Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Betrachtung.
Betrachtung.
Man kan demnach recht klar und deutlich sehn,
Was Cörper, die man fühlt, und woraus sie bestehn,
Die uns so mancherley Bewegungen erwecken,
Die warm sind und die kalt, hart, flüssig, die im Schmecken
Und im Geruch Vergnügen bringen:
Die sichtbar sind, auch die, woraus die Tön' entspringen.
Es sind nur Nahmen bloß allein,
So dem Gefühl gegeben seyn,
Die der so zarten Cörperlein
Verschiednen Druck, verschiedentlich Bewegen,
Jn uns erregen.


Jsts möglich daß der Geist sich lässt so sehr bethören,
Daß er sich bloß allein an grobe Schatten hält?
An statt zum Höchsten HERRN und SCHOEPFFER
aller Welt,
Jn Seines reinen Lichts Erkenntniß sich zu kehren?
Wird nicht in allen dem, was uns umgiebt, verspüret
Die Hand Desjenigen, der alles lenckt und führet?
Bleibt er, da alle Ding' ihm GOTT entdecken,
Dennoch in seiner Blindheit stecken?
Man sieht das reine Gold und Blau des Himmels an:
Der schöne Glantz hat nichts, das uns vergnügen kan.
Man achtet nichts, als Reichthum nur.
Man sucht in Jndien unnützer Schätze Spur.
Man nimmt so manche Noth und Pein,
So mancherley Gefahr auf sich, um die zu finden,
Die in der Erden tieffen Gründen,
Verholen und verborgen seyn.
Man
C c 4
Betrachtung.
Betrachtung.
Man kan demnach recht klar und deutlich ſehn,
Was Coͤrper, die man fuͤhlt, und woraus ſie beſtehn,
Die uns ſo mancherley Bewegungen erwecken,
Die warm ſind und die kalt, hart, fluͤſſig, die im Schmecken
Und im Geruch Vergnuͤgen bringen:
Die ſichtbar ſind, auch die, woraus die Toͤn’ entſpringen.
Es ſind nur Nahmen bloß allein,
So dem Gefuͤhl gegeben ſeyn,
Die der ſo zarten Coͤrperlein
Verſchiednen Druck, verſchiedentlich Bewegen,
Jn uns erregen.


Jſts moͤglich daß der Geiſt ſich laͤſſt ſo ſehr bethoͤren,
Daß er ſich bloß allein an grobe Schatten haͤlt?
An ſtatt zum Hoͤchſten HERRN und SCHOEPFFER
aller Welt,
Jn Seines reinen Lichts Erkenntniß ſich zu kehren?
Wird nicht in allen dem, was uns umgiebt, verſpuͤret
Die Hand Desjenigen, der alles lenckt und fuͤhret?
Bleibt er, da alle Ding’ ihm GOTT entdecken,
Dennoch in ſeiner Blindheit ſtecken?
Man ſieht das reine Gold und Blau des Himmels an:
Der ſchoͤne Glantz hat nichts, das uns vergnuͤgen kan.
Man achtet nichts, als Reichthum nur.
Man ſucht in Jndien unnuͤtzer Schaͤtze Spur.
Man nimmt ſo manche Noth und Pein,
So mancherley Gefahr auf ſich, um die zu finden,
Die in der Erden tieffen Gruͤnden,
Verholen und verborgen ſeyn.
Man
C c 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0437" n="407"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Betrachtung.</hi> </fw><lb/>
            <div n="3">
              <head> <hi rendition="#b">Betrachtung.</hi> </head><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">M</hi>an kan demnach recht klar und deutlich &#x017F;ehn,</l><lb/>
                <l>Was Co&#x0364;rper, die man fu&#x0364;hlt, und woraus &#x017F;ie be&#x017F;tehn,</l><lb/>
                <l>Die uns &#x017F;o mancherley Bewegungen erwecken,</l><lb/>
                <l>Die warm &#x017F;ind und die kalt, hart, flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig, die im Schmecken</l><lb/>
                <l>Und im Geruch Vergnu&#x0364;gen bringen:</l><lb/>
                <l>Die &#x017F;ichtbar &#x017F;ind, auch die, woraus die To&#x0364;n&#x2019; ent&#x017F;pringen.</l><lb/>
                <l>Es &#x017F;ind nur Nahmen bloß allein,</l><lb/>
                <l>So dem Gefu&#x0364;hl gegeben &#x017F;eyn,</l><lb/>
                <l>Die der &#x017F;o zarten Co&#x0364;rperlein</l><lb/>
                <l>Ver&#x017F;chiednen Druck, ver&#x017F;chiedentlich Bewegen,</l><lb/>
                <l>Jn uns erregen.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">J</hi>&#x017F;ts mo&#x0364;glich daß der Gei&#x017F;t &#x017F;ich la&#x0364;&#x017F;&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;ehr betho&#x0364;ren,</l><lb/>
                <l>Daß er &#x017F;ich bloß allein an grobe Schatten ha&#x0364;lt?</l><lb/>
                <l>An &#x017F;tatt zum Ho&#x0364;ch&#x017F;ten <hi rendition="#g">HERRN</hi> und SCHOEPFFER</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">aller Welt,</hi> </l><lb/>
                <l>Jn Seines reinen Lichts Erkenntniß &#x017F;ich zu kehren?</l><lb/>
                <l>Wird nicht in allen dem, was uns umgiebt, ver&#x017F;pu&#x0364;ret</l><lb/>
                <l>Die Hand <hi rendition="#fr">Desjenigen,</hi> der alles lenckt und fu&#x0364;hret?</l><lb/>
                <l>Bleibt er, da alle Ding&#x2019; ihm GOTT entdecken,</l><lb/>
                <l>Dennoch in &#x017F;einer Blindheit &#x017F;tecken?</l><lb/>
                <l>Man &#x017F;ieht das reine Gold und Blau des Himmels an:</l><lb/>
                <l>Der &#x017F;cho&#x0364;ne Glantz hat nichts, das uns vergnu&#x0364;gen kan.</l><lb/>
                <l>Man achtet nichts, als Reichthum nur.</l><lb/>
                <l>Man &#x017F;ucht in Jndien unnu&#x0364;tzer Scha&#x0364;tze Spur.</l><lb/>
                <l>Man nimmt &#x017F;o manche Noth und Pein,</l><lb/>
                <l>So mancherley Gefahr auf &#x017F;ich, um die zu finden,</l><lb/>
                <l>Die in der Erden tieffen Gru&#x0364;nden,</l><lb/>
                <l>Verholen und verborgen &#x017F;eyn.</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">C c 4</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Man</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[407/0437] Betrachtung. Betrachtung. Man kan demnach recht klar und deutlich ſehn, Was Coͤrper, die man fuͤhlt, und woraus ſie beſtehn, Die uns ſo mancherley Bewegungen erwecken, Die warm ſind und die kalt, hart, fluͤſſig, die im Schmecken Und im Geruch Vergnuͤgen bringen: Die ſichtbar ſind, auch die, woraus die Toͤn’ entſpringen. Es ſind nur Nahmen bloß allein, So dem Gefuͤhl gegeben ſeyn, Die der ſo zarten Coͤrperlein Verſchiednen Druck, verſchiedentlich Bewegen, Jn uns erregen. Jſts moͤglich daß der Geiſt ſich laͤſſt ſo ſehr bethoͤren, Daß er ſich bloß allein an grobe Schatten haͤlt? An ſtatt zum Hoͤchſten HERRN und SCHOEPFFER aller Welt, Jn Seines reinen Lichts Erkenntniß ſich zu kehren? Wird nicht in allen dem, was uns umgiebt, verſpuͤret Die Hand Desjenigen, der alles lenckt und fuͤhret? Bleibt er, da alle Ding’ ihm GOTT entdecken, Dennoch in ſeiner Blindheit ſtecken? Man ſieht das reine Gold und Blau des Himmels an: Der ſchoͤne Glantz hat nichts, das uns vergnuͤgen kan. Man achtet nichts, als Reichthum nur. Man ſucht in Jndien unnuͤtzer Schaͤtze Spur. Man nimmt ſo manche Noth und Pein, So mancherley Gefahr auf ſich, um die zu finden, Die in der Erden tieffen Gruͤnden, Verholen und verborgen ſeyn. Man C c 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/437
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/437>, abgerufen am 25.04.2024.