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Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

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oder eine Armee die auf einen kleineren Staat und gerin-
gere Hülfsquellen basirt ist, eher im Stande sein dem
Gegner zu widerstehen als ohne diese Hülfsmittel.

Nächst Dem giebt es noch folgende zwei Gründe
die zur Wahl eines Defensivkrieges bestimmen können.

Erstens wenn die mein Kriegstheater umgebenden Pro-
vinzen die Operationen der Verpflegung wegen außerordent-
lich erschweren. In diesem Falle entziehe ich mich dem Nach-
theil und der Feind muß sich demselben unterwerfen. Dies
ist z. B. jetzt (1812) der Fall der russischen Armee.

Zweitens wenn der Feind mir im Kriegführen über-
legen ist.

In einem zubereiteten Kriegstheater welches wir ken-
nen, wo alle Nebenumstände zu unserm Vortheil sind,
ist der Krieg leichter zu führen; es werden nicht so viele
Fehler begangen. In diesem Falle, nämlich wenn die Un-
zuverlässigkeit unserer Truppen und Generale uns zum
Vertheidigungskrieg veranlaßt, verbindet man mit der
strategischen Defensive gern die taktische -- d. h. man
liefert die Schlachten in den von uns zubereiteten Stellun-
gen und zwar gleichfalls weil man dabei wenigern Feh-
lern ausgesetzt ist.

3. In dem Vertheidigungskriege muß eben so gut
wie in dem Angriffskriege ein großer Zweck verfolgt wer-
den. Dieser kann kein anderer sein als die feindliche Armee
aufzureiben, sei es durch eine Schlacht oder dadurch daß
man ihr ihre Subsistenz bis aufs Äußerste erschwert,
sie dadurch in eine schlechte Verfassung bringt und zum
Rückzuge nöthigt, wobei sie nothwendig großen Verlusten
ausgesetzt sein muß. Wellingtons Feldzug im Jahre 1810
und 11 giebt davon ein Beispiel.

Der Vertheidigungskrieg besteht also nicht in einem

oder eine Armee die auf einen kleineren Staat und gerin-
gere Huͤlfsquellen baſirt iſt, eher im Stande ſein dem
Gegner zu widerſtehen als ohne dieſe Huͤlfsmittel.

Naͤchſt Dem giebt es noch folgende zwei Gruͤnde
die zur Wahl eines Defenſivkrieges beſtimmen koͤnnen.

Erſtens wenn die mein Kriegstheater umgebenden Pro-
vinzen die Operationen der Verpflegung wegen außerordent-
lich erſchweren. In dieſem Falle entziehe ich mich dem Nach-
theil und der Feind muß ſich demſelben unterwerfen. Dies
iſt z. B. jetzt (1812) der Fall der ruſſiſchen Armee.

Zweitens wenn der Feind mir im Kriegfuͤhren uͤber-
legen iſt.

In einem zubereiteten Kriegstheater welches wir ken-
nen, wo alle Nebenumſtaͤnde zu unſerm Vortheil ſind,
iſt der Krieg leichter zu fuͤhren; es werden nicht ſo viele
Fehler begangen. In dieſem Falle, naͤmlich wenn die Un-
zuverlaͤſſigkeit unſerer Truppen und Generale uns zum
Vertheidigungskrieg veranlaßt, verbindet man mit der
ſtrategiſchen Defenſive gern die taktiſche — d. h. man
liefert die Schlachten in den von uns zubereiteten Stellun-
gen und zwar gleichfalls weil man dabei wenigern Feh-
lern ausgeſetzt iſt.

3. In dem Vertheidigungskriege muß eben ſo gut
wie in dem Angriffskriege ein großer Zweck verfolgt wer-
den. Dieſer kann kein anderer ſein als die feindliche Armee
aufzureiben, ſei es durch eine Schlacht oder dadurch daß
man ihr ihre Subſiſtenz bis aufs Äußerſte erſchwert,
ſie dadurch in eine ſchlechte Verfaſſung bringt und zum
Ruͤckzuge noͤthigt, wobei ſie nothwendig großen Verluſten
ausgeſetzt ſein muß. Wellingtons Feldzug im Jahre 1810
und 11 giebt davon ein Beiſpiel.

Der Vertheidigungskrieg beſteht alſo nicht in einem

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[248/0262] oder eine Armee die auf einen kleineren Staat und gerin- gere Huͤlfsquellen baſirt iſt, eher im Stande ſein dem Gegner zu widerſtehen als ohne dieſe Huͤlfsmittel. Naͤchſt Dem giebt es noch folgende zwei Gruͤnde die zur Wahl eines Defenſivkrieges beſtimmen koͤnnen. Erſtens wenn die mein Kriegstheater umgebenden Pro- vinzen die Operationen der Verpflegung wegen außerordent- lich erſchweren. In dieſem Falle entziehe ich mich dem Nach- theil und der Feind muß ſich demſelben unterwerfen. Dies iſt z. B. jetzt (1812) der Fall der ruſſiſchen Armee. Zweitens wenn der Feind mir im Kriegfuͤhren uͤber- legen iſt. In einem zubereiteten Kriegstheater welches wir ken- nen, wo alle Nebenumſtaͤnde zu unſerm Vortheil ſind, iſt der Krieg leichter zu fuͤhren; es werden nicht ſo viele Fehler begangen. In dieſem Falle, naͤmlich wenn die Un- zuverlaͤſſigkeit unſerer Truppen und Generale uns zum Vertheidigungskrieg veranlaßt, verbindet man mit der ſtrategiſchen Defenſive gern die taktiſche — d. h. man liefert die Schlachten in den von uns zubereiteten Stellun- gen und zwar gleichfalls weil man dabei wenigern Feh- lern ausgeſetzt iſt. 3. In dem Vertheidigungskriege muß eben ſo gut wie in dem Angriffskriege ein großer Zweck verfolgt wer- den. Dieſer kann kein anderer ſein als die feindliche Armee aufzureiben, ſei es durch eine Schlacht oder dadurch daß man ihr ihre Subſiſtenz bis aufs Äußerſte erſchwert, ſie dadurch in eine ſchlechte Verfaſſung bringt und zum Ruͤckzuge noͤthigt, wobei ſie nothwendig großen Verluſten ausgeſetzt ſein muß. Wellingtons Feldzug im Jahre 1810 und 11 giebt davon ein Beiſpiel. Der Vertheidigungskrieg beſteht alſo nicht in einem

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Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/262>, abgerufen am 28.03.2024.