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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Tempel am Forum etc.; Tempel der Marciana.
verziert. Unvergleichlich in ihrer Art ist die Innensicht der Decke des
Porticus; die Querbalken mit einfacher Mäanderverzierung, die Cas-
setten dagegen mit reichprofilirter Vertiefung, aus welcher mächtige
Rosetten niederschauen.

Es folgen die drei Säulen am Forum, früher als Tempela
des Jupiter Stator, jetzt bis auf Weiteres als Tempel der Minerva
benannt 1). Die Capitäle sind noch immer schön, doch nicht mehr von
dem Lebensgefühl durchdrungen wie die oben erwähnten; der Archi-
trav hat schon eine stark verzierte Untenseite und im mittlern seiner
drei Bänder eine Blätterreihe. Die obern Theile des Gebälkes dage-
gen verdienen ihren Ruf vollständig.

Zu rein für die Zeit des Restaurators Septimius Severus und zu
unrein für das Jahr der ursprünglichen Erbauung (12 v. Ch.) sind die
drei Säulen am Abhang des Capitols gebildet, welche dieb
Ecke des Saturnstempels ausmachten. (Früher als Jupiter tonans be-
nannt). Die Capitäle sind noch sehr schön, haben aber bereits eine
Blätterverzierung an der Deckplatte, deren Function nur ein einfaches
Profil verlangt und erträgt. An der Vorderseite ist, wie bei mehrern
Kaiserbauten, der Organismus des Gebälkes einer grossen Inschrift
aufgeopfert, mit welcher moderne Baumeister Aehnliches zu rechtfer-
tigen glaubten. -- Zwischen den Säulen sind, der steilen Lage wegen,
Stufen angebracht, die den Anschein eines Piedestals hervorbringen.

Schon eine beträchtliche Stufe niedriger steht der Tempel der
Schwester Trajans, Marciana, die jetzige römische Dogana di terra 2);c
der Architrav ist bloss zweitheilig, der Fries convex, das Zwischen-
glied zwischen beiden sehr schwer, die Untenseite des Architravs mit
nichtssagenden Ornamenten bedeckt. (Das Obergesimse scheint der-
massen modern überarbeitet, dass wir kein Urtheil darüber haben. Die
Ansicht von der Seite, den eilf Säulen entlang, ist belehrend für die

1) Die allerneuste Benennung: T. des Castor und Pollux.
2) Früher hiess das Gebäude: Tempel des Antoninus Pius, und wäre demnach
etwa unter Marc Aurel erbaut gewesen. Ich kenne die archäologischen Gründe
für die jetzige Benennung nicht, glaube aber, dass die frühere besser zum
Styl des Gebäudes passte. Für Trajan's Zeit sind die Formen wohl schon
zu flau und ausgeartet. Vielleicht wurde der Tempel wohl zur Ehre Mar-
ciana's, aber erst lange nach ihrem Tode gebaut.

Tempel am Forum etc.; Tempel der Marciana.
verziert. Unvergleichlich in ihrer Art ist die Innensicht der Decke des
Porticus; die Querbalken mit einfacher Mäanderverzierung, die Cas-
setten dagegen mit reichprofilirter Vertiefung, aus welcher mächtige
Rosetten niederschauen.

Es folgen die drei Säulen am Forum, früher als Tempela
des Jupiter Stator, jetzt bis auf Weiteres als Tempel der Minerva
benannt 1). Die Capitäle sind noch immer schön, doch nicht mehr von
dem Lebensgefühl durchdrungen wie die oben erwähnten; der Archi-
trav hat schon eine stark verzierte Untenseite und im mittlern seiner
drei Bänder eine Blätterreihe. Die obern Theile des Gebälkes dage-
gen verdienen ihren Ruf vollständig.

Zu rein für die Zeit des Restaurators Septimius Severus und zu
unrein für das Jahr der ursprünglichen Erbauung (12 v. Ch.) sind die
drei Säulen am Abhang des Capitols gebildet, welche dieb
Ecke des Saturnstempels ausmachten. (Früher als Jupiter tonans be-
nannt). Die Capitäle sind noch sehr schön, haben aber bereits eine
Blätterverzierung an der Deckplatte, deren Function nur ein einfaches
Profil verlangt und erträgt. An der Vorderseite ist, wie bei mehrern
Kaiserbauten, der Organismus des Gebälkes einer grossen Inschrift
aufgeopfert, mit welcher moderne Baumeister Aehnliches zu rechtfer-
tigen glaubten. — Zwischen den Säulen sind, der steilen Lage wegen,
Stufen angebracht, die den Anschein eines Piedestals hervorbringen.

Schon eine beträchtliche Stufe niedriger steht der Tempel der
Schwester Trajans, Marciana, die jetzige römische Dogana di terra 2);c
der Architrav ist bloss zweitheilig, der Fries convex, das Zwischen-
glied zwischen beiden sehr schwer, die Untenseite des Architravs mit
nichtssagenden Ornamenten bedeckt. (Das Obergesimse scheint der-
massen modern überarbeitet, dass wir kein Urtheil darüber haben. Die
Ansicht von der Seite, den eilf Säulen entlang, ist belehrend für die

1) Die allerneuste Benennung: T. des Castor und Pollux.
2) Früher hiess das Gebäude: Tempel des Antoninus Pius, und wäre demnach
etwa unter Marc Aurel erbaut gewesen. Ich kenne die archäologischen Gründe
für die jetzige Benennung nicht, glaube aber, dass die frühere besser zum
Styl des Gebäudes passte. Für Trajan’s Zeit sind die Formen wohl schon
zu flau und ausgeartet. Vielleicht wurde der Tempel wohl zur Ehre Mar-
ciana’s, aber erst lange nach ihrem Tode gebaut.
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[21/0043] Tempel am Forum etc.; Tempel der Marciana. verziert. Unvergleichlich in ihrer Art ist die Innensicht der Decke des Porticus; die Querbalken mit einfacher Mäanderverzierung, die Cas- setten dagegen mit reichprofilirter Vertiefung, aus welcher mächtige Rosetten niederschauen. Es folgen die drei Säulen am Forum, früher als Tempel des Jupiter Stator, jetzt bis auf Weiteres als Tempel der Minerva benannt 1). Die Capitäle sind noch immer schön, doch nicht mehr von dem Lebensgefühl durchdrungen wie die oben erwähnten; der Archi- trav hat schon eine stark verzierte Untenseite und im mittlern seiner drei Bänder eine Blätterreihe. Die obern Theile des Gebälkes dage- gen verdienen ihren Ruf vollständig. a Zu rein für die Zeit des Restaurators Septimius Severus und zu unrein für das Jahr der ursprünglichen Erbauung (12 v. Ch.) sind die drei Säulen am Abhang des Capitols gebildet, welche die Ecke des Saturnstempels ausmachten. (Früher als Jupiter tonans be- nannt). Die Capitäle sind noch sehr schön, haben aber bereits eine Blätterverzierung an der Deckplatte, deren Function nur ein einfaches Profil verlangt und erträgt. An der Vorderseite ist, wie bei mehrern Kaiserbauten, der Organismus des Gebälkes einer grossen Inschrift aufgeopfert, mit welcher moderne Baumeister Aehnliches zu rechtfer- tigen glaubten. — Zwischen den Säulen sind, der steilen Lage wegen, Stufen angebracht, die den Anschein eines Piedestals hervorbringen. b Schon eine beträchtliche Stufe niedriger steht der Tempel der Schwester Trajans, Marciana, die jetzige römische Dogana di terra 2); der Architrav ist bloss zweitheilig, der Fries convex, das Zwischen- glied zwischen beiden sehr schwer, die Untenseite des Architravs mit nichtssagenden Ornamenten bedeckt. (Das Obergesimse scheint der- massen modern überarbeitet, dass wir kein Urtheil darüber haben. Die Ansicht von der Seite, den eilf Säulen entlang, ist belehrend für die c 1) Die allerneuste Benennung: T. des Castor und Pollux. 2) Früher hiess das Gebäude: Tempel des Antoninus Pius, und wäre demnach etwa unter Marc Aurel erbaut gewesen. Ich kenne die archäologischen Gründe für die jetzige Benennung nicht, glaube aber, dass die frühere besser zum Styl des Gebäudes passte. Für Trajan’s Zeit sind die Formen wohl schon zu flau und ausgeartet. Vielleicht wurde der Tempel wohl zur Ehre Mar- ciana’s, aber erst lange nach ihrem Tode gebaut.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/43>, abgerufen am 19.04.2024.