Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

getödtet werde. -- Hierbei bringt sich aber ein zweiter
Gesichtspunkt moderirend zur Geltung. Sieht nämlich der
Veranstalter solcher Vorbeugungsmaßregeln ein, oder hätte er
es vorhersehen können, daß unschuldige Dritte durch dieselben
verletzt werden würden, so darf er dieselben straflos nur
treffen, wenn es sich für ihn nach den §§. 52, 54 des
Strafgesetzbuches um Leib oder Leben handelt, und er zugleich
ohne Fahrlässigkeit überzeugt ist, daß sie ihre Wirksamkeit erst
bei gegenwärtiger Gefahr äußern werden. Bei der Erwägung,
ob Dritte würden verletzt werden können, braucht er aber, ohne
besondere Anhaltspunkte dafür zu haben, eine unvorsichtige
Handlungsweise derselben selbstverständlich nicht vorauszusetzen.

Dem nämlichen Gesichtspunkt unterliegt auch die Frage,
inwieweit man überhaupt für Leben oder Gesundheit Anderer
gefährliche Veranstaltungen auf seinem Eigenthum treffen,
ob man etwa hinter der Mauer einen Graben oder eine
Senkgrube anlegen dürfe. Es müssen solche Veranstaltungen,
wenn die Berufung auf die §§. 52--54 des Strafgesetzbuches
unzulässig erscheinen sollte, unterbleiben, insofern man nicht
überzeugt ist, solche Gegenmaßregeln getroffen zu haben,
daß ein Schade nicht verursacht werde. Die dem Gesetz
widersprechende Regel des Lebens ist auch hier unbeachtlich.
Wohl aber sollte sie auch hier wieder maßgebend dafür
sein, unter welchen Verhältnissen man durch die Ausübung
eigener Rechte diejenigen Anderer gefährden, ob man etwa
Feuer auf seinem Herde anzünden dürfe mit dem Bewußt-
sein, daß ein hinüberfliegender Funke das Dach des Nachbarn
in Brand setzen könne.

Jm Falle der Collision von Gesetzen, wenn also etwa
der Beamte eine Amtshandlung ausführt, die ein strafrecht-
liches Ergebniß nach sich ziehen kann, ist selbstverständlich von
einer Haftbarkeit für Dolus keine Rede.



getödtet werde. — Hierbei bringt ſich aber ein zweiter
Geſichtspunkt moderirend zur Geltung. Sieht nämlich der
Veranſtalter ſolcher Vorbeugungsmaßregeln ein, oder hätte er
es vorherſehen können, daß unſchuldige Dritte durch dieſelben
verletzt werden würden, ſo darf er dieſelben ſtraflos nur
treffen, wenn es ſich für ihn nach den §§. 52, 54 des
Strafgeſetzbuches um Leib oder Leben handelt, und er zugleich
ohne Fahrläſſigkeit überzeugt iſt, daß ſie ihre Wirkſamkeit erſt
bei gegenwärtiger Gefahr äußern werden. Bei der Erwägung,
ob Dritte würden verletzt werden können, braucht er aber, ohne
beſondere Anhaltspunkte dafür zu haben, eine unvorſichtige
Handlungsweiſe derſelben ſelbſtverſtändlich nicht vorauszuſetzen.

Dem nämlichen Geſichtspunkt unterliegt auch die Frage,
inwieweit man überhaupt für Leben oder Geſundheit Anderer
gefährliche Veranſtaltungen auf ſeinem Eigenthum treffen,
ob man etwa hinter der Mauer einen Graben oder eine
Senkgrube anlegen dürfe. Es müſſen ſolche Veranſtaltungen,
wenn die Berufung auf die §§. 52—54 des Strafgeſetzbuches
unzuläſſig erſcheinen ſollte, unterbleiben, inſofern man nicht
überzeugt iſt, ſolche Gegenmaßregeln getroffen zu haben,
daß ein Schade nicht verurſacht werde. Die dem Geſetz
widerſprechende Regel des Lebens iſt auch hier unbeachtlich.
Wohl aber ſollte ſie auch hier wieder maßgebend dafür
ſein, unter welchen Verhältniſſen man durch die Ausübung
eigener Rechte diejenigen Anderer gefährden, ob man etwa
Feuer auf ſeinem Herde anzünden dürfe mit dem Bewußt-
ſein, daß ein hinüberfliegender Funke das Dach des Nachbarn
in Brand ſetzen könne.

Jm Falle der Colliſion von Geſetzen, wenn alſo etwa
der Beamte eine Amtshandlung ausführt, die ein ſtrafrecht-
liches Ergebniß nach ſich ziehen kann, iſt ſelbſtverſtändlich von
einer Haftbarkeit für Dolus keine Rede.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0099" n="95"/>
getödtet werde. &#x2014; Hierbei bringt &#x017F;ich aber ein zweiter<lb/>
Ge&#x017F;ichtspunkt moderirend zur Geltung. Sieht nämlich der<lb/>
Veran&#x017F;talter &#x017F;olcher Vorbeugungsmaßregeln ein, oder hätte er<lb/>
es vorher&#x017F;ehen können, daß un&#x017F;chuldige Dritte durch die&#x017F;elben<lb/>
verletzt werden würden, &#x017F;o darf er die&#x017F;elben &#x017F;traflos nur<lb/>
treffen, wenn es &#x017F;ich für ihn nach den §§. 52, 54 des<lb/>
Strafge&#x017F;etzbuches um Leib oder Leben handelt, und er zugleich<lb/>
ohne Fahrlä&#x017F;&#x017F;igkeit überzeugt i&#x017F;t, daß &#x017F;ie ihre Wirk&#x017F;amkeit er&#x017F;t<lb/>
bei gegenwärtiger Gefahr äußern werden. Bei der Erwägung,<lb/>
ob Dritte würden verletzt werden können, braucht er aber, ohne<lb/>
be&#x017F;ondere Anhaltspunkte dafür zu haben, eine unvor&#x017F;ichtige<lb/>
Handlungswei&#x017F;e der&#x017F;elben &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich nicht vorauszu&#x017F;etzen.</p><lb/>
        <p>Dem nämlichen Ge&#x017F;ichtspunkt unterliegt auch die Frage,<lb/>
inwieweit man überhaupt für Leben oder Ge&#x017F;undheit Anderer<lb/>
gefährliche Veran&#x017F;taltungen auf &#x017F;einem Eigenthum treffen,<lb/>
ob man etwa hinter der Mauer einen Graben oder eine<lb/>
Senkgrube anlegen dürfe. Es mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olche Veran&#x017F;taltungen,<lb/>
wenn die Berufung auf die §§. 52&#x2014;54 des Strafge&#x017F;etzbuches<lb/>
unzulä&#x017F;&#x017F;ig er&#x017F;cheinen &#x017F;ollte, unterbleiben, in&#x017F;ofern man nicht<lb/>
überzeugt i&#x017F;t, &#x017F;olche Gegenmaßregeln getroffen zu haben,<lb/>
daß ein Schade nicht verur&#x017F;acht werde. Die dem Ge&#x017F;etz<lb/>
wider&#x017F;prechende Regel des Lebens i&#x017F;t auch hier unbeachtlich.<lb/>
Wohl aber <hi rendition="#g">&#x017F;ollte</hi> &#x017F;ie auch hier wieder maßgebend dafür<lb/>
&#x017F;ein, unter welchen Verhältni&#x017F;&#x017F;en man durch die <hi rendition="#g">Ausübung</hi><lb/>
eigener Rechte diejenigen Anderer gefährden, ob man etwa<lb/>
Feuer auf &#x017F;einem Herde anzünden dürfe mit dem Bewußt-<lb/>
&#x017F;ein, daß ein hinüberfliegender Funke das Dach des Nachbarn<lb/>
in Brand &#x017F;etzen könne.</p><lb/>
        <p>Jm Falle der Colli&#x017F;ion von Ge&#x017F;etzen, wenn al&#x017F;o etwa<lb/>
der Beamte eine Amtshandlung ausführt, die ein &#x017F;trafrecht-<lb/>
liches Ergebniß nach &#x017F;ich ziehen kann, i&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich von<lb/>
einer Haftbarkeit für Dolus keine Rede.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0099] getödtet werde. — Hierbei bringt ſich aber ein zweiter Geſichtspunkt moderirend zur Geltung. Sieht nämlich der Veranſtalter ſolcher Vorbeugungsmaßregeln ein, oder hätte er es vorherſehen können, daß unſchuldige Dritte durch dieſelben verletzt werden würden, ſo darf er dieſelben ſtraflos nur treffen, wenn es ſich für ihn nach den §§. 52, 54 des Strafgeſetzbuches um Leib oder Leben handelt, und er zugleich ohne Fahrläſſigkeit überzeugt iſt, daß ſie ihre Wirkſamkeit erſt bei gegenwärtiger Gefahr äußern werden. Bei der Erwägung, ob Dritte würden verletzt werden können, braucht er aber, ohne beſondere Anhaltspunkte dafür zu haben, eine unvorſichtige Handlungsweiſe derſelben ſelbſtverſtändlich nicht vorauszuſetzen. Dem nämlichen Geſichtspunkt unterliegt auch die Frage, inwieweit man überhaupt für Leben oder Geſundheit Anderer gefährliche Veranſtaltungen auf ſeinem Eigenthum treffen, ob man etwa hinter der Mauer einen Graben oder eine Senkgrube anlegen dürfe. Es müſſen ſolche Veranſtaltungen, wenn die Berufung auf die §§. 52—54 des Strafgeſetzbuches unzuläſſig erſcheinen ſollte, unterbleiben, inſofern man nicht überzeugt iſt, ſolche Gegenmaßregeln getroffen zu haben, daß ein Schade nicht verurſacht werde. Die dem Geſetz widerſprechende Regel des Lebens iſt auch hier unbeachtlich. Wohl aber ſollte ſie auch hier wieder maßgebend dafür ſein, unter welchen Verhältniſſen man durch die Ausübung eigener Rechte diejenigen Anderer gefährden, ob man etwa Feuer auf ſeinem Herde anzünden dürfe mit dem Bewußt- ſein, daß ein hinüberfliegender Funke das Dach des Nachbarn in Brand ſetzen könne. Jm Falle der Colliſion von Geſetzen, wenn alſo etwa der Beamte eine Amtshandlung ausführt, die ein ſtrafrecht- liches Ergebniß nach ſich ziehen kann, iſt ſelbſtverſtändlich von einer Haftbarkeit für Dolus keine Rede.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/99
Zitationshilfe: Buri, Maximilian von: Ueber Causalität und deren Verantwortung. Leipzig, 1873, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buri_causalitaet_1873/99>, abgerufen am 23.04.2024.