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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

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die Augen, und schlich, zitternd wie ein Verbre¬
cher, aus dem Hause. Erst auf einem entlege¬
nen Platz trat ich aus dem Schatten der Häuser,
in deren Schutz ich so weit gekommen war, an
das Mondeslicht hervor; gefaßt, mein Schicksal
aus dem Munde der Vorübergehenden zu ver¬
nehmen.

Erspare mir, lieber Freund, die schmerzliche
Wiederholung alles dessen, was ich erdulden mu߬
te. Die Frauen bezeugten oft das tiefste Mit¬
leid, das ich ihnen einflößte; Aeußerungen, die
mir die Seele nicht minder durchbohrten, als der
Hohn der Jugend und die hochmüthige Verach¬
tung der Männer, besonders solcher dicken, wohl¬
beleibten, die selbst einen breiten Schatten war¬
fen. Ein schönes, holdes Mädchen, die, wie es
schien, ihre Eltern begleitete, indem diese bedäch¬
tig nur vor ihre Füße sahen, wandte von Unge¬
fähr ihr leuchtendes Auge auf mich; sie erschrack
sichtbarlich, da sie meine Schattenlosigkeit be¬
merkte, verhüllte ihr schönes Antlitz in ihren
Schleier, ließ den Kopf sinken, und ging laut¬
los vorüber.

die Augen, und ſchlich, zitternd wie ein Verbre¬
cher, aus dem Hauſe. Erſt auf einem entlege¬
nen Platz trat ich aus dem Schatten der Haͤuſer,
in deren Schutz ich ſo weit gekommen war, an
das Mondeslicht hervor; gefaßt, mein Schickſal
aus dem Munde der Voruͤbergehenden zu ver¬
nehmen.

Erſpare mir, lieber Freund, die ſchmerzliche
Wiederholung alles deſſen, was ich erdulden mu߬
te. Die Frauen bezeugten oft das tiefſte Mit¬
leid, das ich ihnen einfloͤßte; Aeußerungen, die
mir die Seele nicht minder durchbohrten, als der
Hohn der Jugend und die hochmuͤthige Verach¬
tung der Maͤnner, beſonders ſolcher dicken, wohl¬
beleibten, die ſelbſt einen breiten Schatten war¬
fen. Ein ſchoͤnes, holdes Maͤdchen, die, wie es
ſchien, ihre Eltern begleitete, indem dieſe bedaͤch¬
tig nur vor ihre Fuͤße ſahen, wandte von Unge¬
faͤhr ihr leuchtendes Auge auf mich; ſie erſchrack
ſichtbarlich, da ſie meine Schattenloſigkeit be¬
merkte, verhuͤllte ihr ſchoͤnes Antlitz in ihren
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[21/0041] die Augen, und ſchlich, zitternd wie ein Verbre¬ cher, aus dem Hauſe. Erſt auf einem entlege¬ nen Platz trat ich aus dem Schatten der Haͤuſer, in deren Schutz ich ſo weit gekommen war, an das Mondeslicht hervor; gefaßt, mein Schickſal aus dem Munde der Voruͤbergehenden zu ver¬ nehmen. Erſpare mir, lieber Freund, die ſchmerzliche Wiederholung alles deſſen, was ich erdulden mu߬ te. Die Frauen bezeugten oft das tiefſte Mit¬ leid, das ich ihnen einfloͤßte; Aeußerungen, die mir die Seele nicht minder durchbohrten, als der Hohn der Jugend und die hochmuͤthige Verach¬ tung der Maͤnner, beſonders ſolcher dicken, wohl¬ beleibten, die ſelbſt einen breiten Schatten war¬ fen. Ein ſchoͤnes, holdes Maͤdchen, die, wie es ſchien, ihre Eltern begleitete, indem dieſe bedaͤch¬ tig nur vor ihre Fuͤße ſahen, wandte von Unge¬ faͤhr ihr leuchtendes Auge auf mich; ſie erſchrack ſichtbarlich, da ſie meine Schattenloſigkeit be¬ merkte, verhuͤllte ihr ſchoͤnes Antlitz in ihren Schleier, ließ den Kopf ſinken, und ging laut¬ los voruͤber.

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/41>, abgerufen am 25.04.2024.