die hintere, für welche der hinter dem Ligament befindliche abfallende Rand übrig bleibt. Jn der Ab- bildung iſt alſo c der Wirbel, d Bauchrand, a Vorderende, b Hinterende. Wo das Ligament beide Schalen vereinigt, beſitzen dieſelben oft zahnartige Vorſprünge, welche in einander greifen, wie ein Charnier. Die ganze Verbindung der beiden Schalen durch Band und Charnier heißt Schloß. Zu den wichtigen Kennzeichen und ſyſtematiſchen Be- ſtimmungscharakteren der Muſcheln gehören auch verſchiedene Eindrücke und Zeichnungen auf der Jnnenſeite der Schalen. Die Muskeleindrücke (m, m′) ſind ſchon genannt. Sehr auffallend iſt auch der Manteleindruck, welcher gemeiniglich dem Bauchrande parallel von einem Schließmuskel- eindruck zum anderen verläuft. Alle Muſcheln aber, welche Athemröhren und Afterröhren beſitzen, zeigen den Eindruck des Anſatzes der Muskeln, welche dieſe Röhren zurückziehen in Geſtalt einer hinten offenen Bucht des Mantelrandes (n). Wenn wir uns gegenwärtig halten, daß bei der ausnahmsloſen Einförmigkeit der Nahrungs- aufnahme durch die Wimperthätigkeit der für die Ausbildung des Baues und der verſchiedenartigſten Lebensäußerungen ſo wichtige Unterſchied von Pflanzen- und Fleiſchfreſſern eigentlich ganz wegfällt, daß das Nervenſyſtem und die Sinneswerkzeuge, deren Entfaltung ſo viele Abwechslung in die Erſcheinung der höheren Thiere bringt, hier in die engſten Form- und Entwicklungsgränzen gebannt iſt, daß nicht einmal die Zeit der Fortpflanzung und der Brut eine erhöhte äußere Lebendigkeit zu wege bringt und die Muſcheln, ſo zu ſagen, aus ihrem apathiſchen Alltagsleben aufzurütteln im Stande iſt, ſo ſchwindet von vorn hinein die Ausſicht auf den bunten Wechſel jener äußeren Lebensverrichtungen, welche in anderen Thierkreiſen an die Manchfaltigkeit der Lebensbedürfniſſe geknüpft ſind. Die innere Eintönigkeit der Muſchelthiere macht aber auch ferner ihre ſyſtematiſche Behandlung außerordentlich ſchwierig. So fern uns auch ein eigentliches Eindringen in dieſe Seite der Naturgeſchichte liegt, ſo wenig haben wir uns doch eines allgemeinen Einblickes in die Ueber- und Unterordnung der Thiergruppen als des Reſultates der Erkenntniß aller ihrer inneren und äußeren Lebensverhältniſſe entſchlagen können. Daß die 4500 bekannten lebenden Muſcheln in Form und Tracht gar ſehr auseinander gehen, erwarten wir; ihr innerer Zuſammenhang liegt ſo weit ganz auf der Hand, als das Schema ihres Baues ſich weſentlich gleich bleibt; wie ſie aber verwandtſchaftlich von einander abzuleiten ſeien, in welcher Weiſe zu gruppiren, iſt unklar. Wir ſehen nur eine Menge, zum Theil höchſt merkwürdiger Anpaſſungen an äußere Verhältniſſe, wodurch Schalen, Fuß und Mantel in erſter Reihe umgemodelt werden. Wir müſſen aber doch verſuchen, einige Geſichtspunkte zur Beurtheilung der größeren oder minderen Vollkommenheit einer Muſchel zu gewinnen und halten uns dabei an einige der allerbekannteſten Formen. Wir nehmen irgend eine Fluß- oder Teichmuſchel (Unio, Anodonta), die uns oben zur Erörterung des Baues gedient hat, und eine Auſter. Die Schale der Flußmuſchel erſcheint als die voll- kommnere wegen ihrer harmoniſchen Ausbildung, Glätte, Nettigkeit und Abgeſchloſſenheit. Die

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 6. Hildburghausen, 1869, S. 896. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben06_1869/944>, abgerufen am 28.03.2024.