tender Grundsätze. Die ganze Kriegskunst verwandelt sich in bloße Vorsicht und diese wird hauptsächlich darauf ge- richtet sein daß das schwankende Gleichgewicht nicht plötzlich zu unserem Nachtheil umschlage und der halbe Krieg sich in einen ganzen verwandle.
Sechstes Kapitel. B. Der Krieg ist ein Instrument der Politik.
Nachdem wir uns bis jetzt, bei dem Zwiespalt in dem die Natur des Krieges mit anderen Interessen des einzel- nen Menschen und des gesellschaftlichen Verbandes steht, bald nach der einen bald nach der andern Seite haben umsehn müssen, um keins dieser entgegengesetzten Elemente zu vernachlässigen, ein Zwiespalt der in dem Menschen selbst gegründet ist und den der philosophische Verstand also nicht lösen kann: wollen wir nun diejenige Einheit suchen, zu welcher sich im praktischen Leben diese wider- sprechenden Elemente verbinden, indem sie sich theilweis gegenseitig neutralisiren. Wir würden diese Einheit gleich von vorn herein aufgestellt haben, wenn es nicht nothwendig gewesen wäre eben jene Widersprüche recht deutlich hervorzuheben und die verschiedenen Elemente auch getrennt zu betrachten. Diese Einheit nun ist der Begriff daß der Krieg nur ein Theil des politischen Ver- kehrs sei, also durch aus nichts Selbstständiges.
Man weiß freilich daß der Krieg nur durch den po- litischen Verkehr der Regierungen und der Völker her- vorgerufen wird; aber gewöhnlich denkt man sich die Sache so, daß mit ihm jener Verkehr aufhöre und ein ganz anderer Zustand eintrete, welcher nur seinen eigenen Gesetzen unterworfen sei.
tender Grundſaͤtze. Die ganze Kriegskunſt verwandelt ſich in bloße Vorſicht und dieſe wird hauptſaͤchlich darauf ge- richtet ſein daß das ſchwankende Gleichgewicht nicht ploͤtzlich zu unſerem Nachtheil umſchlage und der halbe Krieg ſich in einen ganzen verwandle.
Sechstes Kapitel. B. Der Krieg iſt ein Inſtrument der Politik.
Nachdem wir uns bis jetzt, bei dem Zwieſpalt in dem die Natur des Krieges mit anderen Intereſſen des einzel- nen Menſchen und des geſellſchaftlichen Verbandes ſteht, bald nach der einen bald nach der andern Seite haben umſehn muͤſſen, um keins dieſer entgegengeſetzten Elemente zu vernachlaͤſſigen, ein Zwieſpalt der in dem Menſchen ſelbſt gegruͤndet iſt und den der philoſophiſche Verſtand alſo nicht loͤſen kann: wollen wir nun diejenige Einheit ſuchen, zu welcher ſich im praktiſchen Leben dieſe wider- ſprechenden Elemente verbinden, indem ſie ſich theilweis gegenſeitig neutraliſiren. Wir wuͤrden dieſe Einheit gleich von vorn herein aufgeſtellt haben, wenn es nicht nothwendig geweſen waͤre eben jene Widerſpruͤche recht deutlich hervorzuheben und die verſchiedenen Elemente auch getrennt zu betrachten. Dieſe Einheit nun iſt der Begriff daß der Krieg nur ein Theil des politiſchen Ver- kehrs ſei, alſo durch aus nichts Selbſtſtaͤndiges.
Man weiß freilich daß der Krieg nur durch den po- litiſchen Verkehr der Regierungen und der Voͤlker her- vorgerufen wird; aber gewoͤhnlich denkt man ſich die Sache ſo, daß mit ihm jener Verkehr aufhoͤre und ein ganz anderer Zuſtand eintrete, welcher nur ſeinen eigenen Geſetzen unterworfen ſei.
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tender Grundſaͤtze. Die ganze Kriegskunſt verwandelt ſich
in bloße Vorſicht und dieſe wird hauptſaͤchlich darauf ge-
richtet ſein daß das ſchwankende Gleichgewicht nicht ploͤtzlich
zu unſerem Nachtheil umſchlage und der halbe Krieg ſich
in einen ganzen verwandle.
Sechstes Kapitel. B.
Der Krieg iſt ein Inſtrument der Politik.
Nachdem wir uns bis jetzt, bei dem Zwieſpalt in dem
die Natur des Krieges mit anderen Intereſſen des einzel-
nen Menſchen und des geſellſchaftlichen Verbandes ſteht,
bald nach der einen bald nach der andern Seite haben
umſehn muͤſſen, um keins dieſer entgegengeſetzten Elemente
zu vernachlaͤſſigen, ein Zwieſpalt der in dem Menſchen
ſelbſt gegruͤndet iſt und den der philoſophiſche Verſtand
alſo nicht loͤſen kann: wollen wir nun diejenige Einheit
ſuchen, zu welcher ſich im praktiſchen Leben dieſe wider-
ſprechenden Elemente verbinden, indem ſie ſich theilweis
gegenſeitig neutraliſiren. Wir wuͤrden dieſe Einheit
gleich von vorn herein aufgeſtellt haben, wenn es nicht
nothwendig geweſen waͤre eben jene Widerſpruͤche recht
deutlich hervorzuheben und die verſchiedenen Elemente auch
getrennt zu betrachten. Dieſe Einheit nun iſt der Begriff
daß der Krieg nur ein Theil des politiſchen Ver-
kehrs ſei, alſo durch aus nichts Selbſtſtaͤndiges.
Man weiß freilich daß der Krieg nur durch den po-
litiſchen Verkehr der Regierungen und der Voͤlker her-
vorgerufen wird; aber gewoͤhnlich denkt man ſich die Sache ſo,
daß mit ihm jener Verkehr aufhoͤre und ein ganz anderer Zuſtand
eintrete, welcher nur ſeinen eigenen Geſetzen unterworfen ſei.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/153>, abgerufen am 19.04.2024.
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