Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

wenig Kräften unverhältnißmäßig Viel auszurichten, z. B.
eine wichtige Festung leicht zu nehmen, muß man es nicht
mehr Diversion nennen. Man pflegt es freilich auch Di-
version zu nennen wenn ein Staat, während er sich gegen
einen andern wehrt, durch einen dritten angefallen wird, --
aber ein solcher Anfall unterscheidet sich von einem gewöhn-
lichen Angriff in Nichts als der Richtung, es ist also kein
Grund ihm einen besonderen Namen zu geben, denn in
der Theorie soll man durch eigene Benennungen auch nur
Eigenthümliches bezeichnen.

Wenn aber schwache Kräfte stärkere herbeiziehen sollen,
so müssen offenbar eigenthümliche Verhältnisse die Veran-
lassung dazu geben, und es ist also für den Zweck einer
Diversion nicht genug, irgend eine Streitkraft auf einen
bisher unbetretenen Punkt abzuschicken.

Wenn der Angreifende irgend eine feindliche Provinz,
die nicht zum Hauptkriegstheater gehört, durch einen kleinen
Haufen von 1000 Mann heimsuchen läßt, um Kontribu-
tionen einzutreiben u. s. w., so ist freilich vorherzusehen,
daß der Feind dies nicht durch 1000 Mann verhindern
kann die er dahin absendet, sondern er wird, wenn er die
Provinz gegen Streifereien sichern will, allerdings mehr
dahin schicken müssen. Aber, muß man fragen, kann der
Vertheidiger, anstatt seine Provinz zu sichern, nicht das
Gleichgewicht dadurch herstellen daß er die korrespondirende
Provinz unseres Landes durch ein eben solches Detasche-
ment heimsuchen läßt? Es muß also, wenn für den
Angreifenden ein Vortheil hervorgehn soll, zuvor feststehen
daß in der Provinz des Vertheidigers mehr zu holen oder
zu bedrohen ist als in der unsrigen. Ist dies der Fall,
so kann es nicht fehlen daß eine ganz schwache Diversion

5*

wenig Kraͤften unverhaͤltnißmaͤßig Viel auszurichten, z. B.
eine wichtige Feſtung leicht zu nehmen, muß man es nicht
mehr Diverſion nennen. Man pflegt es freilich auch Di-
verſion zu nennen wenn ein Staat, waͤhrend er ſich gegen
einen andern wehrt, durch einen dritten angefallen wird, —
aber ein ſolcher Anfall unterſcheidet ſich von einem gewoͤhn-
lichen Angriff in Nichts als der Richtung, es iſt alſo kein
Grund ihm einen beſonderen Namen zu geben, denn in
der Theorie ſoll man durch eigene Benennungen auch nur
Eigenthuͤmliches bezeichnen.

Wenn aber ſchwache Kraͤfte ſtaͤrkere herbeiziehen ſollen,
ſo muͤſſen offenbar eigenthuͤmliche Verhaͤltniſſe die Veran-
laſſung dazu geben, und es iſt alſo fuͤr den Zweck einer
Diverſion nicht genug, irgend eine Streitkraft auf einen
bisher unbetretenen Punkt abzuſchicken.

Wenn der Angreifende irgend eine feindliche Provinz,
die nicht zum Hauptkriegstheater gehoͤrt, durch einen kleinen
Haufen von 1000 Mann heimſuchen laͤßt, um Kontribu-
tionen einzutreiben u. ſ. w., ſo iſt freilich vorherzuſehen,
daß der Feind dies nicht durch 1000 Mann verhindern
kann die er dahin abſendet, ſondern er wird, wenn er die
Provinz gegen Streifereien ſichern will, allerdings mehr
dahin ſchicken muͤſſen. Aber, muß man fragen, kann der
Vertheidiger, anſtatt ſeine Provinz zu ſichern, nicht das
Gleichgewicht dadurch herſtellen daß er die korreſpondirende
Provinz unſeres Landes durch ein eben ſolches Detaſche-
ment heimſuchen laͤßt? Es muß alſo, wenn fuͤr den
Angreifenden ein Vortheil hervorgehn ſoll, zuvor feſtſtehen
daß in der Provinz des Vertheidigers mehr zu holen oder
zu bedrohen iſt als in der unſrigen. Iſt dies der Fall,
ſo kann es nicht fehlen daß eine ganz ſchwache Diverſion

5*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0081" n="67"/>
wenig Kra&#x0364;ften unverha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßig Viel auszurichten, z. B.<lb/>
eine wichtige Fe&#x017F;tung leicht zu nehmen, muß man es nicht<lb/>
mehr Diver&#x017F;ion nennen. Man pflegt es freilich auch Di-<lb/>
ver&#x017F;ion zu nennen wenn ein Staat, wa&#x0364;hrend er &#x017F;ich gegen<lb/>
einen andern wehrt, durch einen dritten angefallen wird, &#x2014;<lb/>
aber ein &#x017F;olcher Anfall unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich von einem gewo&#x0364;hn-<lb/>
lichen Angriff in Nichts als der Richtung, es i&#x017F;t al&#x017F;o kein<lb/>
Grund ihm einen be&#x017F;onderen Namen zu geben, denn in<lb/>
der Theorie &#x017F;oll man durch eigene Benennungen auch nur<lb/>
Eigenthu&#x0364;mliches bezeichnen.</p><lb/>
          <p>Wenn aber &#x017F;chwache Kra&#x0364;fte &#x017F;ta&#x0364;rkere herbeiziehen &#x017F;ollen,<lb/>
&#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en offenbar eigenthu&#x0364;mliche Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e die Veran-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;ung dazu geben, und es i&#x017F;t al&#x017F;o fu&#x0364;r den Zweck einer<lb/>
Diver&#x017F;ion nicht genug, irgend eine Streitkraft auf einen<lb/>
bisher unbetretenen Punkt abzu&#x017F;chicken.</p><lb/>
          <p>Wenn der Angreifende irgend eine feindliche Provinz,<lb/>
die nicht zum Hauptkriegstheater geho&#x0364;rt, durch einen kleinen<lb/>
Haufen von 1000 Mann heim&#x017F;uchen la&#x0364;ßt, um Kontribu-<lb/>
tionen einzutreiben u. &#x017F;. w., &#x017F;o i&#x017F;t freilich vorherzu&#x017F;ehen,<lb/>
daß der Feind dies nicht durch 1000 Mann verhindern<lb/>
kann die er dahin ab&#x017F;endet, &#x017F;ondern er wird, wenn er die<lb/>
Provinz gegen Streifereien &#x017F;ichern will, allerdings mehr<lb/>
dahin &#x017F;chicken mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Aber, muß man fragen, kann der<lb/>
Vertheidiger, an&#x017F;tatt &#x017F;eine Provinz zu &#x017F;ichern, nicht das<lb/>
Gleichgewicht dadurch her&#x017F;tellen daß er die korre&#x017F;pondirende<lb/>
Provinz un&#x017F;eres Landes durch ein eben &#x017F;olches Deta&#x017F;che-<lb/>
ment heim&#x017F;uchen la&#x0364;ßt? Es muß al&#x017F;o, wenn fu&#x0364;r den<lb/>
Angreifenden ein Vortheil hervorgehn &#x017F;oll, zuvor fe&#x017F;t&#x017F;tehen<lb/>
daß in der Provinz des Vertheidigers mehr zu holen oder<lb/>
zu bedrohen i&#x017F;t als in der un&#x017F;rigen. I&#x017F;t dies der Fall,<lb/>
&#x017F;o kann es nicht fehlen daß eine ganz &#x017F;chwache Diver&#x017F;ion<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">5*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0081] wenig Kraͤften unverhaͤltnißmaͤßig Viel auszurichten, z. B. eine wichtige Feſtung leicht zu nehmen, muß man es nicht mehr Diverſion nennen. Man pflegt es freilich auch Di- verſion zu nennen wenn ein Staat, waͤhrend er ſich gegen einen andern wehrt, durch einen dritten angefallen wird, — aber ein ſolcher Anfall unterſcheidet ſich von einem gewoͤhn- lichen Angriff in Nichts als der Richtung, es iſt alſo kein Grund ihm einen beſonderen Namen zu geben, denn in der Theorie ſoll man durch eigene Benennungen auch nur Eigenthuͤmliches bezeichnen. Wenn aber ſchwache Kraͤfte ſtaͤrkere herbeiziehen ſollen, ſo muͤſſen offenbar eigenthuͤmliche Verhaͤltniſſe die Veran- laſſung dazu geben, und es iſt alſo fuͤr den Zweck einer Diverſion nicht genug, irgend eine Streitkraft auf einen bisher unbetretenen Punkt abzuſchicken. Wenn der Angreifende irgend eine feindliche Provinz, die nicht zum Hauptkriegstheater gehoͤrt, durch einen kleinen Haufen von 1000 Mann heimſuchen laͤßt, um Kontribu- tionen einzutreiben u. ſ. w., ſo iſt freilich vorherzuſehen, daß der Feind dies nicht durch 1000 Mann verhindern kann die er dahin abſendet, ſondern er wird, wenn er die Provinz gegen Streifereien ſichern will, allerdings mehr dahin ſchicken muͤſſen. Aber, muß man fragen, kann der Vertheidiger, anſtatt ſeine Provinz zu ſichern, nicht das Gleichgewicht dadurch herſtellen daß er die korreſpondirende Provinz unſeres Landes durch ein eben ſolches Detaſche- ment heimſuchen laͤßt? Es muß alſo, wenn fuͤr den Angreifenden ein Vortheil hervorgehn ſoll, zuvor feſtſtehen daß in der Provinz des Vertheidigers mehr zu holen oder zu bedrohen iſt als in der unſrigen. Iſt dies der Fall, ſo kann es nicht fehlen daß eine ganz ſchwache Diverſion 5*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Clausewitz' "Vom Kriege" erschien zu Lebzeiten de… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/81
Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/81>, abgerufen am 19.03.2024.