Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Mensch, als Eins gesetzt, lebt mir im Andern.
Ist dieses Andre Gott, so ist Erhebung
In's ew'ge Leben liebendes Versenken,
Und tief, tief unter dir bebt Todesbebung
Wie bei der luft'gen Geister Gipfelwandern
Das sinnig anmutvolle Dichter denken.
Ist, dran wir uns verschenken,
Das Andre Christus, was ist unser Wesen
Dann wenn nicht Gottes? Nur des Mittlers Weben
Beut uns ja ew'ges Leben
Und Weseneinsicht denen die verwesen.
Drum freut mich kindlich jedes Tages Scheinen.
Lust ward mein heimliches Kohelethweinen.
O Firmament wo meine Sterne glänzen,
Wie hast du meiner Sehnsucht Schloß erschlossen!
Wie thut dein tiefes Blau so wol den Blicken!
O dunkler Grund draus meine Blumen sprossen,
Wie heimlich unterbreitest bunten Kränzen
Du dich zu überschwänglichem Erquicken!
Ach, wer kann je ersticken
Der Gottessehnsucht ewig rohe Wunde?
Doch ewig blutet sie nur Wonneschmerzen
Wenn aufging tief im Herzen
Erkenntnißglanz vom höchsten Liebesbunde.
Nur wie der Wollust Uebermaß in Thränen
Seufzt, seufzt hochüberfülltes frommes Sehnen.
Der Menſch, als Eins geſetzt, lebt mir im Andern.
Iſt dieſes Andre Gott, ſo iſt Erhebung
In's ew'ge Leben liebendes Verſenken,
Und tief, tief unter dir bebt Todesbebung
Wie bei der luft'gen Geiſter Gipfelwandern
Das ſinnig anmutvolle Dichter denken.
Iſt, dran wir uns verſchenken,
Das Andre Chriſtus, was iſt unſer Weſen
Dann wenn nicht Gottes? Nur des Mittlers Weben
Beut uns ja ew'ges Leben
Und Weſeneinſicht denen die verweſen.
Drum freut mich kindlich jedes Tages Scheinen.
Luſt ward mein heimliches Kohelethweinen.
O Firmament wo meine Sterne glänzen,
Wie haſt du meiner Sehnſucht Schloß erſchloſſen!
Wie thut dein tiefes Blau ſo wol den Blicken!
O dunkler Grund draus meine Blumen ſproſſen,
Wie heimlich unterbreiteſt bunten Kränzen
Du dich zu überſchwänglichem Erquicken!
Ach, wer kann je erſticken
Der Gottesſehnſucht ewig rohe Wunde?
Doch ewig blutet ſie nur Wonneſchmerzen
Wenn aufging tief im Herzen
Erkenntnißglanz vom höchſten Liebesbunde.
Nur wie der Wolluſt Uebermaß in Thränen
Seufzt, ſeufzt hochüberfülltes frommes Sehnen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0034" n="20"/>
            <lg n="16">
              <l>Der Men&#x017F;ch, als Eins ge&#x017F;etzt, lebt mir im Andern.</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t die&#x017F;es Andre Gott, &#x017F;o i&#x017F;t Erhebung</l><lb/>
              <l>In's ew'ge Leben liebendes Ver&#x017F;enken,</l><lb/>
              <l>Und tief, tief unter dir bebt Todesbebung</l><lb/>
              <l>Wie bei der luft'gen Gei&#x017F;ter Gipfelwandern</l><lb/>
              <l>Das &#x017F;innig anmutvolle Dichter denken.</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t, dran wir uns ver&#x017F;chenken,</l><lb/>
              <l>Das Andre Chri&#x017F;tus, was i&#x017F;t un&#x017F;er We&#x017F;en</l><lb/>
              <l>Dann wenn nicht Gottes? Nur des Mittlers Weben</l><lb/>
              <l>Beut uns ja ew'ges Leben</l><lb/>
              <l>Und We&#x017F;enein&#x017F;icht denen die verwe&#x017F;en.</l><lb/>
              <l>Drum freut mich kindlich jedes Tages Scheinen.</l><lb/>
              <l>Lu&#x017F;t ward mein heimliches Kohelethweinen.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="17">
              <l>O Firmament wo meine Sterne glänzen,</l><lb/>
              <l>Wie ha&#x017F;t du meiner Sehn&#x017F;ucht Schloß er&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en!</l><lb/>
              <l>Wie thut dein tiefes Blau &#x017F;o wol den Blicken!</l><lb/>
              <l>O dunkler Grund draus meine Blumen &#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Wie heimlich unterbreite&#x017F;t bunten Kränzen</l><lb/>
              <l>Du dich zu über&#x017F;chwänglichem Erquicken!</l><lb/>
              <l>Ach, wer kann je er&#x017F;ticken</l><lb/>
              <l>Der Gottes&#x017F;ehn&#x017F;ucht ewig rohe Wunde?</l><lb/>
              <l>Doch ewig blutet &#x017F;ie nur Wonne&#x017F;chmerzen</l><lb/>
              <l>Wenn aufging tief im Herzen</l><lb/>
              <l>Erkenntnißglanz vom höch&#x017F;ten Liebesbunde.</l><lb/>
              <l>Nur wie der Wollu&#x017F;t Uebermaß in Thränen</l><lb/>
              <l>Seufzt, &#x017F;eufzt hochüberfülltes frommes Sehnen.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0034] Der Menſch, als Eins geſetzt, lebt mir im Andern. Iſt dieſes Andre Gott, ſo iſt Erhebung In's ew'ge Leben liebendes Verſenken, Und tief, tief unter dir bebt Todesbebung Wie bei der luft'gen Geiſter Gipfelwandern Das ſinnig anmutvolle Dichter denken. Iſt, dran wir uns verſchenken, Das Andre Chriſtus, was iſt unſer Weſen Dann wenn nicht Gottes? Nur des Mittlers Weben Beut uns ja ew'ges Leben Und Weſeneinſicht denen die verweſen. Drum freut mich kindlich jedes Tages Scheinen. Luſt ward mein heimliches Kohelethweinen. O Firmament wo meine Sterne glänzen, Wie haſt du meiner Sehnſucht Schloß erſchloſſen! Wie thut dein tiefes Blau ſo wol den Blicken! O dunkler Grund draus meine Blumen ſproſſen, Wie heimlich unterbreiteſt bunten Kränzen Du dich zu überſchwänglichem Erquicken! Ach, wer kann je erſticken Der Gottesſehnſucht ewig rohe Wunde? Doch ewig blutet ſie nur Wonneſchmerzen Wenn aufging tief im Herzen Erkenntnißglanz vom höchſten Liebesbunde. Nur wie der Wolluſt Uebermaß in Thränen Seufzt, ſeufzt hochüberfülltes frommes Sehnen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854/34
Zitationshilfe: Candidus, Karl: Der deutsche Christus. Fünfzehn Canzonen. Leipzig, 1844, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/candidus_christus_1854/34>, abgerufen am 23.04.2024.