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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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nicht sofort verscharren wird, so ist es doch sicher regelmäßig,
daß der Thäter den Menschen, welchen er getödtet zu haben
glaubt, als Leichnam betrachtet und zum Zweck der Ver-
heimlichung seines Verbrechens alsbald Handlungen mit
demselben vornimmt, welche, den Tod eines Lebenden herbei-
zuführen, geeignet sind. Und ebenso sagt sich auch der Thäter
schon von vornherein, daß er solche Handlungen demnächst
mit dem Leichnam vornehmen werde. -- Von einem dolus
eventualis,
welchen v. B. unter den von ihm hervorgehobenen
Voraussetzungen annimmt, könnte eben nur dann geredet
werden, wenn der Handelnde bei Vornahme der ersten Hand-
lung ausdrücklich davon ausgegangen war, seine demnächstige
Ueberzeugung, den Erfolg bereits herbeigeführt zu haben,
werde möglicher Weise eine irrige sein. Von Demjenigen,
welcher seinem Gegner auf einige Schritte Entfernung
eine Kugel durch das Herz zu schießen gedenkt, wird dies
ohne unzulässige Vermuthung nicht angenommen werden
dürfen.

Eine ganz besondere Anwendung findet der d. g. in
den v. B. (S. 72, 73 Anm.) referirten Beispielen Bekkers,
indem derselbe hier nicht auf den nämlichen Erfolg beschränkt
erscheint, er vielmehr seine Wirkungen über mehrere Erfolge
ausdehnen soll. -- Wenn Jemand mit dem Entschlusse, einen
eigenen Haufen Heu einzufahren und einen daneben sitzenden
fremden Haufen Heu zu stehlen, zuerst in der Meinung, daß
er sich das fremde Heu aneigene, das eigene einfährt, dann
aber in der Meinung, das eigene aufzuladen, das fremde
Heu nach Hause bringt, so soll vermöge des d. g. das fremde
Heu als (dolos) entwendet zu betrachten sein. Diese Ent-
scheidung wird v. B. mit dem Bemerken gebilligt, es sei die-
selbe darin begründet, daß das Wegfahren des eigenen Heues
als eine auf die Wegnahme des fremden Heues folgende

nicht ſofort verſcharren wird, ſo iſt es doch ſicher regelmäßig,
daß der Thäter den Menſchen, welchen er getödtet zu haben
glaubt, als Leichnam betrachtet und zum Zweck der Ver-
heimlichung ſeines Verbrechens alsbald Handlungen mit
demſelben vornimmt, welche, den Tod eines Lebenden herbei-
zuführen, geeignet ſind. Und ebenſo ſagt ſich auch der Thäter
ſchon von vornherein, daß er ſolche Handlungen demnächſt
mit dem Leichnam vornehmen werde. — Von einem dolus
eventualis,
welchen v. B. unter den von ihm hervorgehobenen
Vorausſetzungen annimmt, könnte eben nur dann geredet
werden, wenn der Handelnde bei Vornahme der erſten Hand-
lung ausdrücklich davon ausgegangen war, ſeine demnächſtige
Ueberzeugung, den Erfolg bereits herbeigeführt zu haben,
werde möglicher Weiſe eine irrige ſein. Von Demjenigen,
welcher ſeinem Gegner auf einige Schritte Entfernung
eine Kugel durch das Herz zu ſchießen gedenkt, wird dies
ohne unzuläſſige Vermuthung nicht angenommen werden
dürfen.

Eine ganz beſondere Anwendung findet der d. g. in
den v. B. (S. 72, 73 Anm.) referirten Beiſpielen Bekkers,
indem derſelbe hier nicht auf den nämlichen Erfolg beſchränkt
erſcheint, er vielmehr ſeine Wirkungen über mehrere Erfolge
ausdehnen ſoll. — Wenn Jemand mit dem Entſchluſſe, einen
eigenen Haufen Heu einzufahren und einen daneben ſitzenden
fremden Haufen Heu zu ſtehlen, zuerſt in der Meinung, daß
er ſich das fremde Heu aneigene, das eigene einfährt, dann
aber in der Meinung, das eigene aufzuladen, das fremde
Heu nach Hauſe bringt, ſo ſoll vermöge des d. g. das fremde
Heu als (dolos) entwendet zu betrachten ſein. Dieſe Ent-
ſcheidung wird v. B. mit dem Bemerken gebilligt, es ſei die-
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[78/0082] nicht ſofort verſcharren wird, ſo iſt es doch ſicher regelmäßig, daß der Thäter den Menſchen, welchen er getödtet zu haben glaubt, als Leichnam betrachtet und zum Zweck der Ver- heimlichung ſeines Verbrechens alsbald Handlungen mit demſelben vornimmt, welche, den Tod eines Lebenden herbei- zuführen, geeignet ſind. Und ebenſo ſagt ſich auch der Thäter ſchon von vornherein, daß er ſolche Handlungen demnächſt mit dem Leichnam vornehmen werde. — Von einem dolus eventualis, welchen v. B. unter den von ihm hervorgehobenen Vorausſetzungen annimmt, könnte eben nur dann geredet werden, wenn der Handelnde bei Vornahme der erſten Hand- lung ausdrücklich davon ausgegangen war, ſeine demnächſtige Ueberzeugung, den Erfolg bereits herbeigeführt zu haben, werde möglicher Weiſe eine irrige ſein. Von Demjenigen, welcher ſeinem Gegner auf einige Schritte Entfernung eine Kugel durch das Herz zu ſchießen gedenkt, wird dies ohne unzuläſſige Vermuthung nicht angenommen werden dürfen. Eine ganz beſondere Anwendung findet der d. g. in den v. B. (S. 72, 73 Anm.) referirten Beiſpielen Bekkers, indem derſelbe hier nicht auf den nämlichen Erfolg beſchränkt erſcheint, er vielmehr ſeine Wirkungen über mehrere Erfolge ausdehnen ſoll. — Wenn Jemand mit dem Entſchluſſe, einen eigenen Haufen Heu einzufahren und einen daneben ſitzenden fremden Haufen Heu zu ſtehlen, zuerſt in der Meinung, daß er ſich das fremde Heu aneigene, das eigene einfährt, dann aber in der Meinung, das eigene aufzuladen, das fremde Heu nach Hauſe bringt, ſo ſoll vermöge des d. g. das fremde Heu als (dolos) entwendet zu betrachten ſein. Dieſe Ent- ſcheidung wird v. B. mit dem Bemerken gebilligt, es ſei die- ſelbe darin begründet, daß das Wegfahren des eigenen Heues als eine auf die Wegnahme des fremden Heues folgende

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/82>, abgerufen am 19.04.2024.