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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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welches um den häuslichen Herd und in der Familie sich ent-
faltet, und welches zu allen Zweigen der Erwerbsthätigkeit in
gleicher Weise die regelmäßige Ergänzung bildet. Nur die
weiblichen Dienstboten zählt sie mit, weil sie diese Arbeit in
fremdem Hause verrichten.

Um so beachtenswerther ist die Thatsache, daß in der
Masse dervon der Statistik gezählten Erwerbsthätigen folgende
Gruppen der weiblichen Berufsarbeit sich befinden*): neben über-
haupt 13 1/3 Millionen männlicher Erwerbstätiger gab es
4 1/4 Millionen weiblicher Erwerbsthätiger, dazu 1 1/4 Million
weiblicher Dienstboten. Von jenen 4 1/4 Millionen kam der
größere Theil auf die Landwirthschaft (reichlich 2 1/2 Millionen),
dann mehr als 1 Million auf die Gewerbe, nahezu 1/3 Million
auf Handel, Verkehrsanstalten, Gast- und Schankwirthschaften,
endlich auf freie Berufsarten und amtliche Stellungen 115272
(neben 464050 männlichen Personen dieser Kategorie).

Hieraus ergibt sich, daß nicht nur in der ungezählten
Menge jener weiblichen Personen, deren Arbeit dem eigenen
Herde zugewandt ist, sondern auch in der Erwerbsthätigkeit des
Marktes eine Anzahl weiblicher Berufsarbeiter sich findet, welche
so groß ist und in so viele Berufsarten eingreift, daß für sie
der Ruf nach Erweiterung der Erwerbsgebiete des weiblichen
Geschlechts regelmäßig keinen Sinn hat, auch thatsächlich nicht
erhoben wird. Der Kampf der Frauenbewegung Deutschlands
(wie anderer Länder) ist nicht ein Kampf um die Masse der
Arbeitsgebiete, sondern um die Höhe der Arbeitsgebiete. Daher
kommt es, daß dieser Kampf nicht die Massen der weiblichen
Arbeiterschaft hinter sich hat, sondern eine Minderzahl des ge-
bildeten Mittelstandes; daß er nicht auf einer Bewegung des

*) Berufszählung des Deutschen Reiches vom 5. Juni 1882.

welches um den häuslichen Herd und in der Familie sich ent-
faltet, und welches zu allen Zweigen der Erwerbsthätigkeit in
gleicher Weise die regelmäßige Ergänzung bildet. Nur die
weiblichen Dienstboten zählt sie mit, weil sie diese Arbeit in
fremdem Hause verrichten.

Um so beachtenswerther ist die Thatsache, daß in der
Masse dervon der Statistik gezählten Erwerbsthätigen folgende
Gruppen der weiblichen Berufsarbeit sich befinden*): neben über-
haupt 13 ⅓ Millionen männlicher Erwerbstätiger gab es
4 ¼ Millionen weiblicher Erwerbsthätiger, dazu 1 ¼ Million
weiblicher Dienstboten. Von jenen 4 ¼ Millionen kam der
größere Theil auf die Landwirthschaft (reichlich 2 ½ Millionen),
dann mehr als 1 Million auf die Gewerbe, nahezu ⅓ Million
auf Handel, Verkehrsanstalten, Gast- und Schankwirthschaften,
endlich auf freie Berufsarten und amtliche Stellungen 115272
(neben 464050 männlichen Personen dieser Kategorie).

Hieraus ergibt sich, daß nicht nur in der ungezählten
Menge jener weiblichen Personen, deren Arbeit dem eigenen
Herde zugewandt ist, sondern auch in der Erwerbsthätigkeit des
Marktes eine Anzahl weiblicher Berufsarbeiter sich findet, welche
so groß ist und in so viele Berufsarten eingreift, daß für sie
der Ruf nach Erweiterung der Erwerbsgebiete des weiblichen
Geschlechts regelmäßig keinen Sinn hat, auch thatsächlich nicht
erhoben wird. Der Kampf der Frauenbewegung Deutschlands
(wie anderer Länder) ist nicht ein Kampf um die Masse der
Arbeitsgebiete, sondern um die Höhe der Arbeitsgebiete. Daher
kommt es, daß dieser Kampf nicht die Massen der weiblichen
Arbeiterschaft hinter sich hat, sondern eine Minderzahl des ge-
bildeten Mittelstandes; daß er nicht auf einer Bewegung des

*) Berufszählung des Deutschen Reiches vom 5. Juni 1882.
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[114/0130] welches um den häuslichen Herd und in der Familie sich ent- faltet, und welches zu allen Zweigen der Erwerbsthätigkeit in gleicher Weise die regelmäßige Ergänzung bildet. Nur die weiblichen Dienstboten zählt sie mit, weil sie diese Arbeit in fremdem Hause verrichten. Um so beachtenswerther ist die Thatsache, daß in der Masse dervon der Statistik gezählten Erwerbsthätigen folgende Gruppen der weiblichen Berufsarbeit sich befinden *): neben über- haupt 13 ⅓ Millionen männlicher Erwerbstätiger gab es 4 ¼ Millionen weiblicher Erwerbsthätiger, dazu 1 ¼ Million weiblicher Dienstboten. Von jenen 4 ¼ Millionen kam der größere Theil auf die Landwirthschaft (reichlich 2 ½ Millionen), dann mehr als 1 Million auf die Gewerbe, nahezu ⅓ Million auf Handel, Verkehrsanstalten, Gast- und Schankwirthschaften, endlich auf freie Berufsarten und amtliche Stellungen 115272 (neben 464050 männlichen Personen dieser Kategorie). Hieraus ergibt sich, daß nicht nur in der ungezählten Menge jener weiblichen Personen, deren Arbeit dem eigenen Herde zugewandt ist, sondern auch in der Erwerbsthätigkeit des Marktes eine Anzahl weiblicher Berufsarbeiter sich findet, welche so groß ist und in so viele Berufsarten eingreift, daß für sie der Ruf nach Erweiterung der Erwerbsgebiete des weiblichen Geschlechts regelmäßig keinen Sinn hat, auch thatsächlich nicht erhoben wird. Der Kampf der Frauenbewegung Deutschlands (wie anderer Länder) ist nicht ein Kampf um die Masse der Arbeitsgebiete, sondern um die Höhe der Arbeitsgebiete. Daher kommt es, daß dieser Kampf nicht die Massen der weiblichen Arbeiterschaft hinter sich hat, sondern eine Minderzahl des ge- bildeten Mittelstandes; daß er nicht auf einer Bewegung des *) Berufszählung des Deutschen Reiches vom 5. Juni 1882.

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/130>, abgerufen am 29.03.2024.