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Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

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angenommen werden, A habe den vor ihm stehenden Menschen
-- den B -- treffen wollen, nicht aber den C, auf den er
doch seine Absicht gerichtet hatte. Obgleich er sonach diejenige
Person, um welche es ihm galt, getödtet hat, so könnte er
doch nur wegen versuchter Tödtung des B in Concurrenz
mit culposer Tödtung des C bestraft werden. Richtig fällt
ihm dolose Vollendung ohne Concurrenz mit Versuch zur
Last. Hätte er das Treffen des C, den er irrig für B hielt,
nicht einmal als mit einiger Wahrscheinlichkeit bevorstehend
erachtet, so würde er, wenn demungeachtet der auf B, in der
Meinung derselbe sei C, gerichtete Schuß den von ihm zu
tödten beabsichtigten C getödtet hat, doch für diese Vollendung
-- abgesehen von etwaiger culpa -- nicht haftbar sein,
sondern nur für Versuch. Die Haftbarkeit für Versuch aber
würde sich darauf gründen, daß er den B für das gesuchte
Object gehalten hat, und ihm das Treffen desselben möglich
erschienen war.



VII. Straflosigkeit der bewutzten Causalität.

Ob und unter welchen Voraussetzungen Jemand Vor-
beugungsmaßregeln zur Sicherung seines Eigenthums --
durch Anbringung eines Selbstschusses etwa -- treffen dürfe,
hängt nach v. B. (S. 85 flg.) lediglich von der Regel des
Lebens ab. Erschienen hiernach solche gefährliche Veran-
staltungen statthaft, so sei der Dieb, beziehungsweise der
Unvorsichtige, welcher in Folge eigener Thätigkeit hierdurch
beschädigt werde, es selbst, der sich diese Verletzung zuziehe.

angenommen werden, A habe den vor ihm ſtehenden Menſchen
— den B — treffen wollen, nicht aber den C, auf den er
doch ſeine Abſicht gerichtet hatte. Obgleich er ſonach diejenige
Perſon, um welche es ihm galt, getödtet hat, ſo könnte er
doch nur wegen verſuchter Tödtung des B in Concurrenz
mit culpoſer Tödtung des C beſtraft werden. Richtig fällt
ihm doloſe Vollendung ohne Concurrenz mit Verſuch zur
Laſt. Hätte er das Treffen des C, den er irrig für B hielt,
nicht einmal als mit einiger Wahrſcheinlichkeit bevorſtehend
erachtet, ſo würde er, wenn demungeachtet der auf B, in der
Meinung derſelbe ſei C, gerichtete Schuß den von ihm zu
tödten beabſichtigten C getödtet hat, doch für dieſe Vollendung
— abgeſehen von etwaiger culpa — nicht haftbar ſein,
ſondern nur für Verſuch. Die Haftbarkeit für Verſuch aber
würde ſich darauf gründen, daß er den B für das geſuchte
Object gehalten hat, und ihm das Treffen deſſelben möglich
erſchienen war.



VII. Strafloſigkeit der bewutzten Cauſalität.

Ob und unter welchen Vorausſetzungen Jemand Vor-
beugungsmaßregeln zur Sicherung ſeines Eigenthums —
durch Anbringung eines Selbſtſchuſſes etwa — treffen dürfe,
hängt nach v. B. (S. 85 flg.) lediglich von der Regel des
Lebens ab. Erſchienen hiernach ſolche gefährliche Veran-
ſtaltungen ſtatthaft, ſo ſei der Dieb, beziehungsweiſe der
Unvorſichtige, welcher in Folge eigener Thätigkeit hierdurch
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[87/0091] angenommen werden, A habe den vor ihm ſtehenden Menſchen — den B — treffen wollen, nicht aber den C, auf den er doch ſeine Abſicht gerichtet hatte. Obgleich er ſonach diejenige Perſon, um welche es ihm galt, getödtet hat, ſo könnte er doch nur wegen verſuchter Tödtung des B in Concurrenz mit culpoſer Tödtung des C beſtraft werden. Richtig fällt ihm doloſe Vollendung ohne Concurrenz mit Verſuch zur Laſt. Hätte er das Treffen des C, den er irrig für B hielt, nicht einmal als mit einiger Wahrſcheinlichkeit bevorſtehend erachtet, ſo würde er, wenn demungeachtet der auf B, in der Meinung derſelbe ſei C, gerichtete Schuß den von ihm zu tödten beabſichtigten C getödtet hat, doch für dieſe Vollendung — abgeſehen von etwaiger culpa — nicht haftbar ſein, ſondern nur für Verſuch. Die Haftbarkeit für Verſuch aber würde ſich darauf gründen, daß er den B für das geſuchte Object gehalten hat, und ihm das Treffen deſſelben möglich erſchienen war. VII. Strafloſigkeit der bewutzten Cauſalität. Ob und unter welchen Vorausſetzungen Jemand Vor- beugungsmaßregeln zur Sicherung ſeines Eigenthums — durch Anbringung eines Selbſtſchuſſes etwa — treffen dürfe, hängt nach v. B. (S. 85 flg.) lediglich von der Regel des Lebens ab. Erſchienen hiernach ſolche gefährliche Veran- ſtaltungen ſtatthaft, ſo ſei der Dieb, beziehungsweiſe der Unvorſichtige, welcher in Folge eigener Thätigkeit hierdurch beſchädigt werde, es ſelbſt, der ſich dieſe Verletzung zuziehe.

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Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/91>, abgerufen am 28.03.2024.