Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Vom Ursprunge der Welt.
Was Geister seyn, was Wesen, welche dencken,
Und wie ein Vorwurf kann die Sinne lencken,
Durch welche Handlungen, bald kräfftig und bald zart,
Auf so verschiedne Art,
Die Seele sich beweget, fühlet.
Und dieses ist worauf mein Dichten zielet;
Der würckenden Natur verborgne Künste,
Geheimes, zärtliches Gespinste
Zu zeigen, damit ein Gemüht
Das sehe, was kein Auge sieht.
Vom Ursprunge der Welt.
Den ersten Augenblick, wenn unser Auge schaut
Der Gegenwürffe Zahl, die wir begreiffen wollen,
Erfodert es das Recht, daß wir uns fragen sollen:
Was ist die Welt? Durch wen, und wie ward sie gebaut,
Und in den Stand gesetzt? Ohn Anfangs gleich zu gehn
Zur Heilgen Schrifft, zu fassen diese Wahrheit;
Gebrauche man zuerst, um dieses zu verstehn,
Des menschlichen Verstandes Licht und Klarheit.
Es leget selbiger uns hier,
Von sonderer Beschaffenheit,
Die allergröste Aufgab für:
Wie ward die Welt? Jst sie von Ewigkeit?


Es wanckt der Geist auf beyden Seiten,
Wenn mit dem Alterthum zu streiten,
Ob unsre Welt zu seyn einst angefangen?
Wie, oder ob die Dau'r der Welt von Ewigkeit?
Die Frage, welche man bekämpfft so lange Zeit,
Jst aller Menschen Witz von je her übergangen.
Die
B 3
Vom Urſprunge der Welt.
Was Geiſter ſeyn, was Weſen, welche dencken,
Und wie ein Vorwurf kann die Sinne lencken,
Durch welche Handlungen, bald kraͤfftig und bald zart,
Auf ſo verſchiedne Art,
Die Seele ſich beweget, fuͤhlet.
Und dieſes iſt worauf mein Dichten zielet;
Der wuͤrckenden Natur verborgne Kuͤnſte,
Geheimes, zaͤrtliches Geſpinſte
Zu zeigen, damit ein Gemuͤht
Das ſehe, was kein Auge ſieht.
Vom Urſprunge der Welt.
Den erſten Augenblick, wenn unſer Auge ſchaut
Der Gegenwuͤrffe Zahl, die wir begreiffen wollen,
Erfodert es das Recht, daß wir uns fragen ſollen:
Was iſt die Welt? Durch wen, und wie ward ſie gebaut,
Und in den Stand geſetzt? Ohn Anfangs gleich zu gehn
Zur Heilgen Schrifft, zu faſſen dieſe Wahrheit;
Gebrauche man zuerſt, um dieſes zu verſtehn,
Des menſchlichen Verſtandes Licht und Klarheit.
Es leget ſelbiger uns hier,
Von ſonderer Beſchaffenheit,
Die allergroͤſte Aufgab fuͤr:
Wie ward die Welt? Jſt ſie von Ewigkeit?


Es wanckt der Geiſt auf beyden Seiten,
Wenn mit dem Alterthum zu ſtreiten,
Ob unſre Welt zu ſeyn einſt angefangen?
Wie, oder ob die Dau’r der Welt von Ewigkeit?
Die Frage, welche man bekaͤmpfft ſo lange Zeit,
Jſt aller Menſchen Witz von je her uͤbergangen.
Die
B 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0051" n="21"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vom Ur&#x017F;prunge der Welt.</hi> </fw><lb/>
              <lg type="poem">
                <l>Was Gei&#x017F;ter &#x017F;eyn, was We&#x017F;en, welche dencken,</l><lb/>
                <l>Und wie ein Vorwurf kann die Sinne lencken,</l><lb/>
                <l>Durch welche Handlungen, bald kra&#x0364;fftig und bald zart,</l><lb/>
                <l>Auf &#x017F;o ver&#x017F;chiedne Art,</l><lb/>
                <l>Die Seele &#x017F;ich beweget, fu&#x0364;hlet.</l><lb/>
                <l>Und die&#x017F;es i&#x017F;t worauf mein Dichten zielet;</l><lb/>
                <l>Der wu&#x0364;rckenden Natur verborgne Ku&#x0364;n&#x017F;te,</l><lb/>
                <l>Geheimes, za&#x0364;rtliches Ge&#x017F;pin&#x017F;te</l><lb/>
                <l>Zu zeigen, damit ein Gemu&#x0364;ht</l><lb/>
                <l>Das &#x017F;ehe, was kein Auge &#x017F;ieht.</l>
              </lg>
            </div><lb/>
            <div n="3">
              <head> <hi rendition="#b">Vom Ur&#x017F;prunge der Welt.</hi> </head><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">D</hi>en er&#x017F;ten Augenblick, wenn un&#x017F;er Auge &#x017F;chaut</l><lb/>
                <l>Der Gegenwu&#x0364;rffe Zahl, die wir begreiffen wollen,</l><lb/>
                <l>Erfodert es das Recht, daß wir uns fragen &#x017F;ollen:</l><lb/>
                <l>Was i&#x017F;t die Welt? Durch wen, und wie ward &#x017F;ie gebaut,</l><lb/>
                <l>Und in den Stand ge&#x017F;etzt? Ohn Anfangs gleich zu gehn</l><lb/>
                <l>Zur Heilgen Schrifft, zu fa&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;e Wahrheit;</l><lb/>
                <l>Gebrauche man zuer&#x017F;t, um die&#x017F;es zu ver&#x017F;tehn,</l><lb/>
                <l>Des men&#x017F;chlichen Ver&#x017F;tandes Licht und Klarheit.</l><lb/>
                <l>Es leget &#x017F;elbiger uns hier,</l><lb/>
                <l>Von &#x017F;onderer Be&#x017F;chaffenheit,</l><lb/>
                <l>Die allergro&#x0364;&#x017F;te Aufgab fu&#x0364;r:</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr">Wie ward die Welt? J&#x017F;t &#x017F;ie von Ewigkeit?</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">E</hi>s wanckt der Gei&#x017F;t auf beyden Seiten,</l><lb/>
                <l>Wenn mit dem Alterthum zu &#x017F;treiten,</l><lb/>
                <l>Ob un&#x017F;re Welt zu &#x017F;eyn ein&#x017F;t angefangen?</l><lb/>
                <l>Wie, oder ob die Dau&#x2019;r der Welt von Ewigkeit?</l><lb/>
                <l>Die Frage, welche man beka&#x0364;mpfft &#x017F;o lange Zeit,</l><lb/>
                <l>J&#x017F;t aller Men&#x017F;chen Witz von je her u&#x0364;bergangen.</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">B 3</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0051] Vom Urſprunge der Welt. Was Geiſter ſeyn, was Weſen, welche dencken, Und wie ein Vorwurf kann die Sinne lencken, Durch welche Handlungen, bald kraͤfftig und bald zart, Auf ſo verſchiedne Art, Die Seele ſich beweget, fuͤhlet. Und dieſes iſt worauf mein Dichten zielet; Der wuͤrckenden Natur verborgne Kuͤnſte, Geheimes, zaͤrtliches Geſpinſte Zu zeigen, damit ein Gemuͤht Das ſehe, was kein Auge ſieht. Vom Urſprunge der Welt. Den erſten Augenblick, wenn unſer Auge ſchaut Der Gegenwuͤrffe Zahl, die wir begreiffen wollen, Erfodert es das Recht, daß wir uns fragen ſollen: Was iſt die Welt? Durch wen, und wie ward ſie gebaut, Und in den Stand geſetzt? Ohn Anfangs gleich zu gehn Zur Heilgen Schrifft, zu faſſen dieſe Wahrheit; Gebrauche man zuerſt, um dieſes zu verſtehn, Des menſchlichen Verſtandes Licht und Klarheit. Es leget ſelbiger uns hier, Von ſonderer Beſchaffenheit, Die allergroͤſte Aufgab fuͤr: Wie ward die Welt? Jſt ſie von Ewigkeit? Es wanckt der Geiſt auf beyden Seiten, Wenn mit dem Alterthum zu ſtreiten, Ob unſre Welt zu ſeyn einſt angefangen? Wie, oder ob die Dau’r der Welt von Ewigkeit? Die Frage, welche man bekaͤmpfft ſo lange Zeit, Jſt aller Menſchen Witz von je her uͤbergangen. Die B 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/51
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/51>, abgerufen am 28.03.2024.