Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

liegen; die Einnahme bedeutender Städte, fruchtbarer
Landstriche, unruhiger Gegenden die zur Rebellion verführt
werden könnten; das Bedrohen schwacher Verbündeten
u. s. w. Indem der Angriff jene Verbindungen
wirklich unterbricht, und zwar auf eine solche Weise daß
der Vertheidiger sie sich nicht ohne bedeutende Opfer wieder
öffnen kann, indem er jene Punkte einzunehmen sich an-
schickt: nöthigt er den Vertheidiger eine andere Stellung
mehr rückwärts oder seitwärts zu nehmen, um jene Objekte
zu decken und lieber geringere aufzugeben. So wird denn
ein Landstrich frei; ein Magazin, eine Festung entblößt;
jenes der Eroberung, diese der Belagerung preisgegeben.
Dabei können kleinere und größere Gefechte vorkommen,
aber sie werden dann nicht gesucht und als Zweck behan-
delt, sondern als ein nothwendiges Übel, und können
einen gewissen Grad der Größe und Wichtigkeit nicht über-
schreiten.

4. Die Einwirkung des Vertheidigers auf die Ver-
bindungslinien des Angreifenden ist eine Reactionsart die
in den Kriegen mit großer Entscheidung nur dann vorkom-
men kann, wenn die Operationslinien sehr groß werden,
dagegen ist diese Reactionsart bei Kriegen ohne große Ent-
scheidung mehr in der Natur der Sache. Die Verbin-
dungslinien des Gegners werden zwar hier selten sehr lang
sein, aber es kommt auch hier nicht darauf an, dem Geg-
ner so große Verluste der Art beizubringen, eine bloße Be-
lästigung und Verkürzung seines Unterhalts thut oft schon
Wirkung, und was den Linien an Länge fehlt, ersetzt eini-
germaßen die Länge der Zeit, welche man auf diese Be-
kämpfung des Gegners verwenden kann; darum wird also
die Deckung seiner strategischen Flanken ein wichtiger Ge-
genstand des Angreifenden. Wenn also zwischen dem An-

liegen; die Einnahme bedeutender Staͤdte, fruchtbarer
Landſtriche, unruhiger Gegenden die zur Rebellion verfuͤhrt
werden koͤnnten; das Bedrohen ſchwacher Verbuͤndeten
u. ſ. w. Indem der Angriff jene Verbindungen
wirklich unterbricht, und zwar auf eine ſolche Weiſe daß
der Vertheidiger ſie ſich nicht ohne bedeutende Opfer wieder
oͤffnen kann, indem er jene Punkte einzunehmen ſich an-
ſchickt: noͤthigt er den Vertheidiger eine andere Stellung
mehr ruͤckwaͤrts oder ſeitwaͤrts zu nehmen, um jene Objekte
zu decken und lieber geringere aufzugeben. So wird denn
ein Landſtrich frei; ein Magazin, eine Feſtung entbloͤßt;
jenes der Eroberung, dieſe der Belagerung preisgegeben.
Dabei koͤnnen kleinere und groͤßere Gefechte vorkommen,
aber ſie werden dann nicht geſucht und als Zweck behan-
delt, ſondern als ein nothwendiges Übel, und koͤnnen
einen gewiſſen Grad der Groͤße und Wichtigkeit nicht uͤber-
ſchreiten.

4. Die Einwirkung des Vertheidigers auf die Ver-
bindungslinien des Angreifenden iſt eine Reactionsart die
in den Kriegen mit großer Entſcheidung nur dann vorkom-
men kann, wenn die Operationslinien ſehr groß werden,
dagegen iſt dieſe Reactionsart bei Kriegen ohne große Ent-
ſcheidung mehr in der Natur der Sache. Die Verbin-
dungslinien des Gegners werden zwar hier ſelten ſehr lang
ſein, aber es kommt auch hier nicht darauf an, dem Geg-
ner ſo große Verluſte der Art beizubringen, eine bloße Be-
laͤſtigung und Verkuͤrzung ſeines Unterhalts thut oft ſchon
Wirkung, und was den Linien an Laͤnge fehlt, erſetzt eini-
germaßen die Laͤnge der Zeit, welche man auf dieſe Be-
kaͤmpfung des Gegners verwenden kann; darum wird alſo
die Deckung ſeiner ſtrategiſchen Flanken ein wichtiger Ge-
genſtand des Angreifenden. Wenn alſo zwiſchen dem An-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0059" n="45"/>
liegen; die Einnahme bedeutender Sta&#x0364;dte, fruchtbarer<lb/>
Land&#x017F;triche, unruhiger Gegenden die zur Rebellion verfu&#x0364;hrt<lb/>
werden ko&#x0364;nnten; das Bedrohen &#x017F;chwacher Verbu&#x0364;ndeten<lb/>
u. &#x017F;. w. Indem der Angriff jene Verbindungen<lb/>
wirklich unterbricht, und zwar auf eine &#x017F;olche Wei&#x017F;e daß<lb/>
der Vertheidiger &#x017F;ie &#x017F;ich nicht ohne bedeutende Opfer wieder<lb/>
o&#x0364;ffnen kann, indem er jene Punkte einzunehmen &#x017F;ich an-<lb/>
&#x017F;chickt: no&#x0364;thigt er den Vertheidiger eine andere Stellung<lb/>
mehr ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts oder &#x017F;eitwa&#x0364;rts zu nehmen, um jene Objekte<lb/>
zu decken und lieber geringere aufzugeben. So wird denn<lb/>
ein Land&#x017F;trich frei; ein Magazin, eine Fe&#x017F;tung entblo&#x0364;ßt;<lb/>
jenes der Eroberung, die&#x017F;e der Belagerung preisgegeben.<lb/>
Dabei ko&#x0364;nnen kleinere und gro&#x0364;ßere Gefechte vorkommen,<lb/>
aber &#x017F;ie werden dann nicht ge&#x017F;ucht und als Zweck behan-<lb/>
delt, &#x017F;ondern als ein nothwendiges Übel, und ko&#x0364;nnen<lb/>
einen gewi&#x017F;&#x017F;en Grad der Gro&#x0364;ße und Wichtigkeit nicht u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;chreiten.</p><lb/>
          <p>4. Die Einwirkung des Vertheidigers auf die Ver-<lb/>
bindungslinien des Angreifenden i&#x017F;t eine Reactionsart die<lb/>
in den Kriegen mit großer Ent&#x017F;cheidung nur dann vorkom-<lb/>
men kann, wenn die Operationslinien &#x017F;ehr groß werden,<lb/>
dagegen i&#x017F;t die&#x017F;e Reactionsart bei Kriegen ohne große Ent-<lb/>
&#x017F;cheidung mehr in der Natur der Sache. Die Verbin-<lb/>
dungslinien des Gegners werden zwar hier &#x017F;elten &#x017F;ehr lang<lb/>
&#x017F;ein, aber es kommt auch hier nicht darauf an, dem Geg-<lb/>
ner &#x017F;o große Verlu&#x017F;te der Art beizubringen, eine bloße Be-<lb/>
la&#x0364;&#x017F;tigung und Verku&#x0364;rzung &#x017F;eines Unterhalts thut oft &#x017F;chon<lb/>
Wirkung, und was den Linien an La&#x0364;nge fehlt, er&#x017F;etzt eini-<lb/>
germaßen die La&#x0364;nge der Zeit, welche man auf die&#x017F;e Be-<lb/>
ka&#x0364;mpfung des Gegners verwenden kann; darum wird al&#x017F;o<lb/>
die Deckung &#x017F;einer &#x017F;trategi&#x017F;chen Flanken ein wichtiger Ge-<lb/>
gen&#x017F;tand des Angreifenden. Wenn al&#x017F;o zwi&#x017F;chen dem An-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0059] liegen; die Einnahme bedeutender Staͤdte, fruchtbarer Landſtriche, unruhiger Gegenden die zur Rebellion verfuͤhrt werden koͤnnten; das Bedrohen ſchwacher Verbuͤndeten u. ſ. w. Indem der Angriff jene Verbindungen wirklich unterbricht, und zwar auf eine ſolche Weiſe daß der Vertheidiger ſie ſich nicht ohne bedeutende Opfer wieder oͤffnen kann, indem er jene Punkte einzunehmen ſich an- ſchickt: noͤthigt er den Vertheidiger eine andere Stellung mehr ruͤckwaͤrts oder ſeitwaͤrts zu nehmen, um jene Objekte zu decken und lieber geringere aufzugeben. So wird denn ein Landſtrich frei; ein Magazin, eine Feſtung entbloͤßt; jenes der Eroberung, dieſe der Belagerung preisgegeben. Dabei koͤnnen kleinere und groͤßere Gefechte vorkommen, aber ſie werden dann nicht geſucht und als Zweck behan- delt, ſondern als ein nothwendiges Übel, und koͤnnen einen gewiſſen Grad der Groͤße und Wichtigkeit nicht uͤber- ſchreiten. 4. Die Einwirkung des Vertheidigers auf die Ver- bindungslinien des Angreifenden iſt eine Reactionsart die in den Kriegen mit großer Entſcheidung nur dann vorkom- men kann, wenn die Operationslinien ſehr groß werden, dagegen iſt dieſe Reactionsart bei Kriegen ohne große Ent- ſcheidung mehr in der Natur der Sache. Die Verbin- dungslinien des Gegners werden zwar hier ſelten ſehr lang ſein, aber es kommt auch hier nicht darauf an, dem Geg- ner ſo große Verluſte der Art beizubringen, eine bloße Be- laͤſtigung und Verkuͤrzung ſeines Unterhalts thut oft ſchon Wirkung, und was den Linien an Laͤnge fehlt, erſetzt eini- germaßen die Laͤnge der Zeit, welche man auf dieſe Be- kaͤmpfung des Gegners verwenden kann; darum wird alſo die Deckung ſeiner ſtrategiſchen Flanken ein wichtiger Ge- genſtand des Angreifenden. Wenn alſo zwiſchen dem An-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/59
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/59>, abgerufen am 24.04.2024.