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Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780.

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schaft mit andern Menschen uns so tief einge-
pflanzt hat!

Das erste, was Robinson mit seinem
Freitag am andern Morgen vornahm, war ein
Gang nach der Stelle, wo die Wilden den Tag
vorher ihre unmenschliche Siegesmahlzeit gehal-
ten hatten. Im Hingehen kamen sie zu nächst
an den Ort, wo die beiden von Robinson er-
schlagenen Wilden verschart lagen. Freitag
zeigte seinem Herrn die Stelle, und ließ sich
nicht undeutlich merken, daß er wohl Lust hät-
te, die todten Leiber wieder aufzugraben, um
eine Mahlzeit davon zu halten. Aber Robin-
son
machte ein erschrekliches, Unwillen und Ab-
scheu ausdrükkendes Gesicht, hob seine Lanze
drohend empor, und gab ihm zu verstehen, daß
er ihn auf der Stelle tödten würde, sobald er
sich jemahls wieder einfallen liesse, Menschen-
fleisch zu essen. Freitag verstand die Drohun[g],
und unterwarf sich demüthig dem Willen sei-
nes Herrn, ohngeachtet er nicht begreifen kon-
te, was er doch für Ursachen haben mögte,
ihm ein Vergnügen zu versagen, von dessen

Ab-

ſchaft mit andern Menſchen uns ſo tief einge-
pflanzt hat!

Das erſte, was Robinſon mit ſeinem
Freitag am andern Morgen vornahm, war ein
Gang nach der Stelle, wo die Wilden den Tag
vorher ihre unmenſchliche Siegesmahlzeit gehal-
ten hatten. Im Hingehen kamen ſie zu naͤchſt
an den Ort, wo die beiden von Robinſon er-
ſchlagenen Wilden verſchart lagen. Freitag
zeigte ſeinem Herrn die Stelle, und ließ ſich
nicht undeutlich merken, daß er wohl Luſt haͤt-
te, die todten Leiber wieder aufzugraben, um
eine Mahlzeit davon zu halten. Aber Robin-
ſon
machte ein erſchrekliches, Unwillen und Ab-
ſcheu ausdruͤkkendes Geſicht, hob ſeine Lanze
drohend empor, und gab ihm zu verſtehen, daß
er ihn auf der Stelle toͤdten wuͤrde, ſobald er
ſich jemahls wieder einfallen lieſſe, Menſchen-
fleiſch zu eſſen. Freitag verſtand die Drohun[g],
und unterwarf ſich demuͤthig dem Willen ſei-
nes Herrn, ohngeachtet er nicht begreifen kon-
te, was er doch fuͤr Urſachen haben moͤgte,
ihm ein Vergnuͤgen zu verſagen, von deſſen

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[95/0101] ſchaft mit andern Menſchen uns ſo tief einge- pflanzt hat! Das erſte, was Robinſon mit ſeinem Freitag am andern Morgen vornahm, war ein Gang nach der Stelle, wo die Wilden den Tag vorher ihre unmenſchliche Siegesmahlzeit gehal- ten hatten. Im Hingehen kamen ſie zu naͤchſt an den Ort, wo die beiden von Robinſon er- ſchlagenen Wilden verſchart lagen. Freitag zeigte ſeinem Herrn die Stelle, und ließ ſich nicht undeutlich merken, daß er wohl Luſt haͤt- te, die todten Leiber wieder aufzugraben, um eine Mahlzeit davon zu halten. Aber Robin- ſon machte ein erſchrekliches, Unwillen und Ab- ſcheu ausdruͤkkendes Geſicht, hob ſeine Lanze drohend empor, und gab ihm zu verſtehen, daß er ihn auf der Stelle toͤdten wuͤrde, ſobald er ſich jemahls wieder einfallen lieſſe, Menſchen- fleiſch zu eſſen. Freitag verſtand die Drohung, und unterwarf ſich demuͤthig dem Willen ſei- nes Herrn, ohngeachtet er nicht begreifen kon- te, was er doch fuͤr Urſachen haben moͤgte, ihm ein Vergnuͤgen zu verſagen, von deſſen Ab-

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Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Robinson der Jüngere. Bd. 2. Hamburg, 1780, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_robinson02_1780/101>, abgerufen am 24.04.2024.