get, daß er die Münze verringert, und sie damit bezahlet hätte. Seine Feinde hetzten dieselben noch mehr auf, so daß sie haufenweise zusammen liefen und dro- heten, ihn in seinem Palaste umzubringen. Als der Defterdar durch seine Freunde von dieser vorseyenden Gefahr Nachricht erhielte: so nahm er seine Zuflucht in den kaiserlichen Palast, und bat Murad ganz demüthig um Schutz gegen die Wut der Soldaten. Die Aufrührer hatten dieses kaum erfahren: so umringeten sie den Palast, und forderten mit Ungestüme, daß man ihnen den Schatzmeister ausliefern sollte. Weil aber der Kaiser ihnen dieses abschlug: so drangen sie noch heftiger auf ihre Forderung, besetzten alle Zugänge, und droheten dem Sultan eben so wol, als allen den Großen, den Untergang und Tod.
18.
In dieser Noth erachtet es Murad für rathsam, die äußersten Mit-Die Jeng- itscheri werden zu Paren getrie- ben und begna- diget. tel zu gebrauchen, damit die kaiserliche Hoheit nicht in Verachtung fallen möge. Er bewaffnet daher alle seine Kämmerlinge und Baltadschi 13, und befiehlet, die Thore zu öffnen, und die Jeng-itscheri als Unglaubige und Ungehorsame anzu- greifen. Dieser Befehl wird auch von ihnen herzhaft vollstrecket; und weil sie des Kaisers Leben ihrem eigenen vorziehen: so fallen sie die ohne Ordnung zusammen gelaufenen Jeng-itscheri wie die Löwen an. Gleich bey dem ersten Angriffe werden ihrer hundert und siebenzehen umgebracht, ehe sie noch alle zusammen kommen konnten; und die übrigen werden theils zerstreuet, und theils nehmen sie die Flucht und gehen nach Hause. Zuletzt schlägt sich der oberste Weßir, Sinan Pascha, ins Mittel, und besänftiget durch seine Reden den Zorn des Kaisers, indem er vorstellet, daß nicht alle gleich durch gestrafet werden müßten. An den ersten Urhebern des Aufruhrs müsse man zwar, andern zum Beyspiele, Strafe ausüben; wenn man aber diejenigen, die durch den Strom seyen hingerissen worden, auf gleiche Weise strafen wollte: so würde dieses nicht nur unbillig, sondern auch dem State nachtheilig seyn. Murad lässet sich auch durch diese Vorstellungen bewegen, daß er den übrigen verzeihet, und bloß die Rädelsführer in die See zu werfen befiehlet. Nachdem solchergestalt der Aufruhr gedämpfet war: so bequemeten sich die Soldaten in Unterthänigkeit wieder zum Gehorsame.
[Spaltenumbruch]
12 Karebagi] scheinet das Vaterland dieses Feldherrn gewesen zu seyn.
13 Baltadschi*] Dieses geleisteten Dien- [Spaltenumbruch] stes wegen führen sie bis auf den heutigen Tag in dem kaiserlichen Palaste den Namen Chasskulleri, redliche und getreue Knechte.
19. Um
* Hellebardier. Ist eine Art Trabanten.
2 Y
12. Murad der III
get, daß er die Muͤnze verringert, und ſie damit bezahlet haͤtte. Seine Feinde hetzten dieſelben noch mehr auf, ſo daß ſie haufenweiſe zuſammen liefen und dro- heten, ihn in ſeinem Palaſte umzubringen. Als der Defterdar durch ſeine Freunde von dieſer vorſeyenden Gefahr Nachricht erhielte: ſo nahm er ſeine Zuflucht in den kaiſerlichen Palaſt, und bat Murad ganz demuͤthig um Schutz gegen die Wut der Soldaten. Die Aufruͤhrer hatten dieſes kaum erfahren: ſo umringeten ſie den Palaſt, und forderten mit Ungeſtuͤme, daß man ihnen den Schatzmeiſter ausliefern ſollte. Weil aber der Kaiſer ihnen dieſes abſchlug: ſo drangen ſie noch heftiger auf ihre Forderung, beſetzten alle Zugaͤnge, und droheten dem Sultan eben ſo wol, als allen den Großen, den Untergang und Tod.
18.
In dieſer Noth erachtet es Murad fuͤr rathſam, die aͤußerſten Mit-Die Jeng- itſcheri werden zu Paren getrie- ben und begna- diget. tel zu gebrauchen, damit die kaiſerliche Hoheit nicht in Verachtung fallen moͤge. Er bewaffnet daher alle ſeine Kaͤmmerlinge und Baltadſchi 13, und befiehlet, die Thore zu oͤffnen, und die Jeng-itſcheri als Unglaubige und Ungehorſame anzu- greifen. Dieſer Befehl wird auch von ihnen herzhaft vollſtrecket; und weil ſie des Kaiſers Leben ihrem eigenen vorziehen: ſo fallen ſie die ohne Ordnung zuſammen gelaufenen Jeng-itſcheri wie die Loͤwen an. Gleich bey dem erſten Angriffe werden ihrer hundert und ſiebenzehen umgebracht, ehe ſie noch alle zuſammen kommen konnten; und die uͤbrigen werden theils zerſtreuet, und theils nehmen ſie die Flucht und gehen nach Hauſe. Zuletzt ſchlaͤgt ſich der oberſte Weßir, Sinan Paſcha, ins Mittel, und beſaͤnftiget durch ſeine Reden den Zorn des Kaiſers, indem er vorſtellet, daß nicht alle gleich durch geſtrafet werden muͤßten. An den erſten Urhebern des Aufruhrs muͤſſe man zwar, andern zum Beyſpiele, Strafe ausuͤben; wenn man aber diejenigen, die durch den Strom ſeyen hingeriſſen worden, auf gleiche Weiſe ſtrafen wollte: ſo wuͤrde dieſes nicht nur unbillig, ſondern auch dem State nachtheilig ſeyn. Murad laͤſſet ſich auch durch dieſe Vorſtellungen bewegen, daß er den uͤbrigen verzeihet, und bloß die Raͤdelsfuͤhrer in die See zu werfen befiehlet. Nachdem ſolchergeſtalt der Aufruhr gedaͤmpfet war: ſo bequemeten ſich die Soldaten in Unterthaͤnigkeit wieder zum Gehorſame.
[Spaltenumbruch]
12 Karebagi] ſcheinet das Vaterland dieſes Feldherrn geweſen zu ſeyn.
13 Baltadſchi*] Dieſes geleiſteten Dien- [Spaltenumbruch] ſtes wegen fuͤhren ſie bis auf den heutigen Tag in dem kaiſerlichen Palaſte den Namen Chaſſkulleri, redliche und getreue Knechte.
19. Um
* Hellebardier. Iſt eine Art Trabanten.
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12. Murad der III
get, daß er die Muͤnze verringert, und ſie damit bezahlet haͤtte. Seine Feinde
hetzten dieſelben noch mehr auf, ſo daß ſie haufenweiſe zuſammen liefen und dro-
heten, ihn in ſeinem Palaſte umzubringen. Als der Defterdar durch ſeine
Freunde von dieſer vorſeyenden Gefahr Nachricht erhielte: ſo nahm er ſeine
Zuflucht in den kaiſerlichen Palaſt, und bat Murad ganz demuͤthig um Schutz
gegen die Wut der Soldaten. Die Aufruͤhrer hatten dieſes kaum erfahren:
ſo umringeten ſie den Palaſt, und forderten mit Ungeſtuͤme, daß man ihnen
den Schatzmeiſter ausliefern ſollte. Weil aber der Kaiſer ihnen dieſes abſchlug:
ſo drangen ſie noch heftiger auf ihre Forderung, beſetzten alle Zugaͤnge, und
droheten dem Sultan eben ſo wol, als allen den Großen, den Untergang
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18. In dieſer Noth erachtet es Murad fuͤr rathſam, die aͤußerſten Mit-
tel zu gebrauchen, damit die kaiſerliche Hoheit nicht in Verachtung fallen moͤge.
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Thore zu oͤffnen, und die Jeng-itſcheri als Unglaubige und Ungehorſame anzu-
greifen. Dieſer Befehl wird auch von ihnen herzhaft vollſtrecket; und weil ſie
des Kaiſers Leben ihrem eigenen vorziehen: ſo fallen ſie die ohne Ordnung
zuſammen gelaufenen Jeng-itſcheri wie die Loͤwen an. Gleich bey dem erſten
Angriffe werden ihrer hundert und ſiebenzehen umgebracht, ehe ſie noch alle
zuſammen kommen konnten; und die uͤbrigen werden theils zerſtreuet, und theils
nehmen ſie die Flucht und gehen nach Hauſe. Zuletzt ſchlaͤgt ſich der oberſte
Weßir, Sinan Paſcha, ins Mittel, und beſaͤnftiget durch ſeine Reden den Zorn
des Kaiſers, indem er vorſtellet, daß nicht alle gleich durch geſtrafet werden
muͤßten. An den erſten Urhebern des Aufruhrs muͤſſe man zwar, andern zum
Beyſpiele, Strafe ausuͤben; wenn man aber diejenigen, die durch den Strom
ſeyen hingeriſſen worden, auf gleiche Weiſe ſtrafen wollte: ſo wuͤrde dieſes
nicht nur unbillig, ſondern auch dem State nachtheilig ſeyn. Murad laͤſſet ſich
auch durch dieſe Vorſtellungen bewegen, daß er den uͤbrigen verzeihet, und bloß
die Raͤdelsfuͤhrer in die See zu werfen befiehlet. Nachdem ſolchergeſtalt der
Aufruhr gedaͤmpfet war: ſo bequemeten ſich die Soldaten in Unterthaͤnigkeit
wieder zum Gehorſame.
Die Jeng-
itſcheri werden
zu Paren getrie-
ben und begna-
diget.
19. Um
¹² Karebagi] ſcheinet das Vaterland
dieſes Feldherrn geweſen zu ſeyn.
¹³ Baltadſchi *] Dieſes geleiſteten Dien-
ſtes wegen fuͤhren ſie bis auf den heutigen
Tag in dem kaiſerlichen Palaſte den Namen
Chaſſkulleri, redliche und getreue Knechte.
* Hellebardier. Iſt eine Art Trabanten.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/447>, abgerufen am 15.10.2024.
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