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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.

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ließe sich eine interessante Untersuchung darüber anstellen, p2c_680.002
warum die Alten, welche in allen Gatrungen der darstellenden p2c_680.003
Poesie, wenigstens im pragmatischen und didaktischen p2c_680.004
Gedicht Meisterwerke aufzuweisen haben, die Jdee des p2c_680.005
höhern beschreibenden Gedichts nicht gehabt zu haben scheinen, p2c_680.006
zumal da ihre Epopöen und andere Gedichte voll Beschreibungen p2c_680.007
sind. Das erste Buch des Manilius Sphaera p2c_680.008
mundi aut de universitate
gehört am meisten hierher. p2c_680.009
Jn den übrigen Büchern ist mehr die astrologische Lehre zu p2c_680.010
finden. Das Schild des Achills in Homers Jliade ist p2c_680.011
eine Welt im Kleinen. Es erregt aber mehr die Empfindung p2c_680.012
des Niedlichen, als ein erhabenes Gefühl. Das p2c_680.013
Scutum Herculis ist gar nicht zu erwähnen. Es ist eine p2c_680.014
schwache Nachahmung und auch zum Theil historisch.

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Anmerk. 2. Es giebt auch kleinere beschreibende p2c_680.016
Gedichte über einen Gegenstand, der die Empfindung p2c_680.017
des Erhabenen erweckt. Z. B. Opitzens Vesuv, kriegerische p2c_680.018
Gemälde u. s. w. Doch auch hier sieht man immer das p2c_680.019
Bestreben des Dichters, eine Ansicht von Natur und Welt p2c_680.020
im Ganzen zu geben. So beginnt Opitzens Gedicht Vesuvius p2c_680.021
folgendermaßen: "Natur von derer Kraft, Luft, Welt p2c_680.022
und Himmel sind, des Höchsten Meisterrecht und erstgebornes p2c_680.023
Kind, du Schwester aller Zeit, du Mutter dieser Dinge, p2c_680.024
o Göttinn gönne mir, daß mein Gemüthe dringe, in p2c_680.025
seiner Werke Reich u. s. w." - Wenn man bedenkt, wie p2c_680.026
zufällig die Gedanken eines Dichters entstehn, so ist es die p2c_680.027
größte Rechtfertigung einer Theorie, wenn der Gang, den sie

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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 680. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/204>, abgerufen am 28.04.2024.