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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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während er jedenfalls, um sie zu einer rechtlich zu verant-
wortenden gestalten zu können, deren innere Seite bilden
müßte. Es fehlt also an dem Nachweise der Uebertragbarkeit
des nachträglich entstandenen, auf den Erfolg gerichteten,
Willens in die ursprüngliche Causalität. Man könnte hier
zwar etwa sagen, der Handelnde reflectire bei Vornahme der
straflosen Handlung auf einen demnächstigen Entschluß,
entweder den später etwa als bevorstehend von ihm erkannt
werdenden Erfolg derselben abzuwenden, oder ihn sich voll-
ziehen zu lassen, und es entstehe hierdurch ein Zusammenhang
des gegenwärtigen Willens mit dem künftigen, welcher es
ermögliche, daß, wenn demnächst der Wille gefaßt werde, den
jetzt als bevorstehend erkannten Erfolg nicht abzuwenden,
dieser strafbare Wille an die Stelle des ursprünglichen straf-
losen Willens in die Causalität eintrete und sie daher von
da ab
strafbar mache. (Gerichtssaal l. c.) Diese Construction
dürfte aber nur eine Fiction sein und würde namentlich dahin
führen, daß der Erfolg selbst dann als ein doloser oder
culposer zugerechnet werden müßte, wenn er auch späterhin
in Wirklichkeit gar nicht abwendbar gewesen wäre. -- Die
Ansicht v. B. endlich (S. 99, 109) geht davon aus, daß,
wenn Jemand eine zwar schuldlose, aber doch der Regel des
Lebens widersprechende, Handlung vorgenommen und nach
Vornahme derselben auf das jetzt als bevorstehend erkannte,
zu der eigenen Causalität hinzutretende und sie zum Erfolge
hinleitende, Ereigniß gerechnet habe, die Causalität der eigenen
Thätigkeit, sich erweiternd, auch über dieses Ereigniß sich
erstrecke und somit Haftbarkeit für den Erfolg begründe.
Wie jedoch durch den bloßen Willen die allerdings auf das
spätere Ereigniß sich erstreckende eigene Causalität mit ver-
brecherischer Schuld erfüllt werden könne, wird nicht dar-
gelegt. Hat Jemand (S. 110) eine von ihm in schuldloser

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während er jedenfalls, um ſie zu einer rechtlich zu verant-
wortenden geſtalten zu können, deren innere Seite bilden
müßte. Es fehlt alſo an dem Nachweiſe der Uebertragbarkeit
des nachträglich entſtandenen, auf den Erfolg gerichteten,
Willens in die urſprüngliche Cauſalität. Man könnte hier
zwar etwa ſagen, der Handelnde reflectire bei Vornahme der
ſtrafloſen Handlung auf einen demnächſtigen Entſchluß,
entweder den ſpäter etwa als bevorſtehend von ihm erkannt
werdenden Erfolg derſelben abzuwenden, oder ihn ſich voll-
ziehen zu laſſen, und es entſtehe hierdurch ein Zuſammenhang
des gegenwärtigen Willens mit dem künftigen, welcher es
ermögliche, daß, wenn demnächſt der Wille gefaßt werde, den
jetzt als bevorſtehend erkannten Erfolg nicht abzuwenden,
dieſer ſtrafbare Wille an die Stelle des urſprünglichen ſtraf-
loſen Willens in die Cauſalität eintrete und ſie daher von
da ab
ſtrafbar mache. (Gerichtsſaal l. c.) Dieſe Conſtruction
dürfte aber nur eine Fiction ſein und würde namentlich dahin
führen, daß der Erfolg ſelbſt dann als ein doloſer oder
culpoſer zugerechnet werden müßte, wenn er auch ſpäterhin
in Wirklichkeit gar nicht abwendbar geweſen wäre. — Die
Anſicht v. B. endlich (S. 99, 109) geht davon aus, daß,
wenn Jemand eine zwar ſchuldloſe, aber doch der Regel des
Lebens widerſprechende, Handlung vorgenommen und nach
Vornahme derſelben auf das jetzt als bevorſtehend erkannte,
zu der eigenen Cauſalität hinzutretende und ſie zum Erfolge
hinleitende, Ereigniß gerechnet habe, die Cauſalität der eigenen
Thätigkeit, ſich erweiternd, auch über dieſes Ereigniß ſich
erſtrecke und ſomit Haftbarkeit für den Erfolg begründe.
Wie jedoch durch den bloßen Willen die allerdings auf das
ſpätere Ereigniß ſich erſtreckende eigene Cauſalität mit ver-
brecheriſcher Schuld erfüllt werden könne, wird nicht dar-
gelegt. Hat Jemand (S. 110) eine von ihm in ſchuldloſer

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[97/0101] während er jedenfalls, um ſie zu einer rechtlich zu verant- wortenden geſtalten zu können, deren innere Seite bilden müßte. Es fehlt alſo an dem Nachweiſe der Uebertragbarkeit des nachträglich entſtandenen, auf den Erfolg gerichteten, Willens in die urſprüngliche Cauſalität. Man könnte hier zwar etwa ſagen, der Handelnde reflectire bei Vornahme der ſtrafloſen Handlung auf einen demnächſtigen Entſchluß, entweder den ſpäter etwa als bevorſtehend von ihm erkannt werdenden Erfolg derſelben abzuwenden, oder ihn ſich voll- ziehen zu laſſen, und es entſtehe hierdurch ein Zuſammenhang des gegenwärtigen Willens mit dem künftigen, welcher es ermögliche, daß, wenn demnächſt der Wille gefaßt werde, den jetzt als bevorſtehend erkannten Erfolg nicht abzuwenden, dieſer ſtrafbare Wille an die Stelle des urſprünglichen ſtraf- loſen Willens in die Cauſalität eintrete und ſie daher von da ab ſtrafbar mache. (Gerichtsſaal l. c.) Dieſe Conſtruction dürfte aber nur eine Fiction ſein und würde namentlich dahin führen, daß der Erfolg ſelbſt dann als ein doloſer oder culpoſer zugerechnet werden müßte, wenn er auch ſpäterhin in Wirklichkeit gar nicht abwendbar geweſen wäre. — Die Anſicht v. B. endlich (S. 99, 109) geht davon aus, daß, wenn Jemand eine zwar ſchuldloſe, aber doch der Regel des Lebens widerſprechende, Handlung vorgenommen und nach Vornahme derſelben auf das jetzt als bevorſtehend erkannte, zu der eigenen Cauſalität hinzutretende und ſie zum Erfolge hinleitende, Ereigniß gerechnet habe, die Cauſalität der eigenen Thätigkeit, ſich erweiternd, auch über dieſes Ereigniß ſich erſtrecke und ſomit Haftbarkeit für den Erfolg begründe. Wie jedoch durch den bloßen Willen die allerdings auf das ſpätere Ereigniß ſich erſtreckende eigene Cauſalität mit ver- brecheriſcher Schuld erfüllt werden könne, wird nicht dar- gelegt. Hat Jemand (S. 110) eine von ihm in ſchuldloſer 7

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/101>, abgerufen am 23.04.2024.