4. daß die Belagerung ein Unternehmen ohne Ka- tastrophe ist.
Alle diese Dinge machen, daß die Eroberung eines oder mehrerer feindlicher Plätze sehr gewöhnlich ein Gegen- genstand derjenigen strategischen Angriffe ist, die sich kein größeres Ziel vorsetzen können.
Die Gründe, welche bei der Wahl der Festung, welche belagert werden soll, bestimmen, im Fall diese überhaupt zweifelhaft seyn kann, sind:
a) Daß sie bequem zu behalten sei, also als Äqui- valent beim Frieden recht hoch stehe.
b) Die Mittel der Eroberung. Geringe Mittel lassen nur kleine Festungen zu, und es ist besser daß man eine kleine wirklich einnimmt als vor einer großen scheitert.
c) Die fortifikatorische Stärke. Sie steht ja offenbar nicht immer mit der Wichtigkeit in Verhältniß; Nichts wäre thörichter als vor einem sehr festen Platz von geringer Wichtigkeit seine Kräfte zu verschwenden, wenn man einen weniger starken zum Gegenstand seines Angriffs machen kann
d) Die Stärke der Ausrüstung, also auch der Besatzung Ist die Festung schwach besetzt und ausgerüstet, so ist ihre Er- oberung natürlich leichter; aber es ist hierbei zu bemerken, daß die Stärke der Besatzung und Ausrüstung zugleich zu denjenigen Dingen gezählt werden muß, die die Wichtig- keit des Platzes mit bestimmen, weil Besatzung und Aus- rüstung unmittelbar zu den Streitkräften des Feindes ge- hören, welches nicht in dem Maaße mit den Fortifikations- werken der Fall ist. Die Eroberung einer Festung mit starker Besatzung kann also die Opfer, welche sie kostet, viel eher lohnen als die einer mit besonders starken Werken.
e) Die Leichtigkeit der Belagerungstransporte. Die meisten Belagerungen scheitern aus Mangel an Mitteln,
III 4
4. daß die Belagerung ein Unternehmen ohne Ka- taſtrophe iſt.
Alle dieſe Dinge machen, daß die Eroberung eines oder mehrerer feindlicher Plaͤtze ſehr gewoͤhnlich ein Gegen- genſtand derjenigen ſtrategiſchen Angriffe iſt, die ſich kein groͤßeres Ziel vorſetzen koͤnnen.
Die Gruͤnde, welche bei der Wahl der Feſtung, welche belagert werden ſoll, beſtimmen, im Fall dieſe uͤberhaupt zweifelhaft ſeyn kann, ſind:
a) Daß ſie bequem zu behalten ſei, alſo als Äqui- valent beim Frieden recht hoch ſtehe.
b) Die Mittel der Eroberung. Geringe Mittel laſſen nur kleine Feſtungen zu, und es iſt beſſer daß man eine kleine wirklich einnimmt als vor einer großen ſcheitert.
c) Die fortifikatoriſche Staͤrke. Sie ſteht ja offenbar nicht immer mit der Wichtigkeit in Verhaͤltniß; Nichts waͤre thoͤrichter als vor einem ſehr feſten Platz von geringer Wichtigkeit ſeine Kraͤfte zu verſchwenden, wenn man einen weniger ſtarken zum Gegenſtand ſeines Angriffs machen kann
d) Die Staͤrke der Ausruͤſtung, alſo auch der Beſatzung Iſt die Feſtung ſchwach beſetzt und ausgeruͤſtet, ſo iſt ihre Er- oberung natuͤrlich leichter; aber es iſt hierbei zu bemerken, daß die Staͤrke der Beſatzung und Ausruͤſtung zugleich zu denjenigen Dingen gezaͤhlt werden muß, die die Wichtig- keit des Platzes mit beſtimmen, weil Beſatzung und Aus- ruͤſtung unmittelbar zu den Streitkraͤften des Feindes ge- hoͤren, welches nicht in dem Maaße mit den Fortifikations- werken der Fall iſt. Die Eroberung einer Feſtung mit ſtarker Beſatzung kann alſo die Opfer, welche ſie koſtet, viel eher lohnen als die einer mit beſonders ſtarken Werken.
e) Die Leichtigkeit der Belagerungstransporte. Die meiſten Belagerungen ſcheitern aus Mangel an Mitteln,
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4. daß die Belagerung ein Unternehmen ohne Ka-
taſtrophe iſt.
Alle dieſe Dinge machen, daß die Eroberung eines
oder mehrerer feindlicher Plaͤtze ſehr gewoͤhnlich ein Gegen-
genſtand derjenigen ſtrategiſchen Angriffe iſt, die ſich kein
groͤßeres Ziel vorſetzen koͤnnen.
Die Gruͤnde, welche bei der Wahl der Feſtung, welche
belagert werden ſoll, beſtimmen, im Fall dieſe uͤberhaupt
zweifelhaft ſeyn kann, ſind:
a) Daß ſie bequem zu behalten ſei, alſo als Äqui-
valent beim Frieden recht hoch ſtehe.
b) Die Mittel der Eroberung. Geringe Mittel laſſen
nur kleine Feſtungen zu, und es iſt beſſer daß man eine
kleine wirklich einnimmt als vor einer großen ſcheitert.
c) Die fortifikatoriſche Staͤrke. Sie ſteht ja offenbar
nicht immer mit der Wichtigkeit in Verhaͤltniß; Nichts
waͤre thoͤrichter als vor einem ſehr feſten Platz von geringer
Wichtigkeit ſeine Kraͤfte zu verſchwenden, wenn man einen
weniger ſtarken zum Gegenſtand ſeines Angriffs machen kann
d) Die Staͤrke der Ausruͤſtung, alſo auch der Beſatzung
Iſt die Feſtung ſchwach beſetzt und ausgeruͤſtet, ſo iſt ihre Er-
oberung natuͤrlich leichter; aber es iſt hierbei zu bemerken,
daß die Staͤrke der Beſatzung und Ausruͤſtung zugleich zu
denjenigen Dingen gezaͤhlt werden muß, die die Wichtig-
keit des Platzes mit beſtimmen, weil Beſatzung und Aus-
ruͤſtung unmittelbar zu den Streitkraͤften des Feindes ge-
hoͤren, welches nicht in dem Maaße mit den Fortifikations-
werken der Fall iſt. Die Eroberung einer Feſtung mit
ſtarker Beſatzung kann alſo die Opfer, welche ſie koſtet,
viel eher lohnen als die einer mit beſonders ſtarken Werken.
e) Die Leichtigkeit der Belagerungstransporte. Die
meiſten Belagerungen ſcheitern aus Mangel an Mitteln,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]
Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten des Autors nicht als selbstständige Publikation. Es wurde posthum, zwischen 1832 und 1834, als Bde. 1-3 der "Hinterlassenen Werke des Generals Carl von Clausewitz" von dessen Witwe Marie von Clausewitz herausgegeben.
Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/63>, abgerufen am 08.08.2022.
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