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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.

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bekannt. Hierauf folgten eine Menge Gnomici, p2c_725.002
Solon, Theognis, der sogenannte Phocylides und andre - p2c_725.003
ethike poiesis - Bey den Lateinern hat man ebenfalls p2c_725.004
Sententias von Syrus und Dionys. Catonis disticha. p2c_725.005
Bey den Hebräern sind die Sprüchwörter Salomonis damit p2c_725.006
zu vergleichen. Verschiedene didaktische moralische Gedichte p2c_725.007
der neuern von Gellert, Hagedorn, auch viele geistliche p2c_725.008
Lieder, die man nicht als Hymnen ansehn kann, sind unter p2c_725.009
die Gattung des gnomischen Gedichts zu rechnen.

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Anmerk. 2. Der objektive Jnhalt des gnomischen p2c_725.011
Gedichts besteht also aus Lehren der Weisheit, p2c_725.012
welche ohne nähere Verbindung, wie Orakelsprüche vorgetragen p2c_725.013
werden. Dergleichen besonders praktische Lehren p2c_725.014
sind durch das Hauptprincip alle mit einander verwandt. p2c_725.015
Unter sich aber haben sie gewöhnlich keine Verbindung. Dies p2c_725.016
benutzen die gnomischen Dichter. Jndem sie die Maximen p2c_725.017
so fragmentarisch vortragen, bekommt das Ganze einen p2c_725.018
heiligen, feyerlichen Anstrich, etwas räthselhaftes, p2c_725.019
- mit einem Worte aus dem Lehrton wird ein Orakelton. p2c_725.020
Daher darf man auch weiter keinen logischen Plan im gnomischen p2c_725.021
Gedicht suchen. Theognis hat zu Anfang einen p2c_725.022
Anruf an den Apoll und die Diana, - oft wendet er sich p2c_725.023
an den Cyrnus, welchen er belehren will. Uebrigens findet p2c_725.024
man unter den Lebensregeln selbst wenig Zusammenhang. p2c_725.025
Doch kann auch ein besonderes Kapitel der Moral abgehandelt p2c_725.026
werden, z. B. Gellert, die Freundschaft, der Ruhm, p2c_725.027
der Menschenfreund u. s. w. auf welches sich die Maximen

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Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 725. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/249>, abgerufen am 28.04.2024.