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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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eines Thrones versucht durch Massenmord und endlose1. Abschnitt.
Scheußlichkeiten, d. h. durch Aufwand aller Mittel mit
alleiniger Rücksicht auf den Zweck. Keiner der Spätern
hat den Ezzelino an Colossalität des Verbrechens irgendwie
erreicht, auch Cesare Borgia nicht, aber das Beispiel war
gegeben, und Ezzelino's Sturz war für die Völker keine
Herstellung der Gerechtigkeit und für künftige Frevler keine
Warnung.

Umsonst stellte in einer solchen Zeit S. Thomas vonEinfluß Frie-
drichs und
Ezzelino's.

Aquino, der geborene Unterthan Friedrichs, die Theorie
einer constitutionellen Herrschaft auf, wo der Fürst durch
ein von ihm ernanntes Oberhaus und eine vom Volk ge-
wählte Repräsentation unterstützt gedacht wird. Dergleichen
verhallte in den Hörsälen, und Friedrich und Ezzelino waren
und blieben für Italien die größten politischen Erscheinungen
des XIII. Jahrhunderts. Ihr Bild, schon halb fabelhaft
wiedergespiegelt, ist der wichtigste Inhalt der "hundert alten
Novellen", deren ursprüngliche Redaction gewiß noch in
dieß Jahrhundert fällt. 1) Ezzelino wird hier bereits mit
einer scheuen Ehrfurcht geschildert, welche der Niederschlag
jedes ganz großen Eindruckes ist. Eine ganze Literatur,
von der Chronik der Augenzeugen bis zur halbmythologischen
Tragödie, schloß sich an seine Person an. 2)


Die größern und kleinern Gewaltherrschaften desHerrscher des
XIV. Jahrh.

XIV. Jahrhunderts verrathen es häufig genug, daß Ein-
drücke dieser Art nicht verloren waren. Ihre Missethaten
schrien laut und die Geschichte hat sie umständlich verzeich-

1) Cento novelle antiche, Nov. 1, 6, 20, 21, 22, 23, 29, 30, 45,
56, 83, 88, 98.
2) Scardeonius, de urbis Patav. antiqu., im Thesaurus des Grä-
vius VI., III., p. 259.

eines Thrones verſucht durch Maſſenmord und endloſe1. Abſchnitt.
Scheußlichkeiten, d. h. durch Aufwand aller Mittel mit
alleiniger Rückſicht auf den Zweck. Keiner der Spätern
hat den Ezzelino an Coloſſalität des Verbrechens irgendwie
erreicht, auch Ceſare Borgia nicht, aber das Beiſpiel war
gegeben, und Ezzelino's Sturz war für die Völker keine
Herſtellung der Gerechtigkeit und für künftige Frevler keine
Warnung.

Umſonſt ſtellte in einer ſolchen Zeit S. Thomas vonEinfluß Frie-
drichs und
Ezzelino's.

Aquino, der geborene Unterthan Friedrichs, die Theorie
einer conſtitutionellen Herrſchaft auf, wo der Fürſt durch
ein von ihm ernanntes Oberhaus und eine vom Volk ge-
wählte Repräſentation unterſtützt gedacht wird. Dergleichen
verhallte in den Hörſälen, und Friedrich und Ezzelino waren
und blieben für Italien die größten politiſchen Erſcheinungen
des XIII. Jahrhunderts. Ihr Bild, ſchon halb fabelhaft
wiedergeſpiegelt, iſt der wichtigſte Inhalt der „hundert alten
Novellen“, deren urſprüngliche Redaction gewiß noch in
dieß Jahrhundert fällt. 1) Ezzelino wird hier bereits mit
einer ſcheuen Ehrfurcht geſchildert, welche der Niederſchlag
jedes ganz großen Eindruckes iſt. Eine ganze Literatur,
von der Chronik der Augenzeugen bis zur halbmythologiſchen
Tragödie, ſchloß ſich an ſeine Perſon an. 2)


Die größern und kleinern Gewaltherrſchaften desHerrſcher des
XIV. Jahrh.

XIV. Jahrhunderts verrathen es häufig genug, daß Ein-
drücke dieſer Art nicht verloren waren. Ihre Miſſethaten
ſchrien laut und die Geſchichte hat ſie umſtändlich verzeich-

1) Cento novelle antiche, Nov. 1, 6, 20, 21, 22, 23, 29, 30, 45,
56, 83, 88, 98.
2) Scardeonius, de urbis Patav. antiqu., im Theſaurus des Grä-
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[5/0015] eines Thrones verſucht durch Maſſenmord und endloſe Scheußlichkeiten, d. h. durch Aufwand aller Mittel mit alleiniger Rückſicht auf den Zweck. Keiner der Spätern hat den Ezzelino an Coloſſalität des Verbrechens irgendwie erreicht, auch Ceſare Borgia nicht, aber das Beiſpiel war gegeben, und Ezzelino's Sturz war für die Völker keine Herſtellung der Gerechtigkeit und für künftige Frevler keine Warnung. 1. Abſchnitt. Umſonſt ſtellte in einer ſolchen Zeit S. Thomas von Aquino, der geborene Unterthan Friedrichs, die Theorie einer conſtitutionellen Herrſchaft auf, wo der Fürſt durch ein von ihm ernanntes Oberhaus und eine vom Volk ge- wählte Repräſentation unterſtützt gedacht wird. Dergleichen verhallte in den Hörſälen, und Friedrich und Ezzelino waren und blieben für Italien die größten politiſchen Erſcheinungen des XIII. Jahrhunderts. Ihr Bild, ſchon halb fabelhaft wiedergeſpiegelt, iſt der wichtigſte Inhalt der „hundert alten Novellen“, deren urſprüngliche Redaction gewiß noch in dieß Jahrhundert fällt. 1) Ezzelino wird hier bereits mit einer ſcheuen Ehrfurcht geſchildert, welche der Niederſchlag jedes ganz großen Eindruckes iſt. Eine ganze Literatur, von der Chronik der Augenzeugen bis zur halbmythologiſchen Tragödie, ſchloß ſich an ſeine Perſon an. 2) Einfluß Frie- drichs und Ezzelino's. Die größern und kleinern Gewaltherrſchaften des XIV. Jahrhunderts verrathen es häufig genug, daß Ein- drücke dieſer Art nicht verloren waren. Ihre Miſſethaten ſchrien laut und die Geſchichte hat ſie umſtändlich verzeich- Herrſcher des XIV. Jahrh. 1) Cento novelle antiche, Nov. 1, 6, 20, 21, 22, 23, 29, 30, 45, 56, 83, 88, 98. 2) Scardeonius, de urbis Patav. antiqu., im Theſaurus des Grä- vius VI., III., p. 259.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/15>, abgerufen am 28.03.2024.