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Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834.

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mehr feindliche Streitkräfte beschäftigen wird als die ihri-
gen betragen. Dagegen geht aus der Natur der Sache
hervor, daß, je mehr die Massen wachsen, dieser Vortheil
schwindet, denn 50,000 Mann können eine mäßige Provinz
nicht nur gegen 50,000 Mann mit Erfolg vertheidigen,
sondern selbst gegen eine etwas größere Zahl. Bei stärke-
ren Diversionen wird also der Vortheil sehr zweifelhaft,
und je größer sie werden, um so entschiedener müssen die
übrigen Verhältnisse sich schon zum Vortheil der Diversion
stellen, wenn bei dieser überhaupt etwas Gutes heraus-
kommen soll.

Diese vortheilhaften Verhältnisse können nun sein:

a) Streitkräfte welche der Angreifende für die Di-
version disponibel machen kann ohne den Hauptangriff zu
schwächen;
b) Punkte des Vertheidigers die von großer Wich-
tigkeit sind und durch die Diversion bedroht werden können;
c) unzufriedene Unterthanen desselben;
d) eine reiche Provinz welche beträchtliche Kriegs-
mittel hergeben kann.

Wenn eine solche Diversion unternommen werden soll,
die, nach diesen verschiedenen Rücksichten geprüft, Erfolg
verspricht, so wird man finden daß die Gelegenheit dazu
nicht häufig ist.

Aber nun kommt noch ein Hauptpunkt. Jede Diver-
sion bringt den Krieg in eine Gegend, wohin er ohne sie
nicht gekommen wäre; dadurch wird sie mehr oder weniger
immer feindliche Streitkräfte wecken die sonst geruht hät-
ten, sie wird dies aber auf eine höchst fühlbare Weise
thun wenn der Gegner durch Milizen und Nationalbe-
waffnungsmittel zum Kriege ausgerüstet ist. Es ist ja

mehr feindliche Streitkraͤfte beſchaͤftigen wird als die ihri-
gen betragen. Dagegen geht aus der Natur der Sache
hervor, daß, je mehr die Maſſen wachſen, dieſer Vortheil
ſchwindet, denn 50,000 Mann koͤnnen eine maͤßige Provinz
nicht nur gegen 50,000 Mann mit Erfolg vertheidigen,
ſondern ſelbſt gegen eine etwas groͤßere Zahl. Bei ſtaͤrke-
ren Diverſionen wird alſo der Vortheil ſehr zweifelhaft,
und je groͤßer ſie werden, um ſo entſchiedener muͤſſen die
uͤbrigen Verhaͤltniſſe ſich ſchon zum Vortheil der Diverſion
ſtellen, wenn bei dieſer uͤberhaupt etwas Gutes heraus-
kommen ſoll.

Dieſe vortheilhaften Verhaͤltniſſe koͤnnen nun ſein:

a) Streitkraͤfte welche der Angreifende fuͤr die Di-
verſion disponibel machen kann ohne den Hauptangriff zu
ſchwaͤchen;
b) Punkte des Vertheidigers die von großer Wich-
tigkeit ſind und durch die Diverſion bedroht werden koͤnnen;
c) unzufriedene Unterthanen deſſelben;
d) eine reiche Provinz welche betraͤchtliche Kriegs-
mittel hergeben kann.

Wenn eine ſolche Diverſion unternommen werden ſoll,
die, nach dieſen verſchiedenen Ruͤckſichten gepruͤft, Erfolg
verſpricht, ſo wird man finden daß die Gelegenheit dazu
nicht haͤufig iſt.

Aber nun kommt noch ein Hauptpunkt. Jede Diver-
ſion bringt den Krieg in eine Gegend, wohin er ohne ſie
nicht gekommen waͤre; dadurch wird ſie mehr oder weniger
immer feindliche Streitkraͤfte wecken die ſonſt geruht haͤt-
ten, ſie wird dies aber auf eine hoͤchſt fuͤhlbare Weiſe
thun wenn der Gegner durch Milizen und Nationalbe-
waffnungsmittel zum Kriege ausgeruͤſtet iſt. Es iſt ja

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[68/0082] mehr feindliche Streitkraͤfte beſchaͤftigen wird als die ihri- gen betragen. Dagegen geht aus der Natur der Sache hervor, daß, je mehr die Maſſen wachſen, dieſer Vortheil ſchwindet, denn 50,000 Mann koͤnnen eine maͤßige Provinz nicht nur gegen 50,000 Mann mit Erfolg vertheidigen, ſondern ſelbſt gegen eine etwas groͤßere Zahl. Bei ſtaͤrke- ren Diverſionen wird alſo der Vortheil ſehr zweifelhaft, und je groͤßer ſie werden, um ſo entſchiedener muͤſſen die uͤbrigen Verhaͤltniſſe ſich ſchon zum Vortheil der Diverſion ſtellen, wenn bei dieſer uͤberhaupt etwas Gutes heraus- kommen ſoll. Dieſe vortheilhaften Verhaͤltniſſe koͤnnen nun ſein: a) Streitkraͤfte welche der Angreifende fuͤr die Di- verſion disponibel machen kann ohne den Hauptangriff zu ſchwaͤchen; b) Punkte des Vertheidigers die von großer Wich- tigkeit ſind und durch die Diverſion bedroht werden koͤnnen; c) unzufriedene Unterthanen deſſelben; d) eine reiche Provinz welche betraͤchtliche Kriegs- mittel hergeben kann. Wenn eine ſolche Diverſion unternommen werden ſoll, die, nach dieſen verſchiedenen Ruͤckſichten gepruͤft, Erfolg verſpricht, ſo wird man finden daß die Gelegenheit dazu nicht haͤufig iſt. Aber nun kommt noch ein Hauptpunkt. Jede Diver- ſion bringt den Krieg in eine Gegend, wohin er ohne ſie nicht gekommen waͤre; dadurch wird ſie mehr oder weniger immer feindliche Streitkraͤfte wecken die ſonſt geruht haͤt- ten, ſie wird dies aber auf eine hoͤchſt fuͤhlbare Weiſe thun wenn der Gegner durch Milizen und Nationalbe- waffnungsmittel zum Kriege ausgeruͤſtet iſt. Es iſt ja

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Zitationshilfe: Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clausewitz_krieg03_1834/82>, abgerufen am 19.03.2024.