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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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2. Abschnitt.zum Anfänger der Vollender, wie zum Dilettanten der
Meister. Wäre nur Vasari's Werk hier ebenfalls durch
eine Schilderung ergänzt wie bei Leon Battista! Die un-
geheuern Umrisse von Lionardo's Wesen wird man ewig
nur von ferne ahnen können.


Der Ruhm.Der bisher geschilderten Entwicklung des Individuums
entspricht auch eine neue Art von Geltung nach außen:
der moderne Ruhm 1).

Außerhalb Italiens lebten die einzelnen Stände jeder
für sich mit seiner einzelnen mittelalterlichen Standesehre.
Der Dichterruhm der Troubadours und Minnesänger z. B.
existirt nur für den Ritterstand. In Italien dagegen ist
Gleichheit der Stände vor der Tyrannis oder vor der De-
mokratie eingetreten; auch zeigen sich bereits Anfänge einer
allgemeinen Gesellschaft, die ihren Anhalt an der italieni-
schen und lateinischen Literatur hat, wie hier in vorgreifender
Weise bemerkt werden muß; dieses Bodens aber bedurfte
es, um jenes neue Element im Leben zum Keimen zu brin-
gen. Dazu kam, daß die römischen Autoren, welche man
emsig zu studiren begann, von dem Begriff des Ruhmes
erfüllt und getränkt sind und daß schon ihr Sachinhalt --
das Bild der römischen Weltherrschaft -- sich dem italie-
nischen Dasein als dauernde Parallele aufdrängte. Fortan
ist alles Wollen und Vollbringen der Italiener von einer
sittlichen Voraussetzung beherrscht, die das übrige Abend-
land noch nicht kennt.

Dante.Wiederum muß zuerst Dante gehört werden, wie bei

1) Ein Autor statt Vieler: Blondus, Roma triumphans, L. V,
p. 117, s.,
wo die Definitionen der Gloria aus den Alten gesam-
melt sind und auch dem Christen ausdrücklich die Ruhmbegier ge-
stattet wird. -- Cicero's Schrift de gloria, welche noch Petrarca
besaß, ist bekanntlich seitdem verloren gegangen.

2. Abſchnitt.zum Anfänger der Vollender, wie zum Dilettanten der
Meiſter. Wäre nur Vaſari's Werk hier ebenfalls durch
eine Schilderung ergänzt wie bei Leon Battiſta! Die un-
geheuern Umriſſe von Lionardo's Weſen wird man ewig
nur von ferne ahnen können.


Der Ruhm.Der bisher geſchilderten Entwicklung des Individuums
entſpricht auch eine neue Art von Geltung nach außen:
der moderne Ruhm 1).

Außerhalb Italiens lebten die einzelnen Stände jeder
für ſich mit ſeiner einzelnen mittelalterlichen Standesehre.
Der Dichterruhm der Troubadours und Minneſänger z. B.
exiſtirt nur für den Ritterſtand. In Italien dagegen iſt
Gleichheit der Stände vor der Tyrannis oder vor der De-
mokratie eingetreten; auch zeigen ſich bereits Anfänge einer
allgemeinen Geſellſchaft, die ihren Anhalt an der italieni-
ſchen und lateiniſchen Literatur hat, wie hier in vorgreifender
Weiſe bemerkt werden muß; dieſes Bodens aber bedurfte
es, um jenes neue Element im Leben zum Keimen zu brin-
gen. Dazu kam, daß die römiſchen Autoren, welche man
emſig zu ſtudiren begann, von dem Begriff des Ruhmes
erfüllt und getränkt ſind und daß ſchon ihr Sachinhalt —
das Bild der römiſchen Weltherrſchaft — ſich dem italie-
niſchen Daſein als dauernde Parallele aufdrängte. Fortan
iſt alles Wollen und Vollbringen der Italiener von einer
ſittlichen Vorausſetzung beherrſcht, die das übrige Abend-
land noch nicht kennt.

Dante.Wiederum muß zuerſt Dante gehört werden, wie bei

1) Ein Autor ſtatt Vieler: Blondus, Roma triumphans, L. V,
p. 117, s.,
wo die Definitionen der Gloria aus den Alten geſam-
melt ſind und auch dem Chriſten ausdrücklich die Ruhmbegier ge-
ſtattet wird. — Cicero's Schrift de gloria, welche noch Petrarca
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[142/0152] zum Anfänger der Vollender, wie zum Dilettanten der Meiſter. Wäre nur Vaſari's Werk hier ebenfalls durch eine Schilderung ergänzt wie bei Leon Battiſta! Die un- geheuern Umriſſe von Lionardo's Weſen wird man ewig nur von ferne ahnen können. 2. Abſchnitt. Der bisher geſchilderten Entwicklung des Individuums entſpricht auch eine neue Art von Geltung nach außen: der moderne Ruhm 1). Der Ruhm. Außerhalb Italiens lebten die einzelnen Stände jeder für ſich mit ſeiner einzelnen mittelalterlichen Standesehre. Der Dichterruhm der Troubadours und Minneſänger z. B. exiſtirt nur für den Ritterſtand. In Italien dagegen iſt Gleichheit der Stände vor der Tyrannis oder vor der De- mokratie eingetreten; auch zeigen ſich bereits Anfänge einer allgemeinen Geſellſchaft, die ihren Anhalt an der italieni- ſchen und lateiniſchen Literatur hat, wie hier in vorgreifender Weiſe bemerkt werden muß; dieſes Bodens aber bedurfte es, um jenes neue Element im Leben zum Keimen zu brin- gen. Dazu kam, daß die römiſchen Autoren, welche man emſig zu ſtudiren begann, von dem Begriff des Ruhmes erfüllt und getränkt ſind und daß ſchon ihr Sachinhalt — das Bild der römiſchen Weltherrſchaft — ſich dem italie- niſchen Daſein als dauernde Parallele aufdrängte. Fortan iſt alles Wollen und Vollbringen der Italiener von einer ſittlichen Vorausſetzung beherrſcht, die das übrige Abend- land noch nicht kennt. Wiederum muß zuerſt Dante gehört werden, wie bei Dante. 1) Ein Autor ſtatt Vieler: Blondus, Roma triumphans, L. V, p. 117, s., wo die Definitionen der Gloria aus den Alten geſam- melt ſind und auch dem Chriſten ausdrücklich die Ruhmbegier ge- ſtattet wird. — Cicero's Schrift de gloria, welche noch Petrarca beſaß, iſt bekanntlich ſeitdem verloren gegangen.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/152>, abgerufen am 29.03.2024.