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Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835.

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andrer ihm den Spaß verdirbt. Hast du das Recht,
aus der Guillotine einen Waschzuber für die un-
reine Wäsche anderer Leute und aus ihren abgeschla-
genen Köpfen Fleckkugeln für ihre schmutzigen Klei-
der zu machen, weil du immer einen sauber gebür-
steten Rock trägst? Ja, du kannst dich wehren,
wenn sie dir drauf spucken oder Löcher hineinreißen;
aber was geht's dich an, so lang sie dich in Ruhe
lassen? Wenn sie sich nicht geniren, so herum zu
gehen, hast du deswegen das Recht, sie in's Grab-
loch zu sperren? Bist du der Polizeisoldat des
Himmels? und -- kannst du es nicht eben so gut
mit ansehn, als dein lieber Herrgott, so halte dir
dein Schnupftuch vor die Augen.
Robespierre.
Du läugnest die Tugend? --
Danton.
Und das Laster. Es gibt nur Epicuräer, und
zwar grobe und feine; Christus war der feinste;
das ist der einzige Unterschied, den ich zwischen den
Menschen herausbringen kann. Jeder handelt sei-
ner Natur gemäß, d. h. er thut, was ihm wohl
thut. -- Nicht wahr, Unbestechlicher, es ist grau-
sam, dir die Absätze so von den Schuhen zu treten?
andrer ihm den Spaß verdirbt. Haſt du das Recht,
aus der Guillotine einen Waſchzuber für die un-
reine Wäſche anderer Leute und aus ihren abgeſchla-
genen Köpfen Fleckkugeln für ihre ſchmutzigen Klei-
der zu machen, weil du immer einen ſauber gebür-
ſteten Rock trägſt? Ja, du kannſt dich wehren,
wenn ſie dir drauf ſpucken oder Löcher hineinreißen;
aber was geht’s dich an, ſo lang ſie dich in Ruhe
laſſen? Wenn ſie ſich nicht geniren, ſo herum zu
gehen, haſt du deswegen das Recht, ſie in’s Grab-
loch zu ſperren? Biſt du der Polizeiſoldat des
Himmels? und — kannſt du es nicht eben ſo gut
mit anſehn, als dein lieber Herrgott, ſo halte dir
dein Schnupftuch vor die Augen.
Robespierre.
Du läugneſt die Tugend? —
Danton.
Und das Laſter. Es gibt nur Epicuräer, und
zwar grobe und feine; Chriſtus war der feinſte;
das iſt der einzige Unterſchied, den ich zwiſchen den
Menſchen herausbringen kann. Jeder handelt ſei-
ner Natur gemäß, d. h. er thut, was ihm wohl
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[46/0050] andrer ihm den Spaß verdirbt. Haſt du das Recht, aus der Guillotine einen Waſchzuber für die un- reine Wäſche anderer Leute und aus ihren abgeſchla- genen Köpfen Fleckkugeln für ihre ſchmutzigen Klei- der zu machen, weil du immer einen ſauber gebür- ſteten Rock trägſt? Ja, du kannſt dich wehren, wenn ſie dir drauf ſpucken oder Löcher hineinreißen; aber was geht’s dich an, ſo lang ſie dich in Ruhe laſſen? Wenn ſie ſich nicht geniren, ſo herum zu gehen, haſt du deswegen das Recht, ſie in’s Grab- loch zu ſperren? Biſt du der Polizeiſoldat des Himmels? und — kannſt du es nicht eben ſo gut mit anſehn, als dein lieber Herrgott, ſo halte dir dein Schnupftuch vor die Augen. Robespierre. Du läugneſt die Tugend? — Danton. Und das Laſter. Es gibt nur Epicuräer, und zwar grobe und feine; Chriſtus war der feinſte; das iſt der einzige Unterſchied, den ich zwiſchen den Menſchen herausbringen kann. Jeder handelt ſei- ner Natur gemäß, d. h. er thut, was ihm wohl thut. — Nicht wahr, Unbeſtechlicher, es iſt grau- ſam, dir die Abſätze ſo von den Schuhen zu treten?

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_danton_1835/50>, abgerufen am 23.04.2024.