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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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heit unangetastet bleiben, daß derartige Beschäftigungen, und
nicht bloß die schöngeistigen, sondern auch die wissenschaftlichen,
einem gebildeten Wesen, sei es weiblichen, sei es männlichen
Geschlechts, zur Zierde gereichen. Ob es Kunst oder Wissen-
schaft ist, immer wird nur gefordert werden müssen, daß es
nicht eitle Tändelei, sondern ein ernsthaftes Lernen und Arbeiten
sei. Daß für ein gesittetes Wesen, und zwar für so viele in
einem Volke als möglich, die Muße zu derlei Dingen übrig
bleibe, daß die Entlastung von häuslicher Arbeit Raum schaffe
für solche Bestrebungen, das dürfte im Allgemeinen als wün-
schenswerth zugestanden werden. Und so hätte, sofern nur die
wirthschaftlichen Umstände dazu paßten, in diesem Ziele die
uns bekannte Lücke ihren guten Beruf. Zwischen dem, was
heute schon vorhanden ist, und dem, was an dessen Stelle
kommen soll, läge nicht sowohl ein Unterschied des Was,
sondern des Wie. Am allerwenigsten würde der größere Ernst
eines künstlerischen oder wissenschaftlichen Betriebes dasjenige
sein, was von verständigen Leuten zu bekämpfen wäre.

Allerdings gewinnt es nach Manchem, was man zu hören
gewohnt ist, öfter den Anschein, als sei gerade der übliche
Dilettantismus das normale Maß, welches sich allein mit dem
weiblichen Beruf, mit den häuslichen Pflichten vereinigen läßt.
Jn der Vertiefung jener Beschäftigungen sieht man Etwas,
was die Erfüllung dieser Pflichten gefährdet, oder man drückt
dieselbe Wahrheit noch deutlicher aus und behauptet einen
Widerspruch hoher weiblicher Geistesbildung und Geistesarbeit
zu der Fähigkeit für die Erfüllung der häuslichen Pflichten.
Jndessen, gerade die bisherige Erfahrung hat gezeigt, daß der
Dilettantismus durch die Gewöhnung an ziellose und berufslose
Beschäftigung vielmehr für die Gewöhnung zu jeder Arbeit
schädlich ist, weil er den Ernst nicht lehrt, der zu jeder Pflicht-

heit unangetastet bleiben, daß derartige Beschäftigungen, und
nicht bloß die schöngeistigen, sondern auch die wissenschaftlichen,
einem gebildeten Wesen, sei es weiblichen, sei es männlichen
Geschlechts, zur Zierde gereichen. Ob es Kunst oder Wissen-
schaft ist, immer wird nur gefordert werden müssen, daß es
nicht eitle Tändelei, sondern ein ernsthaftes Lernen und Arbeiten
sei. Daß für ein gesittetes Wesen, und zwar für so viele in
einem Volke als möglich, die Muße zu derlei Dingen übrig
bleibe, daß die Entlastung von häuslicher Arbeit Raum schaffe
für solche Bestrebungen, das dürfte im Allgemeinen als wün-
schenswerth zugestanden werden. Und so hätte, sofern nur die
wirthschaftlichen Umstände dazu paßten, in diesem Ziele die
uns bekannte Lücke ihren guten Beruf. Zwischen dem, was
heute schon vorhanden ist, und dem, was an dessen Stelle
kommen soll, läge nicht sowohl ein Unterschied des Was,
sondern des Wie. Am allerwenigsten würde der größere Ernst
eines künstlerischen oder wissenschaftlichen Betriebes dasjenige
sein, was von verständigen Leuten zu bekämpfen wäre.

Allerdings gewinnt es nach Manchem, was man zu hören
gewohnt ist, öfter den Anschein, als sei gerade der übliche
Dilettantismus das normale Maß, welches sich allein mit dem
weiblichen Beruf, mit den häuslichen Pflichten vereinigen läßt.
Jn der Vertiefung jener Beschäftigungen sieht man Etwas,
was die Erfüllung dieser Pflichten gefährdet, oder man drückt
dieselbe Wahrheit noch deutlicher aus und behauptet einen
Widerspruch hoher weiblicher Geistesbildung und Geistesarbeit
zu der Fähigkeit für die Erfüllung der häuslichen Pflichten.
Jndessen, gerade die bisherige Erfahrung hat gezeigt, daß der
Dilettantismus durch die Gewöhnung an ziellose und berufslose
Beschäftigung vielmehr für die Gewöhnung zu jeder Arbeit
schädlich ist, weil er den Ernst nicht lehrt, der zu jeder Pflicht-

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[141/0157] heit unangetastet bleiben, daß derartige Beschäftigungen, und nicht bloß die schöngeistigen, sondern auch die wissenschaftlichen, einem gebildeten Wesen, sei es weiblichen, sei es männlichen Geschlechts, zur Zierde gereichen. Ob es Kunst oder Wissen- schaft ist, immer wird nur gefordert werden müssen, daß es nicht eitle Tändelei, sondern ein ernsthaftes Lernen und Arbeiten sei. Daß für ein gesittetes Wesen, und zwar für so viele in einem Volke als möglich, die Muße zu derlei Dingen übrig bleibe, daß die Entlastung von häuslicher Arbeit Raum schaffe für solche Bestrebungen, das dürfte im Allgemeinen als wün- schenswerth zugestanden werden. Und so hätte, sofern nur die wirthschaftlichen Umstände dazu paßten, in diesem Ziele die uns bekannte Lücke ihren guten Beruf. Zwischen dem, was heute schon vorhanden ist, und dem, was an dessen Stelle kommen soll, läge nicht sowohl ein Unterschied des Was, sondern des Wie. Am allerwenigsten würde der größere Ernst eines künstlerischen oder wissenschaftlichen Betriebes dasjenige sein, was von verständigen Leuten zu bekämpfen wäre. Allerdings gewinnt es nach Manchem, was man zu hören gewohnt ist, öfter den Anschein, als sei gerade der übliche Dilettantismus das normale Maß, welches sich allein mit dem weiblichen Beruf, mit den häuslichen Pflichten vereinigen läßt. Jn der Vertiefung jener Beschäftigungen sieht man Etwas, was die Erfüllung dieser Pflichten gefährdet, oder man drückt dieselbe Wahrheit noch deutlicher aus und behauptet einen Widerspruch hoher weiblicher Geistesbildung und Geistesarbeit zu der Fähigkeit für die Erfüllung der häuslichen Pflichten. Jndessen, gerade die bisherige Erfahrung hat gezeigt, daß der Dilettantismus durch die Gewöhnung an ziellose und berufslose Beschäftigung vielmehr für die Gewöhnung zu jeder Arbeit schädlich ist, weil er den Ernst nicht lehrt, der zu jeder Pflicht-

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/157>, abgerufen am 19.04.2024.