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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 46. Die Lex Saxonum.
gegenseitig aus, zumal mit der letzteren die Einziehung des Ver-
mögens verbunden war. Wenn es nun auch höchst wahrscheinlich
ist, dass das sächsische Recht schon in vorfränkischer Zeit die Brand-
stiftung mit dem Tode bestrafte 14, so muss sie damals doch noch bei
rechtmässiger Fehde erlaubt gewesen sein. Wie das Leben des
Missethäters, so war nach altsächsischem Rechte auch sein Gut der
Rache des Feindes ausgesetzt. Den Fall der eigenmächtigen, aber
nach Volksrecht straflosen Brandstiftung wollte das Kapitular durch
die Busse treffen. Die Lex Saxonum ging noch weiter, sie gab dem
Rechtssatze, welcher die Brandstiftung auch im Fall der Fehde ver-
bot, volksrechtliche Sanktion, indem sie jegliche eigenmächtige Brand-
stiftung mit dem Tode bedrohte und zwar aus demselben Gesichts-
punkte, aus welchem sie in c. 27 eine andere Rachethat, nämlich die
Tötung des faidosus in seinem eigenen Hause, für ein todeswürdiges
Verbrechen erklärte.

Sowohl das Kapitular von 797 als die Lex enthalten Werttaxen
für die Zahlung von Bussen. Während das Kapitular gleich der
älteren Capitulatio nur den fränkischen Solidus zu 12 Denaren oder
drei Tremissen kennt, unterscheidet die Lex von diesem Solidus den
kleineren sächsischen Solidus, welcher aus acht Denaren oder zwei
Tremissen bestand. Nach dem Kapitular werden sowohl ein zwölf-
monatliches als auch ein sechzehnmonatliches Rind zu drei Tremissen
veranschlagt 15, während die Lex das erstere zu zwei, das letztere zu
drei Tremissen schätzt. Die Werttaxe der Lex muss, weil sie genauer
ist, für jünger angesehen werden, wie die des Kapitulars 16.

Gegen das höhere Alter der Lex spricht die Verwandtschaft von
c. 51--53 mit c. 5 des Capitulare legi Ribuariae additum von 803.
Der Rechtssatz, dass der Herr sich mit seinem Eid entreden dürfe,
wenn er den wegen einer Missethat entflohenen Knecht nicht aufzu-
finden vermag, kann nicht aus dem sächsischen Rechte in das
ribuarische aufgenommen worden sein, denn diese Voraussetzung
würde dem sonst wahrnehmbaren Verhältnis der fränkischen Rechte

14 v. Richthofen, Zur Lex Sax. S 305.
15 Denn das im Sommer geborene Kalb gilt als einjährig bis zum zweiten Ein-
wintern, das im Winter geborene bis zum zweiten Frühjahrsaustreiben. v. Richt-
hofen
, Zur Lex Sax. S 35. Gegen dessen Ansicht, dass die Werttaxen des Ka-
pitulars sich auf den Solidus zu zwei Tremissen beziehen, s. Boretius a. O. S 155.
16 Die Corveier Handschrift und Tilius haben Zusätze zu c. 66, welche
v. Richthofen, Zur Lex Sax. S 26 f. ausführlich bespricht. Da sie auch nach
Richthofen jünger sind als die Lex und das Kapitular von 797, so kommen sie
für die Abfassungszeit der Lex nicht in Betracht.

§ 46. Die Lex Saxonum.
gegenseitig aus, zumal mit der letzteren die Einziehung des Ver-
mögens verbunden war. Wenn es nun auch höchst wahrscheinlich
ist, daſs das sächsische Recht schon in vorfränkischer Zeit die Brand-
stiftung mit dem Tode bestrafte 14, so muſs sie damals doch noch bei
rechtmäſsiger Fehde erlaubt gewesen sein. Wie das Leben des
Missethäters, so war nach altsächsischem Rechte auch sein Gut der
Rache des Feindes ausgesetzt. Den Fall der eigenmächtigen, aber
nach Volksrecht straflosen Brandstiftung wollte das Kapitular durch
die Buſse treffen. Die Lex Saxonum ging noch weiter, sie gab dem
Rechtssatze, welcher die Brandstiftung auch im Fall der Fehde ver-
bot, volksrechtliche Sanktion, indem sie jegliche eigenmächtige Brand-
stiftung mit dem Tode bedrohte und zwar aus demselben Gesichts-
punkte, aus welchem sie in c. 27 eine andere Rachethat, nämlich die
Tötung des faidosus in seinem eigenen Hause, für ein todeswürdiges
Verbrechen erklärte.

Sowohl das Kapitular von 797 als die Lex enthalten Werttaxen
für die Zahlung von Buſsen. Während das Kapitular gleich der
älteren Capitulatio nur den fränkischen Solidus zu 12 Denaren oder
drei Tremissen kennt, unterscheidet die Lex von diesem Solidus den
kleineren sächsischen Solidus, welcher aus acht Denaren oder zwei
Tremissen bestand. Nach dem Kapitular werden sowohl ein zwölf-
monatliches als auch ein sechzehnmonatliches Rind zu drei Tremissen
veranschlagt 15, während die Lex das erstere zu zwei, das letztere zu
drei Tremissen schätzt. Die Werttaxe der Lex muſs, weil sie genauer
ist, für jünger angesehen werden, wie die des Kapitulars 16.

Gegen das höhere Alter der Lex spricht die Verwandtschaft von
c. 51—53 mit c. 5 des Capitulare legi Ribuariae additum von 803.
Der Rechtssatz, daſs der Herr sich mit seinem Eid entreden dürfe,
wenn er den wegen einer Missethat entflohenen Knecht nicht aufzu-
finden vermag, kann nicht aus dem sächsischen Rechte in das
ribuarische aufgenommen worden sein, denn diese Voraussetzung
würde dem sonst wahrnehmbaren Verhältnis der fränkischen Rechte

14 v. Richthofen, Zur Lex Sax. S 305.
15 Denn das im Sommer geborene Kalb gilt als einjährig bis zum zweiten Ein-
wintern, das im Winter geborene bis zum zweiten Frühjahrsaustreiben. v. Richt-
hofen
, Zur Lex Sax. S 35. Gegen dessen Ansicht, daſs die Werttaxen des Ka-
pitulars sich auf den Solidus zu zwei Tremissen beziehen, s. Boretius a. O. S 155.
16 Die Corveier Handschrift und Tilius haben Zusätze zu c. 66, welche
v. Richthofen, Zur Lex Sax. S 26 f. ausführlich bespricht. Da sie auch nach
Richthofen jünger sind als die Lex und das Kapitular von 797, so kommen sie
für die Abfassungszeit der Lex nicht in Betracht.
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[348/0366] § 46. Die Lex Saxonum. gegenseitig aus, zumal mit der letzteren die Einziehung des Ver- mögens verbunden war. Wenn es nun auch höchst wahrscheinlich ist, daſs das sächsische Recht schon in vorfränkischer Zeit die Brand- stiftung mit dem Tode bestrafte 14, so muſs sie damals doch noch bei rechtmäſsiger Fehde erlaubt gewesen sein. Wie das Leben des Missethäters, so war nach altsächsischem Rechte auch sein Gut der Rache des Feindes ausgesetzt. Den Fall der eigenmächtigen, aber nach Volksrecht straflosen Brandstiftung wollte das Kapitular durch die Buſse treffen. Die Lex Saxonum ging noch weiter, sie gab dem Rechtssatze, welcher die Brandstiftung auch im Fall der Fehde ver- bot, volksrechtliche Sanktion, indem sie jegliche eigenmächtige Brand- stiftung mit dem Tode bedrohte und zwar aus demselben Gesichts- punkte, aus welchem sie in c. 27 eine andere Rachethat, nämlich die Tötung des faidosus in seinem eigenen Hause, für ein todeswürdiges Verbrechen erklärte. Sowohl das Kapitular von 797 als die Lex enthalten Werttaxen für die Zahlung von Buſsen. Während das Kapitular gleich der älteren Capitulatio nur den fränkischen Solidus zu 12 Denaren oder drei Tremissen kennt, unterscheidet die Lex von diesem Solidus den kleineren sächsischen Solidus, welcher aus acht Denaren oder zwei Tremissen bestand. Nach dem Kapitular werden sowohl ein zwölf- monatliches als auch ein sechzehnmonatliches Rind zu drei Tremissen veranschlagt 15, während die Lex das erstere zu zwei, das letztere zu drei Tremissen schätzt. Die Werttaxe der Lex muſs, weil sie genauer ist, für jünger angesehen werden, wie die des Kapitulars 16. Gegen das höhere Alter der Lex spricht die Verwandtschaft von c. 51—53 mit c. 5 des Capitulare legi Ribuariae additum von 803. Der Rechtssatz, daſs der Herr sich mit seinem Eid entreden dürfe, wenn er den wegen einer Missethat entflohenen Knecht nicht aufzu- finden vermag, kann nicht aus dem sächsischen Rechte in das ribuarische aufgenommen worden sein, denn diese Voraussetzung würde dem sonst wahrnehmbaren Verhältnis der fränkischen Rechte 14 v. Richthofen, Zur Lex Sax. S 305. 15 Denn das im Sommer geborene Kalb gilt als einjährig bis zum zweiten Ein- wintern, das im Winter geborene bis zum zweiten Frühjahrsaustreiben. v. Richt- hofen, Zur Lex Sax. S 35. Gegen dessen Ansicht, daſs die Werttaxen des Ka- pitulars sich auf den Solidus zu zwei Tremissen beziehen, s. Boretius a. O. S 155. 16 Die Corveier Handschrift und Tilius haben Zusätze zu c. 66, welche v. Richthofen, Zur Lex Sax. S 26 f. ausführlich bespricht. Da sie auch nach Richthofen jünger sind als die Lex und das Kapitular von 797, so kommen sie für die Abfassungszeit der Lex nicht in Betracht.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/366>, abgerufen am 19.04.2024.