tegische Angriffe die unmittelbar zum Frieden geführt ha- ben -- aber die wenigsten sind von der Art, und die mei- sten führen nur bis zu einem Punkt wo die Kräfte noch eben hinreichen, sich in der Vertheidigung zu halten und den Frieden abzuwarten. -- Jenseit dieses Punktes liegt der Umschwung, der Rückschlag; die Gewalt eines solchen Rückschlages ist gewöhnlich viel größer als die Kraft des Stoßes war. Dies nennen wir den Kulminationspunkt des Angriffs. -- Da der Zweck des Angriffs der Besitz des feindlichen Landes ist, so folgt: daß das Vorschreiten so lange dauern muß bis die Überlegenheit erschöpft ist; dies treibt also an das Ziel und kann auch leicht darüber hinausführen. -- Bedenkt man aus wie viel Elementen die Gleichung der Kräfte zusammengesetzt ist, so begreift man wie schwer es in manchen Fällen auszumachen ist wer von beiden die Überlegenheit auf seiner Seite hat. Oft hängt Alles an dem seidenen Faden der Einbildung.
Es kommt also Alles darauf an, den Kulminations- punkt mit einem feinen Takt des Urtheils herauszufühlen. -- Hier stoßen wir auf einen scheinbaren Widerspruch. -- Die Vertheidigung ist stärker als der Angriff, man sollte also glauben daß dieser nie zu weit führen könne, denn so lange die schwächere Form stark genug bleibt, ist man es ja für die stärkere um so mehr *).
*) Hier folgt in dem Manuskripte die Stelle: "Entwickelung dieses Gegenstandes nach B. III., in dem Auf- satz über den Kulminationspunkt des Sieges." Unter diesem Titel findet sich nun in einem Umschlage mit der Aufschrift: einzelne Abhandlungen als Materialien, ein Aufsatz, welcher eine Bearbeitung des hier nur skizzirten Kapitels zu sein scheint und am Ende des siebenten Buches abgedruckt ist. Anmerk. der Herausgeberim.
tegiſche Angriffe die unmittelbar zum Frieden gefuͤhrt ha- ben — aber die wenigſten ſind von der Art, und die mei- ſten fuͤhren nur bis zu einem Punkt wo die Kraͤfte noch eben hinreichen, ſich in der Vertheidigung zu halten und den Frieden abzuwarten. — Jenſeit dieſes Punktes liegt der Umſchwung, der Ruͤckſchlag; die Gewalt eines ſolchen Ruͤckſchlages iſt gewoͤhnlich viel groͤßer als die Kraft des Stoßes war. Dies nennen wir den Kulminationspunkt des Angriffs. — Da der Zweck des Angriffs der Beſitz des feindlichen Landes iſt, ſo folgt: daß das Vorſchreiten ſo lange dauern muß bis die Überlegenheit erſchoͤpft iſt; dies treibt alſo an das Ziel und kann auch leicht daruͤber hinausfuͤhren. — Bedenkt man aus wie viel Elementen die Gleichung der Kraͤfte zuſammengeſetzt iſt, ſo begreift man wie ſchwer es in manchen Faͤllen auszumachen iſt wer von beiden die Überlegenheit auf ſeiner Seite hat. Oft haͤngt Alles an dem ſeidenen Faden der Einbildung.
Es kommt alſo Alles darauf an, den Kulminations- punkt mit einem feinen Takt des Urtheils herauszufuͤhlen. — Hier ſtoßen wir auf einen ſcheinbaren Widerſpruch. — Die Vertheidigung iſt ſtaͤrker als der Angriff, man ſollte alſo glauben daß dieſer nie zu weit fuͤhren koͤnne, denn ſo lange die ſchwaͤchere Form ſtark genug bleibt, iſt man es ja fuͤr die ſtaͤrkere um ſo mehr *).
*) Hier folgt in dem Manuſkripte die Stelle: „Entwickelung dieſes Gegenſtandes nach B. III., in dem Auf- ſatz über den Kulminationspunkt des Sieges.“ Unter dieſem Titel findet ſich nun in einem Umſchlage mit der Aufſchrift: einzelne Abhandlungen als Materialien, ein Aufſatz, welcher eine Bearbeitung des hier nur ſkizzirten Kapitels zu ſein ſcheint und am Ende des ſiebenten Buches abgedruckt iſt. Anmerk. der Herausgeberim.
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tegiſche Angriffe die unmittelbar zum Frieden gefuͤhrt ha-
ben — aber die wenigſten ſind von der Art, und die mei-
ſten fuͤhren nur bis zu einem Punkt wo die Kraͤfte noch
eben hinreichen, ſich in der Vertheidigung zu halten und
den Frieden abzuwarten. — Jenſeit dieſes Punktes liegt
der Umſchwung, der Ruͤckſchlag; die Gewalt eines ſolchen
Ruͤckſchlages iſt gewoͤhnlich viel groͤßer als die Kraft des
Stoßes war. Dies nennen wir den Kulminationspunkt
des Angriffs. — Da der Zweck des Angriffs der Beſitz
des feindlichen Landes iſt, ſo folgt: daß das Vorſchreiten
ſo lange dauern muß bis die Überlegenheit erſchoͤpft iſt;
dies treibt alſo an das Ziel und kann auch leicht daruͤber
hinausfuͤhren. — Bedenkt man aus wie viel Elementen
die Gleichung der Kraͤfte zuſammengeſetzt iſt, ſo begreift
man wie ſchwer es in manchen Faͤllen auszumachen iſt
wer von beiden die Überlegenheit auf ſeiner Seite hat.
Oft haͤngt Alles an dem ſeidenen Faden der Einbildung.
Es kommt alſo Alles darauf an, den Kulminations-
punkt mit einem feinen Takt des Urtheils herauszufuͤhlen. —
Hier ſtoßen wir auf einen ſcheinbaren Widerſpruch. — Die
Vertheidigung iſt ſtaͤrker als der Angriff, man ſollte alſo
glauben daß dieſer nie zu weit fuͤhren koͤnne, denn ſo lange
die ſchwaͤchere Form ſtark genug bleibt, iſt man es ja fuͤr
die ſtaͤrkere um ſo mehr *).
*) Hier folgt in dem Manuſkripte die Stelle:
„Entwickelung dieſes Gegenſtandes nach B. III., in dem Auf-
ſatz über den Kulminationspunkt des Sieges.“
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des ſiebenten Buches abgedruckt iſt.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/26>, abgerufen am 14.08.2022.
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