Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p2c_527.001
die Poesie des alten Testaments an einzelnen Orten annimmt, p2c_527.002
sind schon von vielen Gottesgelehrten bestimmt p2c_527.003
worden, und erfordern eine eigene Bearbeitung.

p2c_527.004
Anmerk. Als Stücke der höhern lyrischen Poesie p2c_527.005
sind zu merken: 1) die hebräische Ode. Daß auch sie ursprünglich p2c_527.006
mit Musik verbunden war, zeigt die Ueberschrift p2c_527.007
vieler Psalmen: Lamnazeach, wenn dies anders richtig p2c_527.008
mit dem Vorsänger oder vorzusingen übersetzt wird. Denn p2c_527.009
die Erklärung der Worte, welche musikalische Jnstrumente p2c_527.010
u. dgl. bedeuten, ist sehr ungewiß. Zur eigentlichen Ode p2c_527.011
kann man die Psalmen rechnen, wo Einer spricht, es sey p2c_527.012
nun David oder ein anderer Verfasser. Der lyrische Jdeengang p2c_527.013
der Psalmen hat viel Aehnlichkeit mit dem horazischen. p2c_527.014
Das Gedicht beginnt mit einem Aufruf, einer begeisterten p2c_527.015
Frage, mit einer feyerlichen Vorbereitung zum Gesang, mit p2c_527.016
einer Sentenz. Die Uebergänge sind rasch und kühn, es p2c_527.017
giebt historische Digressionen, und oft verliehrt sich der Dichter p2c_527.018
in einer Episode, in einer Allegorie, und schließt mit ihr. p2c_527.019
Doch bleibt er auch wohl seinem großen Gegenstande, welcher p2c_527.020
gewöhnlich das Lob Gottes ist, getreu. Oft wechselt p2c_527.021
der erhabene Styl mit dem sanften Schönen und Reizenden p2c_527.022
ab. 2) Die hebräische Hymne. (Ode in Liederform, p2c_527.023
wo mehrere Chöre mit Jntermezzos und auch einzelnen p2c_527.024
Stimmen abwechseln, z. B. Psalm 8.) Hierher gehören p2c_527.025
auch die Siegeshymnen Mosis, der Debora und Davids. p2c_527.026
Die älteste dieser Art ist das Danklied Mosis am p2c_527.027
rothen Meer. 3) Die Prophezeyungen, Orakel und Visionen

p2c_527.001
die Poesie des alten Testaments an einzelnen Orten annimmt, p2c_527.002
sind schon von vielen Gottesgelehrten bestimmt p2c_527.003
worden, und erfordern eine eigene Bearbeitung.

p2c_527.004
Anmerk. Als Stücke der höhern lyrischen Poesie p2c_527.005
sind zu merken: 1) die hebräische Ode. Daß auch sie ursprünglich p2c_527.006
mit Musik verbunden war, zeigt die Ueberschrift p2c_527.007
vieler Psalmen: Lamnazeach, wenn dies anders richtig p2c_527.008
mit dem Vorsänger oder vorzusingen übersetzt wird. Denn p2c_527.009
die Erklärung der Worte, welche musikalische Jnstrumente p2c_527.010
u. dgl. bedeuten, ist sehr ungewiß. Zur eigentlichen Ode p2c_527.011
kann man die Psalmen rechnen, wo Einer spricht, es sey p2c_527.012
nun David oder ein anderer Verfasser. Der lyrische Jdeengang p2c_527.013
der Psalmen hat viel Aehnlichkeit mit dem horazischen. p2c_527.014
Das Gedicht beginnt mit einem Aufruf, einer begeisterten p2c_527.015
Frage, mit einer feyerlichen Vorbereitung zum Gesang, mit p2c_527.016
einer Sentenz. Die Uebergänge sind rasch und kühn, es p2c_527.017
giebt historische Digressionen, und oft verliehrt sich der Dichter p2c_527.018
in einer Episode, in einer Allegorie, und schließt mit ihr. p2c_527.019
Doch bleibt er auch wohl seinem großen Gegenstande, welcher p2c_527.020
gewöhnlich das Lob Gottes ist, getreu. Oft wechselt p2c_527.021
der erhabene Styl mit dem sanften Schönen und Reizenden p2c_527.022
ab. 2) Die hebräische Hymne. (Ode in Liederform, p2c_527.023
wo mehrere Chöre mit Jntermezzos und auch einzelnen p2c_527.024
Stimmen abwechseln, z. B. Psalm 8.) Hierher gehören p2c_527.025
auch die Siegeshymnen Mosis, der Debora und Davids. p2c_527.026
Die älteste dieser Art ist das Danklied Mosis am p2c_527.027
rothen Meer. 3) Die Prophezeyungen, Orakel und Visionen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0051" n="527"/><lb n="p2c_527.001"/>
die Poesie des alten Testaments an einzelnen Orten annimmt, <lb n="p2c_527.002"/>
sind schon von vielen Gottesgelehrten bestimmt <lb n="p2c_527.003"/>
worden, und erfordern eine eigene Bearbeitung.</p>
          <p><lb n="p2c_527.004"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> Als Stücke der <hi rendition="#g">höhern</hi> lyrischen Poesie <lb n="p2c_527.005"/>
sind zu merken: 1) die hebräische <hi rendition="#g">Ode.</hi> Daß auch sie ursprünglich <lb n="p2c_527.006"/>
mit Musik verbunden war, zeigt die Ueberschrift <lb n="p2c_527.007"/>
vieler Psalmen: <hi rendition="#g">Lamnazeach,</hi> wenn dies anders richtig <lb n="p2c_527.008"/>
mit <hi rendition="#g">dem</hi> Vorsänger oder vorzusingen übersetzt wird. Denn <lb n="p2c_527.009"/>
die Erklärung der Worte, welche musikalische Jnstrumente <lb n="p2c_527.010"/>
u. dgl. bedeuten, ist sehr ungewiß. Zur eigentlichen Ode <lb n="p2c_527.011"/>
kann man die Psalmen rechnen, wo Einer spricht, es sey <lb n="p2c_527.012"/>
nun David oder ein anderer Verfasser. Der lyrische Jdeengang <lb n="p2c_527.013"/>
der Psalmen hat viel Aehnlichkeit mit dem horazischen. <lb n="p2c_527.014"/>
Das Gedicht beginnt mit einem Aufruf, einer begeisterten <lb n="p2c_527.015"/>
Frage, mit einer feyerlichen Vorbereitung zum Gesang, mit <lb n="p2c_527.016"/>
einer Sentenz. Die Uebergänge sind rasch und kühn, es <lb n="p2c_527.017"/>
giebt historische Digressionen, und oft verliehrt sich der Dichter <lb n="p2c_527.018"/>
in einer Episode, in einer Allegorie, und schließt mit ihr. <lb n="p2c_527.019"/>
Doch bleibt er auch wohl seinem großen Gegenstande, welcher <lb n="p2c_527.020"/>
gewöhnlich das Lob Gottes ist, getreu. Oft wechselt <lb n="p2c_527.021"/>
der erhabene Styl mit dem sanften Schönen und Reizenden <lb n="p2c_527.022"/>
ab. 2) Die hebräische <hi rendition="#g">Hymne.</hi> (Ode in Liederform, <lb n="p2c_527.023"/>
wo mehrere Chöre mit Jntermezzos und auch einzelnen <lb n="p2c_527.024"/>
Stimmen abwechseln, z. B. Psalm 8.) Hierher gehören <lb n="p2c_527.025"/>
auch die Siegeshymnen Mosis, der Debora und Davids. <lb n="p2c_527.026"/>
Die älteste dieser Art ist das Danklied Mosis am     <lb n="p2c_527.027"/>
rothen Meer. 3) Die Prophezeyungen, Orakel und Visionen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[527/0051] p2c_527.001 die Poesie des alten Testaments an einzelnen Orten annimmt, p2c_527.002 sind schon von vielen Gottesgelehrten bestimmt p2c_527.003 worden, und erfordern eine eigene Bearbeitung. p2c_527.004 Anmerk. Als Stücke der höhern lyrischen Poesie p2c_527.005 sind zu merken: 1) die hebräische Ode. Daß auch sie ursprünglich p2c_527.006 mit Musik verbunden war, zeigt die Ueberschrift p2c_527.007 vieler Psalmen: Lamnazeach, wenn dies anders richtig p2c_527.008 mit dem Vorsänger oder vorzusingen übersetzt wird. Denn p2c_527.009 die Erklärung der Worte, welche musikalische Jnstrumente p2c_527.010 u. dgl. bedeuten, ist sehr ungewiß. Zur eigentlichen Ode p2c_527.011 kann man die Psalmen rechnen, wo Einer spricht, es sey p2c_527.012 nun David oder ein anderer Verfasser. Der lyrische Jdeengang p2c_527.013 der Psalmen hat viel Aehnlichkeit mit dem horazischen. p2c_527.014 Das Gedicht beginnt mit einem Aufruf, einer begeisterten p2c_527.015 Frage, mit einer feyerlichen Vorbereitung zum Gesang, mit p2c_527.016 einer Sentenz. Die Uebergänge sind rasch und kühn, es p2c_527.017 giebt historische Digressionen, und oft verliehrt sich der Dichter p2c_527.018 in einer Episode, in einer Allegorie, und schließt mit ihr. p2c_527.019 Doch bleibt er auch wohl seinem großen Gegenstande, welcher p2c_527.020 gewöhnlich das Lob Gottes ist, getreu. Oft wechselt p2c_527.021 der erhabene Styl mit dem sanften Schönen und Reizenden p2c_527.022 ab. 2) Die hebräische Hymne. (Ode in Liederform, p2c_527.023 wo mehrere Chöre mit Jntermezzos und auch einzelnen p2c_527.024 Stimmen abwechseln, z. B. Psalm 8.) Hierher gehören p2c_527.025 auch die Siegeshymnen Mosis, der Debora und Davids. p2c_527.026 Die älteste dieser Art ist das Danklied Mosis am p2c_527.027 rothen Meer. 3) Die Prophezeyungen, Orakel und Visionen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/51
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/51>, abgerufen am 29.04.2024.