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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.

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a priori den Dichterischen Jdeen als nothwendig vorzeichnet, p2c_681.002
auch a posteriori von den Dichtern bey der größten Freyheit p2c_681.003
ihres Genius, genommen wird. Die Poetik, wenn sie p2c_681.004
sich vervollkommnen sollte, wird demnach als die beste Probe p2c_681.005
der menschlichen Theorie anzusehn seyn.

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§. 2.

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Da die Beschreibung dichterisch seyn und von p2c_681.008
allem Zwang des Verstandes frey erscheinen muß, so p2c_681.009
wird der Dichter den Plan des Ganzen so viel als p2c_681.010
möglich verbergen, und bey aller scheinbaren Unordnung p2c_681.011
doch eine vollkommne Ansicht des Gegenstandes p2c_681.012
geben müssen.

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Anmerk. Bey dem beschreibenden Gedichte soll die p2c_681.014
Phantasie besonders interessirt werden, welche sehr leicht ermüdet. p2c_681.015
Es darf der Dichter deshalb keinesweges mahlen p2c_681.016
wollen. Denn was man hinter einander nach und nach sich p2c_681.017
vorstellt, kann man sich nicht ohne Zwang und peinliche p2c_681.018
Ordnung zu Einem Hauptbilde vereinigt neben einander p2c_681.019
denken. Haller beschreibt die Alpenblumen mit der Genauigkeit p2c_681.020
des Botanisten, und geht hierinnen über die Gränzen p2c_681.021
seiner Kunst heraus. - Der beschreibende Dichter muß p2c_681.022
Erzählungen, Lehren, Betrachtungen, lyrische Stücke in p2c_681.023
seine Beschreibungen als Episoden einmischen. Denn der p2c_681.024
Geist wird es satt, immer nur anzuschaun, und in Bildern p2c_681.025
sich zu verliehren. Die übrigen Seelenkräfte wollen bey

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a priori den Dichterischen Jdeen als nothwendig vorzeichnet, p2c_681.002
auch a posteriori von den Dichtern bey der größten Freyheit p2c_681.003
ihres Genius, genommen wird. Die Poetik, wenn sie p2c_681.004
sich vervollkommnen sollte, wird demnach als die beste Probe p2c_681.005
der menschlichen Theorie anzusehn seyn.

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Da die Beschreibung dichterisch seyn und von p2c_681.008
allem Zwang des Verstandes frey erscheinen muß, so p2c_681.009
wird der Dichter den Plan des Ganzen so viel als p2c_681.010
möglich verbergen, und bey aller scheinbaren Unordnung p2c_681.011
doch eine vollkommne Ansicht des Gegenstandes p2c_681.012
geben müssen.

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Anmerk. Bey dem beschreibenden Gedichte soll die p2c_681.014
Phantasie besonders interessirt werden, welche sehr leicht ermüdet. p2c_681.015
Es darf der Dichter deshalb keinesweges mahlen p2c_681.016
wollen. Denn was man hinter einander nach und nach sich p2c_681.017
vorstellt, kann man sich nicht ohne Zwang und peinliche p2c_681.018
Ordnung zu Einem Hauptbilde vereinigt neben einander p2c_681.019
denken. Haller beschreibt die Alpenblumen mit der Genauigkeit p2c_681.020
des Botanisten, und geht hierinnen über die Gränzen p2c_681.021
seiner Kunst heraus. ─ Der beschreibende Dichter muß p2c_681.022
Erzählungen, Lehren, Betrachtungen, lyrische Stücke in p2c_681.023
seine Beschreibungen als Episoden einmischen. Denn der p2c_681.024
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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 681. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/205>, abgerufen am 28.04.2024.