Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueberlegenheit des Mannes über die Frau entstanden sei. Er
gelangt dann zu seinen Verbesserungsvorschlägen, unter denen
ihm die Forderungen der staatlichen Gleichberechtigung voran-
stehen, danach die übrigen erörtert werden.

Soll es denn immer mit dem anderen Geschlechte so
bleiben, wie es war und ist? ruft Hippel aus. Sollen ihm
die Menschenrechte, die man ihm so schnöde entrissen hat, sollen
ihm die Bürgerrechte, die ihm so ungebührlich vorenthalten
werden - auf ewig verloren sein? Soll es im Staat und
für den Staat nie einen absoluten Werth erhalten und immer-
dar beim relativen bleiben? ... Die neue französische Con-
stitution verdient meine Vorwürfe, weil sie für gut fand, einer
ganzen Hälfte der Nation nicht zu gedenken. Wir irren, wenn
wir uns überreden, daß Weiber für die Ehrensache der Mensch-
heit, für den Kampf der Freiheit mit der Alleingewalt keine
Sinne besitzen. Johnson sagt, man könne so sehr ein Mann
nach der Welt sein, daß man nichts mehr in der Welt ist;
sollte man nicht weit eher so sehr ein Staatsbeamter sein können,
daß man zu der Ehre ein Staatsbürger zu sein unfähig ist?
Wahrlich, um sich wieder zu orientiren, sollte man die Weiber
zum Staatsdienste vociren - wozu sie unstreitig einen gött-
lichen Ruf haben, an dem es den meisten Taugenichtsen von
hohen Staatsbeamten ermangelt.... Jst es nicht unverzeihlich,
die Hälfte der menschlichen Kräfte ungekannt, ungeschätzt und
ungebraucht schlummern zu lassen? ... Jn allen Gesellschaften,
woran Weiber theilnehmen, verbreitet sich Anstand; und sollte
dies nicht auch der Fall beim Staate sein, in dessen Geschäfte
ein anderes Licht und Leben kommen würde, wenn Weiber den
Zutritt hätten, in ihnen ihr Licht leuchten zu lassen und ihnen
einen anderen Schwung beizulegen? ... Schon fängt der
Gedanke an, sich je länger je mehr zu regen, daß nur Gleiche

Ueberlegenheit des Mannes über die Frau entstanden sei. Er
gelangt dann zu seinen Verbesserungsvorschlägen, unter denen
ihm die Forderungen der staatlichen Gleichberechtigung voran-
stehen, danach die übrigen erörtert werden.

Soll es denn immer mit dem anderen Geschlechte so
bleiben, wie es war und ist? ruft Hippel aus. Sollen ihm
die Menschenrechte, die man ihm so schnöde entrissen hat, sollen
ihm die Bürgerrechte, die ihm so ungebührlich vorenthalten
werden – auf ewig verloren sein? Soll es im Staat und
für den Staat nie einen absoluten Werth erhalten und immer-
dar beim relativen bleiben? … Die neue französische Con-
stitution verdient meine Vorwürfe, weil sie für gut fand, einer
ganzen Hälfte der Nation nicht zu gedenken. Wir irren, wenn
wir uns überreden, daß Weiber für die Ehrensache der Mensch-
heit, für den Kampf der Freiheit mit der Alleingewalt keine
Sinne besitzen. Johnson sagt, man könne so sehr ein Mann
nach der Welt sein, daß man nichts mehr in der Welt ist;
sollte man nicht weit eher so sehr ein Staatsbeamter sein können,
daß man zu der Ehre ein Staatsbürger zu sein unfähig ist?
Wahrlich, um sich wieder zu orientiren, sollte man die Weiber
zum Staatsdienste vociren – wozu sie unstreitig einen gött-
lichen Ruf haben, an dem es den meisten Taugenichtsen von
hohen Staatsbeamten ermangelt.… Jst es nicht unverzeihlich,
die Hälfte der menschlichen Kräfte ungekannt, ungeschätzt und
ungebraucht schlummern zu lassen? … Jn allen Gesellschaften,
woran Weiber theilnehmen, verbreitet sich Anstand; und sollte
dies nicht auch der Fall beim Staate sein, in dessen Geschäfte
ein anderes Licht und Leben kommen würde, wenn Weiber den
Zutritt hätten, in ihnen ihr Licht leuchten zu lassen und ihnen
einen anderen Schwung beizulegen? … Schon fängt der
Gedanke an, sich je länger je mehr zu regen, daß nur Gleiche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0112" n="96"/>
Ueberlegenheit des Mannes über die Frau entstanden sei. Er<lb/>
gelangt dann zu seinen Verbesserungsvorschlägen, unter denen<lb/>
ihm die Forderungen der staatlichen Gleichberechtigung voran-<lb/>
stehen, danach die übrigen erörtert werden.</p><lb/>
            <p>Soll es denn immer mit dem anderen Geschlechte so<lb/>
bleiben, wie es war und ist? ruft Hippel aus. Sollen ihm<lb/>
die Menschenrechte, die man ihm so schnöde entrissen hat, sollen<lb/>
ihm die Bürgerrechte, die ihm so ungebührlich vorenthalten<lb/>
werden &#x2013; auf ewig verloren sein? Soll es im Staat und<lb/>
für den Staat nie einen absoluten Werth erhalten und immer-<lb/>
dar beim relativen bleiben? &#x2026; Die neue französische Con-<lb/>
stitution verdient meine Vorwürfe, weil sie für gut fand, einer<lb/>
ganzen Hälfte der Nation nicht zu gedenken. Wir irren, wenn<lb/>
wir uns überreden, daß Weiber für die Ehrensache der Mensch-<lb/>
heit, für den Kampf der Freiheit mit der Alleingewalt keine<lb/>
Sinne besitzen. Johnson sagt, man könne so sehr ein Mann<lb/>
nach der Welt sein, daß man nichts mehr in der Welt ist;<lb/>
sollte man nicht weit eher so sehr ein Staatsbeamter sein können,<lb/>
daß man zu der Ehre ein Staatsbürger zu sein unfähig ist?<lb/>
Wahrlich, um sich wieder zu orientiren, sollte man die Weiber<lb/>
zum Staatsdienste vociren &#x2013; wozu sie unstreitig einen gött-<lb/>
lichen Ruf haben, an dem es den meisten Taugenichtsen von<lb/>
hohen Staatsbeamten ermangelt.&#x2026; Jst es nicht unverzeihlich,<lb/>
die Hälfte der menschlichen Kräfte ungekannt, ungeschätzt und<lb/>
ungebraucht schlummern zu lassen? &#x2026; Jn allen Gesellschaften,<lb/>
woran Weiber theilnehmen, verbreitet sich Anstand; und sollte<lb/>
dies nicht auch der Fall beim Staate sein, in dessen Geschäfte<lb/>
ein anderes Licht und Leben kommen würde, wenn Weiber den<lb/>
Zutritt hätten, in ihnen ihr Licht leuchten zu lassen und ihnen<lb/>
einen anderen Schwung beizulegen? &#x2026; Schon fängt der<lb/>
Gedanke an, sich je länger je mehr zu regen, daß nur Gleiche<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0112] Ueberlegenheit des Mannes über die Frau entstanden sei. Er gelangt dann zu seinen Verbesserungsvorschlägen, unter denen ihm die Forderungen der staatlichen Gleichberechtigung voran- stehen, danach die übrigen erörtert werden. Soll es denn immer mit dem anderen Geschlechte so bleiben, wie es war und ist? ruft Hippel aus. Sollen ihm die Menschenrechte, die man ihm so schnöde entrissen hat, sollen ihm die Bürgerrechte, die ihm so ungebührlich vorenthalten werden – auf ewig verloren sein? Soll es im Staat und für den Staat nie einen absoluten Werth erhalten und immer- dar beim relativen bleiben? … Die neue französische Con- stitution verdient meine Vorwürfe, weil sie für gut fand, einer ganzen Hälfte der Nation nicht zu gedenken. Wir irren, wenn wir uns überreden, daß Weiber für die Ehrensache der Mensch- heit, für den Kampf der Freiheit mit der Alleingewalt keine Sinne besitzen. Johnson sagt, man könne so sehr ein Mann nach der Welt sein, daß man nichts mehr in der Welt ist; sollte man nicht weit eher so sehr ein Staatsbeamter sein können, daß man zu der Ehre ein Staatsbürger zu sein unfähig ist? Wahrlich, um sich wieder zu orientiren, sollte man die Weiber zum Staatsdienste vociren – wozu sie unstreitig einen gött- lichen Ruf haben, an dem es den meisten Taugenichtsen von hohen Staatsbeamten ermangelt.… Jst es nicht unverzeihlich, die Hälfte der menschlichen Kräfte ungekannt, ungeschätzt und ungebraucht schlummern zu lassen? … Jn allen Gesellschaften, woran Weiber theilnehmen, verbreitet sich Anstand; und sollte dies nicht auch der Fall beim Staate sein, in dessen Geschäfte ein anderes Licht und Leben kommen würde, wenn Weiber den Zutritt hätten, in ihnen ihr Licht leuchten zu lassen und ihnen einen anderen Schwung beizulegen? … Schon fängt der Gedanke an, sich je länger je mehr zu regen, daß nur Gleiche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2021-02-18T15:54:56Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/112
Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/112>, abgerufen am 29.03.2024.