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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

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geachtet, ließ er sich einfallen, zu entwischen, ward aber
gleich darauf von dem Marschall Villeroy mit einer
Wache zurück geschickt, worauf er unter Begleitung ei-
nes Sergeanten nur in der Stadt herum gehen durfte.

Merkwürdi-
ge Geschich-
te mit des
Verf. Wir-
thinn.

Jn dem Hause, in welchem ich mit dem Obersten
logierte, hörte ich eine merkwürdige Geschichte, wel-
che sich zwischen unsrer Wirthinn und ihrem ersten
Manne zugetragen hatte, welcher aus dieser Stadt ge-
bürtig gewesen war. Er hieß Niepels, war Haupt-
mann unter einem Holländischen Dragoner-Regimen-
te, und ward mit ihr im Haag bekannt, wo sie eines
Kaufmanns Tochter war, da er sie unter dem Ver-
sprechen der Ehe verführte, und sie schwanger verließ.
Jhr Vater war so aufgebracht über sie, daß er sie
aus dem Hause stieß; allein eine Tante hatte Mitlei-
den mit ihr, behielt sie bey sich, bis sie niedergekom-
men war, und gab ihr hernach ein wenig Geld, mit
welchem sie sich, ohne von jemand erkannt zu werden,
Mannskleider und ein Pferd kaufte, und sich als ei-
nen Freywilligen bey des Capitän Niepels Compagnie
annehmen ließ. Hier blieb sie eine Zeitlang, und
der Capitän sagte mehrmahls zu seinem unbekannten
Freywilligen, daß er einer seiner alten Liebsten sehr
ähnlich sähe, ohne den geringsten Verdacht zu haben,
daß er es selbst war. Sie blieb bey der Compagnie
bis zu Ende des Feldzuges, da der Capitän nach sei-
nes Vaters Tode seinen Abschied, und sein väterliches
Haus und Vermögen in Besitz nahm. Hierdurch
verlohr sie nun alle Gelegenheit, den Capitän zur
Rechenschaft zu fordern, welches die einzige Absicht
ihrer Verkleidung war. Sie legte also wieder weib-
liche Kleidung an, und folgte ihm nach Mastricht,

wo

geachtet, ließ er ſich einfallen, zu entwiſchen, ward aber
gleich darauf von dem Marſchall Villeroy mit einer
Wache zuruͤck geſchickt, worauf er unter Begleitung ei-
nes Sergeanten nur in der Stadt herum gehen durfte.

Merkwuͤrdi-
ge Geſchich-
te mit des
Verf. Wir-
thinn.

Jn dem Hauſe, in welchem ich mit dem Oberſten
logierte, hoͤrte ich eine merkwuͤrdige Geſchichte, wel-
che ſich zwiſchen unſrer Wirthinn und ihrem erſten
Manne zugetragen hatte, welcher aus dieſer Stadt ge-
buͤrtig geweſen war. Er hieß Niepels, war Haupt-
mann unter einem Hollaͤndiſchen Dragoner-Regimen-
te, und ward mit ihr im Haag bekannt, wo ſie eines
Kaufmanns Tochter war, da er ſie unter dem Ver-
ſprechen der Ehe verfuͤhrte, und ſie ſchwanger verließ.
Jhr Vater war ſo aufgebracht uͤber ſie, daß er ſie
aus dem Hauſe ſtieß; allein eine Tante hatte Mitlei-
den mit ihr, behielt ſie bey ſich, bis ſie niedergekom-
men war, und gab ihr hernach ein wenig Geld, mit
welchem ſie ſich, ohne von jemand erkannt zu werden,
Mannskleider und ein Pferd kaufte, und ſich als ei-
nen Freywilligen bey des Capitaͤn Niepels Compagnie
annehmen ließ. Hier blieb ſie eine Zeitlang, und
der Capitaͤn ſagte mehrmahls zu ſeinem unbekannten
Freywilligen, daß er einer ſeiner alten Liebſten ſehr
aͤhnlich ſaͤhe, ohne den geringſten Verdacht zu haben,
daß er es ſelbſt war. Sie blieb bey der Compagnie
bis zu Ende des Feldzuges, da der Capitaͤn nach ſei-
nes Vaters Tode ſeinen Abſchied, und ſein vaͤterliches
Haus und Vermoͤgen in Beſitz nahm. Hierdurch
verlohr ſie nun alle Gelegenheit, den Capitaͤn zur
Rechenſchaft zu fordern, welches die einzige Abſicht
ihrer Verkleidung war. Sie legte alſo wieder weib-
liche Kleidung an, und folgte ihm nach Maſtricht,

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[8/0018] geachtet, ließ er ſich einfallen, zu entwiſchen, ward aber gleich darauf von dem Marſchall Villeroy mit einer Wache zuruͤck geſchickt, worauf er unter Begleitung ei- nes Sergeanten nur in der Stadt herum gehen durfte. Jn dem Hauſe, in welchem ich mit dem Oberſten logierte, hoͤrte ich eine merkwuͤrdige Geſchichte, wel- che ſich zwiſchen unſrer Wirthinn und ihrem erſten Manne zugetragen hatte, welcher aus dieſer Stadt ge- buͤrtig geweſen war. Er hieß Niepels, war Haupt- mann unter einem Hollaͤndiſchen Dragoner-Regimen- te, und ward mit ihr im Haag bekannt, wo ſie eines Kaufmanns Tochter war, da er ſie unter dem Ver- ſprechen der Ehe verfuͤhrte, und ſie ſchwanger verließ. Jhr Vater war ſo aufgebracht uͤber ſie, daß er ſie aus dem Hauſe ſtieß; allein eine Tante hatte Mitlei- den mit ihr, behielt ſie bey ſich, bis ſie niedergekom- men war, und gab ihr hernach ein wenig Geld, mit welchem ſie ſich, ohne von jemand erkannt zu werden, Mannskleider und ein Pferd kaufte, und ſich als ei- nen Freywilligen bey des Capitaͤn Niepels Compagnie annehmen ließ. Hier blieb ſie eine Zeitlang, und der Capitaͤn ſagte mehrmahls zu ſeinem unbekannten Freywilligen, daß er einer ſeiner alten Liebſten ſehr aͤhnlich ſaͤhe, ohne den geringſten Verdacht zu haben, daß er es ſelbſt war. Sie blieb bey der Compagnie bis zu Ende des Feldzuges, da der Capitaͤn nach ſei- nes Vaters Tode ſeinen Abſchied, und ſein vaͤterliches Haus und Vermoͤgen in Beſitz nahm. Hierdurch verlohr ſie nun alle Gelegenheit, den Capitaͤn zur Rechenſchaft zu fordern, welches die einzige Abſicht ihrer Verkleidung war. Sie legte alſo wieder weib- liche Kleidung an, und folgte ihm nach Maſtricht, wo

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Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/18>, abgerufen am 28.03.2024.