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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 27. Geld- und Münzwesen.
welchen zuerst 368, dann im neunten Jahrhundert 30 fränkische
Denare9 gerechnet wurden10. Auch die alten saigae blieben hier in
Gebrauch, wogegen die Alamannen den Ausdruck saiga nunmehr auf
den zwölften Teil des Silbersolidus, den fränkischen Denar, bezogen,
wie sie ihn vorher auf den zwölften Teil des Goldsolidus bezogen
hatten11.

Besondere Münzverhältnisse begegnen in den Rechtsquellen der
Sachsen und Friesen. Die Sachsen unterscheiden nach der Unter-
werfung einen grösseren Silbersolidus zu drei und einen kleineren zu
zwei Trimsen (tremisses); der letztere ist gleichwertig mit einem ein-
jährigen, der erstere mit einem sechzehnmonatlichen Ochsen. Die
erheblichsten Schwierigkeiten bietet das friesische Münzwesen dar12.
Ehe die karolingische Münzreform bei ihnen durchdrang, rechneten
die Friesen nach Goldsolidi und Denaren, später veteres denarii ge-
nannt. Als die fränkische Silberwährung zur Herrschaft gelangte,
bezeichneten sie den neuen Drittelsolidus, den Tremissis, als Denar
der neuen Münze, denarius novae monetae13. Aber nur in Mittel-
friesland rechnete man drei neue Denare auf den Solidus. Die West-

8 Lex Baiuw. IX 2: una saica id est 3 denarios.
9 Siehe Waitz, Münzverhältnisse S 30. Meichelbeck Nr 349 v. J. 817.
Hundt, Abh. d. bayr. Akad. XIII 1 S 14, Nr 25 v. J. 846: et censuit annis sin-
gulis ad missam s. Martini persolvendum denarios 30 aut solidum unum de auro.
Poenitentiale Merseburgense c hinter c. 15 bei Wasserschleben, Bussordnungen
S 437: et constituit ut pro uno solido id est 30 denarios missam unam cantet
presbyter parochianus.
10 Die Differenz scheint mit der Einführung des schwereren Pfundes unter
Karl dem Grossen zusammenzuhängen. Goldsolidi wurden für den Verkehr nicht
mehr ausgeprägt (Waitz, VG IV 78), so dass der Goldsolidus nach dem alten,
leichteren Pfunde in Anschlag zu bringen ist.
11 Die schwere saiga (1/12 des Goldsol.) findet sich nur im Pactus Alamannorum.
Die Lex Alamannorum erwähnt sie nicht. Ein Zusatz aus karolingischer Zeit, Karo-
lina 6, 2: saiga est quarta pars tremissi, hoc est denarius unus ... tremissus est
tertia pars solidi et sunt denarii quatuor, ist wohl auf den Silbersolidus zu beziehen.
12 Leider sind uns sowohl Soetbeer als auch v. Richthofen die von
ihnen in Aussicht gestellten Untersuchungen über das friesische Münzwesen schuldig
geblieben. Dürftig sind die Bemerkungen J. H. Müllers, Münzgesch. I 264 f.
13 In 4, 9; 9, 7; 22, in Add. 3 a, 1. 8. 10. 26 und in den Zusätzen zu 1, 10
und Add. 3 a, 58 nennt die Lex Fresionum statt des Denars den Tremissis. Ver-
mutlich standen die Denare, in welche bei den Friesen der Goldsolidus eingeteilt
war, im Werte dem Tremissis näher als dem fränkischen Denar (dem zwölften Teil
des Silbersolidus) und wurde deshalb für die Trimsen der neuen Währung die Be-
zeichnung denarius verwendet, während man den Ausdruck tremissis ursprünglich
vermied, weil er nicht zu dem Verhältnisse passte, in welchem der tremissis (der
novus denarius) zu dem kleinen ost- und westfriesischen Rechnungssolidus stand.

§ 27. Geld- und Münzwesen.
welchen zuerst 368, dann im neunten Jahrhundert 30 fränkische
Denare9 gerechnet wurden10. Auch die alten saigae blieben hier in
Gebrauch, wogegen die Alamannen den Ausdruck saiga nunmehr auf
den zwölften Teil des Silbersolidus, den fränkischen Denar, bezogen,
wie sie ihn vorher auf den zwölften Teil des Goldsolidus bezogen
hatten11.

Besondere Münzverhältnisse begegnen in den Rechtsquellen der
Sachsen und Friesen. Die Sachsen unterscheiden nach der Unter-
werfung einen gröſseren Silbersolidus zu drei und einen kleineren zu
zwei Trimsen (tremisses); der letztere ist gleichwertig mit einem ein-
jährigen, der erstere mit einem sechzehnmonatlichen Ochsen. Die
erheblichsten Schwierigkeiten bietet das friesische Münzwesen dar12.
Ehe die karolingische Münzreform bei ihnen durchdrang, rechneten
die Friesen nach Goldsolidi und Denaren, später veteres denarii ge-
nannt. Als die fränkische Silberwährung zur Herrschaft gelangte,
bezeichneten sie den neuen Drittelsolidus, den Tremissis, als Denar
der neuen Münze, denarius novae monetae13. Aber nur in Mittel-
friesland rechnete man drei neue Denare auf den Solidus. Die West-

8 Lex Baiuw. IX 2: una saica id est 3 denarios.
9 Siehe Waitz, Münzverhältnisse S 30. Meichelbeck Nr 349 v. J. 817.
Hundt, Abh. d. bayr. Akad. XIII 1 S 14, Nr 25 v. J. 846: et censuit annis sin-
gulis ad missam s. Martini persolvendum denarios 30 aut solidum unum de auro.
Poenitentiale Merseburgense c hinter c. 15 bei Wasserschleben, Buſsordnungen
S 437: et constituit ut pro uno solido id est 30 denarios missam unam cantet
presbyter parochianus.
10 Die Differenz scheint mit der Einführung des schwereren Pfundes unter
Karl dem Groſsen zusammenzuhängen. Goldsolidi wurden für den Verkehr nicht
mehr ausgeprägt (Waitz, VG IV 78), so daſs der Goldsolidus nach dem alten,
leichteren Pfunde in Anschlag zu bringen ist.
11 Die schwere saiga (1/12 des Goldsol.) findet sich nur im Pactus Alamannorum.
Die Lex Alamannorum erwähnt sie nicht. Ein Zusatz aus karolingischer Zeit, Karo-
lina 6, 2: saiga est quarta pars tremissi, hoc est denarius unus … tremissus est
tertia pars solidi et sunt denarii quatuor, ist wohl auf den Silbersolidus zu beziehen.
12 Leider sind uns sowohl Soetbeer als auch v. Richthofen die von
ihnen in Aussicht gestellten Untersuchungen über das friesische Münzwesen schuldig
geblieben. Dürftig sind die Bemerkungen J. H. Müllers, Münzgesch. I 264 f.
13 In 4, 9; 9, 7; 22, in Add. 3 a, 1. 8. 10. 26 und in den Zusätzen zu 1, 10
und Add. 3 a, 58 nennt die Lex Fresionum statt des Denars den Tremissis. Ver-
mutlich standen die Denare, in welche bei den Friesen der Goldsolidus eingeteilt
war, im Werte dem Tremissis näher als dem fränkischen Denar (dem zwölften Teil
des Silbersolidus) und wurde deshalb für die Trimsen der neuen Währung die Be-
zeichnung denarius verwendet, während man den Ausdruck tremissis ursprünglich
vermied, weil er nicht zu dem Verhältnisse paſste, in welchem der tremissis (der
novus denarius) zu dem kleinen ost- und westfriesischen Rechnungssolidus stand.
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[215/0233] § 27. Geld- und Münzwesen. welchen zuerst 36 8, dann im neunten Jahrhundert 30 fränkische Denare 9 gerechnet wurden 10. Auch die alten saigae blieben hier in Gebrauch, wogegen die Alamannen den Ausdruck saiga nunmehr auf den zwölften Teil des Silbersolidus, den fränkischen Denar, bezogen, wie sie ihn vorher auf den zwölften Teil des Goldsolidus bezogen hatten 11. Besondere Münzverhältnisse begegnen in den Rechtsquellen der Sachsen und Friesen. Die Sachsen unterscheiden nach der Unter- werfung einen gröſseren Silbersolidus zu drei und einen kleineren zu zwei Trimsen (tremisses); der letztere ist gleichwertig mit einem ein- jährigen, der erstere mit einem sechzehnmonatlichen Ochsen. Die erheblichsten Schwierigkeiten bietet das friesische Münzwesen dar 12. Ehe die karolingische Münzreform bei ihnen durchdrang, rechneten die Friesen nach Goldsolidi und Denaren, später veteres denarii ge- nannt. Als die fränkische Silberwährung zur Herrschaft gelangte, bezeichneten sie den neuen Drittelsolidus, den Tremissis, als Denar der neuen Münze, denarius novae monetae 13. Aber nur in Mittel- friesland rechnete man drei neue Denare auf den Solidus. Die West- 8 Lex Baiuw. IX 2: una saica id est 3 denarios. 9 Siehe Waitz, Münzverhältnisse S 30. Meichelbeck Nr 349 v. J. 817. Hundt, Abh. d. bayr. Akad. XIII 1 S 14, Nr 25 v. J. 846: et censuit annis sin- gulis ad missam s. Martini persolvendum denarios 30 aut solidum unum de auro. Poenitentiale Merseburgense c hinter c. 15 bei Wasserschleben, Buſsordnungen S 437: et constituit ut pro uno solido id est 30 denarios missam unam cantet presbyter parochianus. 10 Die Differenz scheint mit der Einführung des schwereren Pfundes unter Karl dem Groſsen zusammenzuhängen. Goldsolidi wurden für den Verkehr nicht mehr ausgeprägt (Waitz, VG IV 78), so daſs der Goldsolidus nach dem alten, leichteren Pfunde in Anschlag zu bringen ist. 11 Die schwere saiga (1/12 des Goldsol.) findet sich nur im Pactus Alamannorum. Die Lex Alamannorum erwähnt sie nicht. Ein Zusatz aus karolingischer Zeit, Karo- lina 6, 2: saiga est quarta pars tremissi, hoc est denarius unus … tremissus est tertia pars solidi et sunt denarii quatuor, ist wohl auf den Silbersolidus zu beziehen. 12 Leider sind uns sowohl Soetbeer als auch v. Richthofen die von ihnen in Aussicht gestellten Untersuchungen über das friesische Münzwesen schuldig geblieben. Dürftig sind die Bemerkungen J. H. Müllers, Münzgesch. I 264 f. 13 In 4, 9; 9, 7; 22, in Add. 3 a, 1. 8. 10. 26 und in den Zusätzen zu 1, 10 und Add. 3 a, 58 nennt die Lex Fresionum statt des Denars den Tremissis. Ver- mutlich standen die Denare, in welche bei den Friesen der Goldsolidus eingeteilt war, im Werte dem Tremissis näher als dem fränkischen Denar (dem zwölften Teil des Silbersolidus) und wurde deshalb für die Trimsen der neuen Währung die Be- zeichnung denarius verwendet, während man den Ausdruck tremissis ursprünglich vermied, weil er nicht zu dem Verhältnisse paſste, in welchem der tremissis (der novus denarius) zu dem kleinen ost- und westfriesischen Rechnungssolidus stand.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/233>, abgerufen am 29.03.2024.