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Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835.

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nicht geschaffen haben; denn entweder ist die Schöp-
fung ewig wie Gott, oder sie hat einen Anfang.
Ist letzteres der Fall, so muß Gott sie zu einem
bestimmten Zeitpunkt geschaffen haben. Gott muß
also, nachdem er eine Ewigkeit geruht, einmal thä-
tig geworden sein, muß also einmal eine Verände-
rung in sich erlitten haben, die den Begriff Zeit
auf ihn anwenden läßt, was beides gegen das Wesen
Gottes streitet. Gott kann also die Welt nicht
geschaffen haben. Da wir nun aber sehr deutlich
wissen, daß die Welt oder daß unser Ich wenig-
stens vorhanden ist und daß sie dem Vorhergehen-
den nach also auch ihren Grund in sich oder in
etwas haben muß, das nicht Gott ist, so kann es
keinen Gott geben. Quod erat demonstrandum.
Chaumette.
Ei wahrhaftig, das gibt mir wieder Licht, ich
danke, danke.
Mercier.
Halten Sie, Payne! Wenn aber die Schöpfung
nun ewig ist?!
Payne.
Dann ist sie schon keine Schöpfung mehr, dann
ist sie Eins mit Gott oder ein Attribut desselben,
nicht geſchaffen haben; denn entweder iſt die Schöp-
fung ewig wie Gott, oder ſie hat einen Anfang.
Iſt letzteres der Fall, ſo muß Gott ſie zu einem
beſtimmten Zeitpunkt geſchaffen haben. Gott muß
alſo, nachdem er eine Ewigkeit geruht, einmal thä-
tig geworden ſein, muß alſo einmal eine Verände-
rung in ſich erlitten haben, die den Begriff Zeit
auf ihn anwenden läßt, was beides gegen das Weſen
Gottes ſtreitet. Gott kann alſo die Welt nicht
geſchaffen haben. Da wir nun aber ſehr deutlich
wiſſen, daß die Welt oder daß unſer Ich wenig-
ſtens vorhanden iſt und daß ſie dem Vorhergehen-
den nach alſo auch ihren Grund in ſich oder in
etwas haben muß, das nicht Gott iſt, ſo kann es
keinen Gott geben. Quod erat demonstrandum.
Chaumette.
Ei wahrhaftig, das gibt mir wieder Licht, ich
danke, danke.
Mercier.
Halten Sie, Payne! Wenn aber die Schöpfung
nun ewig iſt?!
Payne.
Dann iſt ſie ſchon keine Schöpfung mehr, dann
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[90/0094] nicht geſchaffen haben; denn entweder iſt die Schöp- fung ewig wie Gott, oder ſie hat einen Anfang. Iſt letzteres der Fall, ſo muß Gott ſie zu einem beſtimmten Zeitpunkt geſchaffen haben. Gott muß alſo, nachdem er eine Ewigkeit geruht, einmal thä- tig geworden ſein, muß alſo einmal eine Verände- rung in ſich erlitten haben, die den Begriff Zeit auf ihn anwenden läßt, was beides gegen das Weſen Gottes ſtreitet. Gott kann alſo die Welt nicht geſchaffen haben. Da wir nun aber ſehr deutlich wiſſen, daß die Welt oder daß unſer Ich wenig- ſtens vorhanden iſt und daß ſie dem Vorhergehen- den nach alſo auch ihren Grund in ſich oder in etwas haben muß, das nicht Gott iſt, ſo kann es keinen Gott geben. Quod erat demonstrandum. Chaumette. Ei wahrhaftig, das gibt mir wieder Licht, ich danke, danke. Mercier. Halten Sie, Payne! Wenn aber die Schöpfung nun ewig iſt?! Payne. Dann iſt ſie ſchon keine Schöpfung mehr, dann iſt ſie Eins mit Gott oder ein Attribut deſſelben,

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_danton_1835/94>, abgerufen am 20.04.2024.